Kurz & bündig

- Keylines sind Wassergräben, die entlang von Höhenlinien angelegt werden.

- Die Keylines sollen das Wasser am Hang auffangen, gleichmässig verteilen und versickern lassen. Das soll Erosion und Trockenheit vermindern.

- Meistens werden Keylines mit Agroforst kombiniert. Dann werden unterhalb der Wassergräben Bäume gepflanzt, um den Hang zu stabilisieren und das Wasser besser zu speichern.

Ein verhangener regnerischer Tag auf dem Biobetrieb Hof & BioManufaktur Grünboden im luzernischen Pfaffnau. Landwirt Marc Frühauf steht mit seinem langen Regenmantel in einer Gründüngung und schlägt alle paar Meter einen Pfosten ein. Die Pfostenreihe ist aber nicht schön gerade gesteckt worden, sondern zeigt leichte Kurven.

Was hat Frühauf vor? «Ich werde hier auf einer Fläche von fünf Hektaren Keylines anlegen», sagt er. Diese Gräben sollen das Wasser am Hang zurückhalten, versickern lassen und gleichmässig auf der Parzelle verteilen.

Was sind Keylines und wie werden sie angelegt?

Unterstützt wird Frühauf von Philipp Gerhardt und Katja Degonda. Die beiden befassen sich intensiv mit Keyline-Design und leiten die Planung. «Keylines» nennen sich Frühaufs Gräben abgekürzt.

«Keyline-Design ist eine Wassermanagement-Strategie», erklärt Philipp Gerhardt, Gründer der deutschen Firma Baumfeldwirtschaft. Das System wird auch Hauptlinien- oder Schlüssellinien-Gestaltung genannt und wurde in den 1940er-Jahren vom australischen Bergbauingenieur Percival A. Yeomans entwickelt. Das System wurde von Philipp Gerhardt weiterentwickelt und auf die Bedingungen in Mitteleuropa angepasst.

Dazu wird in einem stufenweisen Verfahren am Hang entlang eine sogenannte Hauptlinie definiert, die das Wasser gezielt leitet und versickert. Parallel dazu werden weitere Linien definiert, welche dieselbe Aufgabe haben. Der Plan wird schliesslich mittels GPS-Daten aufs Feld übertragen. Die definierten Linien hat Marc Frühauf daher mit Pfosten abgesteckt.

Später werden bei den abgesteckten Linien mit einem Bagger Gräben erstellt. Aufgrund der nassen Wetterverhältnisse mussten die Baggerarbeiten aber verschoben werden.

Die Gräben wirken wie eine Art Regenrinne, welche das Wasser am Hang gleichmässig verteilen. Keylines können auch mit Agroforst kombiniert werden. Dann werden unterhalb der Gräben Bäume gepflanzt, die das Wasser, das zu ihnen geleitet wird, aufnehmen können. Zusätzlich stabilisieren sie den Hang dank tiefer Durchwurzelung.

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Keylines sollen bei Nässe und Trockenheit funktionieren

Keylines sollen in niederschlagsreichen Zeiten Erosion und in niederschlagsarmen Zeiten Trockenheit vermindern. Bei einem Starkregenereignis wird das Wasser in den Gräben aufgehalten und gleichmässig auf die ganze Breite der Hangfläche verteilt und versickert.

Die gleichmässige Wasserverteilung wird durch detailliert geplante Fliess- und Versickerungsstrecken ermöglicht, weil die Gräben entlang der Höhenlinien auf der ganzen Länge dieselbe Höhe aufweisen. Somit wird Erosion vermindert, weil das Oberflächenwasser durch die Gräben aufgehalten wird und sich nicht zu Rinnen konzentrieren kann.

Bei Trockenheit können die tiefwurzelnden Bäume das Wasser aus tieferen Bodenregionen erschliessen und ihre Umgebung mittels Verdunstung abkühlen. Zudem kann dank der Bäume mehr Tau gebildet werden, welcher zusätzlich an die Umgebung abgegeben wird.

«Durch Agroforst wird der Verdunstungsstress der umliegenden Ackerkulturen vermindert», erklärt Philipp Gerhardt. «Die Bäume bringen mittels Verdunstung Wasser ins System, was zur Kühlung der umliegenden Flächen führt.»

«Das Grundgerüst für den Humusaufbau ist Wasser. Ohne Wasser sterben die Bodenlebewesen ab. Und bei Erosion wird die aktivste und wichtigste Bodenschicht weggeschwemmt», sagt Katja Degonda, Projektleiterin der Firma Baumfeldwirtschaft in der Schweiz. «Daher sind Keylines für mich die eierlegende Wollmilchsau. Sie vermindern Erosion, wirken als dezentraler Hochwasserschutz und entschärfen Trockenperioden. Durch Agroforst entsteht zudem ein weiterer Betriebszweig und die Biodiversität und das Bodenleben werden gefördert.»

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Auf dem Grünboden entsteht ein neuer Betriebszweig

Marc Frühauf interessiert sich schon länger für Agroforst und ähnliche Systeme in der Landwirtschaft. Vor zehn Jahren hat er bereits eine Reihe mit Zwetschgenbäumen am Hang gesetzt.

«Was mich fasziniert ist, dass man auf einer Fläche sowohl Ackerkulturen als auch Gemüse und Baumkulturen anbauen kann, ohne dass sich diese behindern, sondern einander eher helfen», erzählt Marc Frühauf. Er hat bemerkt, dass auf alten Landschaftsbildern viel mehr Bäume zu sehen waren als heute.

Sie würden zwar in einer Gegend mit verhältnismässig viel Regen wohnen, aber trotzdem seien klimatische Auswirkungen bemerkbar. «Trockenperioden können bei den Buschbohnen zu einer schlechteren Blütenentwicklung und schliesslich geringerem Ertrag führen», erklärt Marc Frühauf.

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Auf einer Pachtparzelle konnte Marc Frühauf im Regenjahr 2021 starke Erosion beobachten. Die Parzelle ist etwas geneigt und durch die grossen Wassermengen gab es eine Wasseransammlung in Form eines Kanals. «Ich habe zwar damals schon eher flache Bodenbearbeitung betrieben, aber das war genau dieser gelockerte Horizont, den es mir auf einer Breite von 10 Metern weggeschwemmt hatte», erklärt Marc Frühauf.

Nicht nur die Wetterereignisse überzeugten Marc Frühauf, auf seinem Betrieb mit dem Anlegen von Keylines zu beginnen. Es gibt einen weiteren, wirtschaftlichen Grund: Da der Betrieb mit neun Hektaren eher kleiner strukturiert ist, sind Frühaufs auf mehrere Standbeine angewiesen.

«Wir können nicht nur von den Ackerkulturen leben. Wir möchten auch mehr Gemüse für die Direktvermarktung produzieren», erklärt Marc Frühauf. Sämtliche Gemüse und Früchte des Hofs werden getrocknet oder anderweitig weiterverarbeitet.

Dank den Keylines und dem zusammenhängenden Agroforstsystem soll zukünftig ein weiterer Betriebszweig mit Obst und Nüssen entstehen, welches ebenfalls direktvermarktet werden kann.

Abo Auf dem Katzhof wurden die Keylines mit Kastanienbäumen kombiniert. Fokus Boden Erste Erfahrungen mit Keylines auf dem Katzhof Thursday, 23. November 2023

Vorsicht: Bäume verursachen Zusatzaufwand

Mit Agroforst wird es aber zukünftig nicht nur mehr Obst und Nüsse, sondern auch mehr Arbeit geben. «Ich denke, der Grundaufwand zur Bestellung der Ackerflächen wird nicht gross zunehmen, weil der Betrieb jetzt bereits kleinstrukturiert ist. Die Strukturierung der Flächen könnte eher noch klarer werden durch die vorgegebenen Bahnen der Keylines», meint Marc Frühauf.

«Aber der Aufwand von der Pflege und Ernte der Bäume sollte nicht unterschätzt werden», sagt Marc Frühauf (mehr zu Agroforst in «die grüne», Ausgabe 7/2023). Das bejaht auch Philipp Gerhardt: «Keyline-Design ist ein ganzes Betriebssystem und kann nicht als einzelnes Element betrachtet werden. Es funktioniert nur auf Betrieben, die sich divers aufstellen wollen. Die Bäume sind ein wichtiger Teil dieses Systems, sie müssen geschnitten und am Anfang auch bewässert werden. Daher ist es wichtig, dass man sich als Landwirt damit beschäftigen will.»

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Führen Keylines zu mehr Ertrag?

Durch die Keylines erwartet Marc Frühauf nicht in erster Linie mehr Ertrag von den Ackerkulturen. Viel mehr erwartet er eine Verminderung der Erosionsproblematik und damit die Möglichkeit, zukünftig auch Gemüse an den Hangflächen zu produzieren. Zweitens hofft er, dass sich der Schattenwurf der Bäume positiv auf die Wasserverfügbarkeit und Temperatursenkung in Hitzeperioden auswirkt. Drittens will er den Zusatzertrag von Obst, Früchten und Beeren nutzen.

Die Frage, ob die Bäume nicht die danebenliegenden Ackerkulturen konkurrieren würden, verneint Philipp Gerhardt. Es sei wichtig, zu Beginn ausreichend Wurzelschnitte zu machen, damit die Wurzeln der Bäume in die Tiefe wachsen.

Nicht alle Kulturen eigenen sich für das Agroforst-System: Gerade bei Mais oder gewissen Gemüsearten kann je nach Baumart zu viel Schattenwurf entstehen, wodurch der Kultur zu wenig Licht zur Verfügung steht, was zu zu Ertragsminderung führen kann.

«Der beste Ackerboden nützt nichts, wenn ihm das Wasser fehlt.»

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Der Mähdrescher sollte Platz zwischen den Bäumen haben

Beim Anlegen von Keylines müssen Handling-Aspekte berücksichtigt werden. «Für mich ist es wichtig, dass wegen den Keylines die Bewirtschaftung der Ackerflächen nicht komplizierter wird», meint Marc Frühauf. Der Landwirt hat schon länger diverse Acker-BFF-Elemente wie Nützlingsstreifen und Buntbrachen streifenförmig zwischen den Ackerflächen angelegt. Dies auch mit der Überlegung, den Wasserrückhalt am Hang zu fördern.

Die Streifen schränken ihn nicht gross in der Bewirtschaftung ein. Jedoch müssen die Streifenbreiten so gewählt werden, dass auch ein Mähdrescher ohne Probleme reinfahren kann. Das bedingt, dass die Keylines nicht bis ganz nach aussen angelegt werden. Es sollten mehr als sechs Meter vom Rand weg Platz sein, damit der Mähdrescher vom einen Streifen in den nächsten fahren kann.

Die Abstände zwischen den Keylines verlaufen deshalb nicht stur nach den Höhenlinien, sondern werden an die Breiten der Maschinen angepasst. Für die unabhängige Pflege der Bäume und Ackerkulturen wird der Streifen mit den Bäumen und Keylines sechs Meter breit angelegt, damit man zwischen den Baumreihen eine Mähwerksbreite mähen kann.

Was kosten diese Keylines?

Gemäss der groben Planung wird das ganze Projekt bei Marc Frühauf rund 35 000 Franken kosten. Darin enthalten ist die Planung, die Baggerarbeiten und die Bäume. Hinzu kommen noch allfällige Eigenleistungen.

Ein grosser Teil dieser Summe soll mit Stiftungen finanziert werden, die derzeit solche Projekte suchen, erzählt Frühauf. «Deshalb versuchen wir, dieses Geld zu erhalten, solange dieses noch ausgegeben werden möchte. Vielleicht ist dieser Markt einmal ausgeschöpft.»

Zudem können für die Bäume auch Direktzahlungen gelöst werden. Theoretisch könnte der Grasstreifen auch als Ökoelement angelegt werden. Aber das möchte Marc Frühauf nicht. Er wird daraus eine Kunstwiese machen, welche er regelmässig mähen kann. «Ich möchte vermeiden, dass mir die Bäume von Mäusen gefressen werden.»

Marc Frühauf will diese Keylines aus Überzeugung für eine zukunftsgerechte Bewirtschaftung anlegen. Zudem gefällt ihm die Kombination von Bäumen und Ackerkulturen auch landschaftlich gut.

Das «Slow Water»-Projekt

Innerhalb des «Slow Water»-Projektes werden auf verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben und Wassereinzugsgebieten diverse Wasserrückhalte-Strategien untersucht. Die Idee dieses Projektes ist es, den Abfluss von Regenwasser zu verlangsamen und dieses zu speichern sowie Erosion zu verhindern und die Wasserversorgung der Gemeinden sicherzustellen. Diverse Strategien werden geprüft:

- Retentionsteiche für Regen- und Obeflächenwasserrückhalt mit/ohne Versickerung
- Regenwassersammlung von Dächern und versiegelten Flächen
- Nutzung von Drainagen zum Wasserrückhalt und Verschliessen von Schächten
- Keyline-Design und Agroforst
- Untersaaten
- Schonende Bodenbearbeitung

In verschiedenen Pilotgemeinden innerhalb der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Luzern werden diese Methoden geprüft. Der Katzhof mit den Keylines ist ein Teil davon.

www.ebenrain.ch/slow-water

Betriebsspiegel Hof & BioManufaktur Grünboden

Marc Frühauf, Pfaffnau LU

LN: 9 ha
Bewirtschaftung: Bio
Kulturen:
Sellerie, Stangensellerie, Lauch, Zwiebeln, Karotten, Kartoffeln, Randen, Buschbohnen, Roggen, Emmer, Dinkel, Hirse, Hafer, Gemüsetunnel mit Tomaten und Himbeeren
Tierbestand: viehlos, 3 Schafe
Weitere Betriebszweige: Direktvermarktung, Obst und Früchte
Arbeitskräfte: Eltern von Marc Frühauf, Mitarbeiter 20 Prozent

www.gruenboden.ch