Kurz & bündig
- Jeanne und Lukas Lehmann bilden Landwirte EFZ und Agrarpraktiker EBA aus.
- Sie gehen auf die Bedürfnisse der Lernenden ein und wollen, dass sie für die Arbeitswelt gerüstet sind.
- Im schulischen Bereich betont Liliane Brunner, Lehrerin am Inforama, dass die Motivation der Lernenden ein entscheidender Faktor sei.
«Jahre mit Lernenden fühlen sich unterschiedlich lang an», sagt Jeanne Lehmann (30). Am Küchentisch in Zollbrück BE erzählen sie und ihr Mann Lukas (32) vom Alltag mit ihren Lehrlingen. Ihre Töchter Ella (1) und Rosa (3) sind dabei, schlafen mal ein oder spielen.
Lukas Lehmann ist mit Lernenden aufgewachsen. Denn sein Vater hat stets Lehrlinge ausgebildet. Als Lukas und Jeanne Lehmann den Hof im Jahr 2020 übernommen haben, gehörte dazu auch ein EFZ-Lernender. Das Lehrmeisterpaar, er Meisterlandwirt, sie HAFL-Absolventin, nehmen die jungen Menschen, wie sie sind: Der eine verschwindet nach dem Essen sofort im Zimmer, der andere bleibt gerne am Tisch sitzen.
Vergleichen – auch zwischen der Agrarpraktiker-Lehre, die mit einem Berufsattest (EBA), und der Ausbildung zum Landwirt, die mit Fähigkeitszeugnis (EFZ) abgeschlossen wird – bringe nichts: «Doch wenn jeweils ein neuer Lernender kommt, müssen wir uns umgewöhnen», sagt Jeanne Lehmann. Nur schon, wenn es ums Kochen gehe und die korrekten Mengen für die jungen Leute.
Betriebsspiegel «Hof 141»
Jeanne und Lukas Lehmann, Zollbrück BE
LN: 23 ha, 4,8 ha Wald
Kulturen: Natur- und Kunstwiesen, Pflanzkartoffeln, Silomais
Tierbestand: 26 Milchkühe, Grossviehmast (rund 20 Stück), 10 Pensionspferde im Aktivstall
Weitere Betriebszweige: Lohnarbeiten (Mais säen und spritzen, Rundballen pressen mit Nachbar)
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, ein Lehrling, Vater von Lukas Lehmann, sporadisch ein Nachholbildner
www.hof-141.ch
Bei der Auswahl der Lehrlinge gehen die beiden so vor, wie es Liliane Brunner, EBA-Lehrperson am Inforama Rütti in Zollikofen BE, empfiehlt: Drei bis vier Tage schnuppern und auf dem Betrieb übernachten. Danach kann das Betriebsleiterpaar einschätzen, ob ein Lehrverhältnis für alle Seiten stimmt. «Es kommt auch vor, dass jemand körperlich an seine Grenzen kommt.» Dann empfiehlt Lukas Lehmann dem Schnupperlehrling, sich genau zu überlegen, ob sein Hof als Lehrbetrieb der richtige ist.
Den Lernenden aufzeigen, dass Schulunterricht wertvoll ist
In den Alltag bringen die jungen Leute auch ihren «Rucksack» an Erfahrungen, zum Beispiel aus dem Elternhaus, mit. Das erlebt Liliane Brunner auch im Schulzimmer: «Agrarpraktiker haben oft schwierige Verhältnisse zu Hause und schlechte Erfahrungen mit der Schule gemacht.»
Ihre Aufgabe sei es auch, ihren Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen, dass der Unterricht wertvoll sei. Dabei geht sie kreativ vor, bringt auch mal eine Gebärmutter oder eine Magenstruktur mit in den Unterricht.
Den Unterricht klar strukturieren und am Betriebsalltag anknüpfen
Die Klassen sind mit maximal zwölf Personen bewusst klein gehalten. Viele angehende AgrarpraktikerInnen hätten Mühe, sich zu konzentrieren, oder eine Lernschwäche. Dem gilt es im Unterricht Rechnung zu tragen: Liliane Brunner setzt ihre SchülerInnen einzeln an Pulte und strukturiert den Unterricht ganz klar.
Sie versucht, stets dort anzuknüpfen, wo ihre SchülerInnen gerade stehen. Deshalb bringt sie viele Beispiele aus ihrem eigenen Betriebsalltag in Frieswil BE und lässt die Lernenden berichten. Sie unterrichtet immer am Dienstagnachmittag: «Gegen Ende des Nachmittags lässt die Konzentration nach.» Dann versucht sie, mit Onlinequiz, Kreuzworträtseln oder Gruppenarbeiten die Jugendlichen zu motivieren. Fester Bestandteil ist eine Rückmelderunde, bei der die SchülerInnen sagen, was sie gelernt haben.
Liliane Brunner bringt 20 Jahre Erfahrung mit ins Schulzimmer
Was sie an ihren Schülern schätzt, sei die meist sehr direkte Art: «Das bedeutet aber auch, dass ich als Lehrerin eine dicke Haut brauche.» Brunner unterrichtet seit rund 20 Jahren und hat den Aufbau der Agrarpraktiker-Ausbildung miterlebt. Sie ist Landwirtin und hat das «Tech» in Zollikofen (heute HAFL) absolviert. Dass sie mit ihrem Mann einen Betrieb führt und dass ihr Sohn gerade die Lehre als Landwirt EFZ macht, fördert ihr Verständnis für alle Seiten: für die Jugendlichen, aber auch für die Lehrmeister.
Sehr wertvoll ist für Liliane Brunner, dass es ein Lehrmittel gibt, das auf die Fähigkeiten ihrer SchülerInnen zugeschnitten ist. Das wird auch in Zukunft, mit der Revision der Grundbildung, der Fall sein. Wer Unterstützung braucht, bekommt diese im Stützunterricht oder bei der Lernberatung.
Das beinhaltet die Ausbildung «AgrarpraktikerIn EBA»
Die Ausbildung zum Agrarpraktiker mit Berufsattest (EBA) vermittelt, verglichen mit der dreijährigen Grundbildung, spezifische und einfachere berufliche Qualifikationen. Innerhalb des Berufs gibt es drei Fachrichtungen: Landwirtschaft, Spezialkulturen und Weinbereitung. Nach abgeschlossener Ausbildung ist es möglich, ins zweite Lehrjahr der EFZ-Ausbildung einzusteigen.
Aktuell ist die EFZ-Ausbildung in einer Totalrevision. Die Revision der Agrarpraktiker EBA ist notwendig, nicht nur, aber auch für die Durch-lässigkeit. Petra Sieghart, Leiterin Agriprof, teilt mit, dass die Revision EBA ab Schuljahr 2027/28 umgesetzt wird, sodass 2029 erstmals beide Bildungsgänge mit dem neuen Qualifikationsverfahren abschliessen.
Mit der Revision der Ausbildung werden auch die Lehrmittel angepasst. Dies wird von der Edition-lmz umgesetzt, sagt Andreas Hügli, Geschäfts- und Verlagsleiter: «Die Edition-lmz wird das gemeinsam mit Lehrpersonen der verschiedenen landwirtschaftlichen Schulen in der Schweiz anpacken.»
Lehmanns fördern ihre Lernenden auf dem Weg in die Berufswelt
Viel Unterstützung bieten auch Jeanne und Lukas Lehmann ihren Lernenden; doch sie erwarten, dass die Lernenden zu ihnen kommen, wenn sie Hilfe brauchen. «Ich möchte, dass die jungen Leute danach einen Platz in der Arbeitswelt finden», betont Lukas Lehmann. Er möchte nicht einfach «geführtes Arbeiten» anbieten. Deshalb fordert er auch seine Agrarpraktiker-Lehrlinge, möchte, dass sie so weit als möglich selbstständig sind und Lösungen finden. Diese Fähigkeit sei je nach Person sehr unterschiedlich ausgeprägt, haben er und seine Frau erlebt. «Übrigens unabhängig davon, ob jemand die EBA- oder die EFZ-Ausbildung macht», sagt Jeanne Lehmann.
Ihre Lernenden seien auch unterschiedlich weit in der Persönlichkeitsentwicklung. Erlebt haben sie schon reife junge Menschen, denen sie klar die Grenzen aufzeigen mussten, und eher schüchterne, denen es schwerfällt, Arbeitsabläufe zu vereinfachen.
So gerne Jeanne und Lukas Lehmann die jungen Menschen begleiten: Sich abzugrenzen sei nicht immer einfach und es sei auch gut, dass die Lernenden nach einem Jahr weiterziehen, sei es in ein weiteres Lehrjahr oder in die Arbeitswelt.
Tipps für Lehrmeister
Was braucht es vonseiten der Lehrmeister im Umgang mit Agrarpraktiker-Lehrlingen? Einige Tipps:
- Klare Anweisungen und Wiederholungen geben Sicherheit.
- Eine Ansprechperson, die erreichbar ist, nicht mehrere. Das gibt Halt.
- Liliane Brunner, EBA-Fachlehrerin am Inforama Rütti, rät, Interessierte zwei bis drei Tage schnuppern und auf dem Betrieb übernachten zu lassen. Ideal sei, wenn die Schnupperlehrlinge danach einen kurzen Bericht verfassen: Das gebe Aufschluss über die schulischen Leistungen.
- Geeignet sind nicht zu grosse Betriebe, auf denen der Chef oder die Chefin präsent ist. Die Lehrmeister dürfen nicht zu hohe Erwartungen haben und müssen diese an die Lernenden anpassen.
- AgrarpraktikerInnen auszubilden, braucht viel Geduld. Brunner rät, Arbeitsschritte aufzuschreiben und nicht mehrere Aufträge gleichzeitig zu erteilen.
So geht es nach der Attestbildung in der Arbeitswelt weiter
Die weiteren Schritte nach der AgrarpraktikerInnen-Ausbildung teilen sich gemäss Dario Principi, Leiter 1. und 2. Lehrjahr Landwirt/in und Leiter Attestbildungen am Inforama, in drei Bereiche auf:
- Rund ein Drittel der Lernenden nimmt die Ausbildung zum/zur Landwirt/in EFZ in Angriff. Bei einem Notenschnitt im EBA von 5 bis 5,5 ist ein Abschluss auf Stufe EFZ realistisch.
- Ein Drittel arbeitet nach dem Abschluss als Betriebshelfer auf verschiedenen Höfen in der Schweiz oder im Ausland, um weitere Erfahrung in der Landwirtschaft zu sammeln.
- Ein Drittel arbeitet in der Regel auf dem elterlichen Hof und wird diesen voraussichtlich auch übernehmen.
Das EBA berechtigt zum Bezug von Direktzahlungen. Im Rahmen der AP 22+ wurde diskutiert, ob das auch in Zukunft möglich sein soll. Aktuell ist davon nicht mehr die Rede; Änderungen kommen frühestens mit der AP 2030.
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«Die Betreuung von Lernenden braucht viel Einfühlungsvermögen», darin sind sich Liliane Brunner und das Ehepaar Lehmann einig. Schulisch schwachen Lernenden Neues zu vermitteln, das sei eine Herausforderung. «Die perfekte Lösung haben wir immer noch nicht gefunden», sagt Jeanne Lehmann.
Lukas Lehmann berichtet, dass er gerne mit dem Lernenden zusammen eine Aufgabe beginne und diese dann übergebe. Um sicherzugehen, dass alles klappt, versucht er dann, unauffällig zu beobachten, um den Lernenden nicht zu verunsichern.
Auch Liliane Brunner geht nicht immer den gleichen Weg: So darf jemand mit einer Schreibschwäche ihr Fragen auch per Sprachnachricht beantworten.
Die Motivation ist bei AgrarpraktikerInnen entscheidend
Entscheidend ist ihrer Erfahrung nach die Motivation der angehenden AgrarpraktikerInnen: «Wer wirklich will, für den finde ich eine Lösung.»
Wer aber nicht ehrlich sei und sich nicht helfen lasse, habe einen schweren Stand. «Denn auch für einen Abschluss mit Attest braucht es eine gewisse schulische Leistung.» Dazu gehört die Lerndokumentation. Für Liliane Brunner ist es in Ordnung, wenn diese aus vielen Bildern und wenig Text besteht. «Doch machen müssen es die Lernenden.»
Lehrmeister Lukas Lehmann fragt zwar nach, wie es um diese Dokumentation steht – aber mit der Erwartung, dass die Lernenden auf ihn oder seine Frau zukommen, wenn sie Hilfe brauchen.
Der Weg in die Berufswelt ist ganz unterschiedlich
Was aus seinen Schützlingen später wird, beschäftigt ihn: «Für einige ist es sinnvoll, zuerst einige Jahre zu arbeiten und vielleicht mit mehr Reife ein EFZ in Angriff zu nehmen.» Denn nach einem bestanden EBA in der EFZ-Ausbildung an die Grenzen zu kommen, sei sicher keine schöne Erfahrung.
Welche Erfahrungen ihre SchülerInnen in der Berufswelt machen, interessiert auch Liliane Brunner. «Manchmal treffe ich Ehemalige an Viehschauen oder Auktionen», sagt sie. Zu hören, dass die jungen Menschen ihren Weg gefunden haben, freue sie – und sei Motivation in den Momenten, wenn eine Klasse laut oder unwillig sei.
Die Ausbildung «Hofmitarbeiter»
Im Kanton Zürich gibt es neben der EBA- und der EFZ-Ausbildung den zwei Jahre dauernden Lehrgang «HofmitarbeiterIn», der am Strickhof angeboten wird. Der Lehrgang bietet individuelle Lernziele und einen individuellen Kompetenznachweis. Trägerschaft ist seit 2017 die Stiftung Landwirtschaft und Behinderte LuB. Gemäss Peter Schär von der LuB starten jedes Jahr zehn bis zwölf Lernende. Abschlüsse seien es zwischen acht und zehn, je nachdem, wie viele nach einem Jahr in die EBA-Ausbildung wechseln.
Nach dem Abschluss finden die Hofmitarbeiter Arbeit als HilfsarbeiterInnen auf Höfen, in der Hauswirtschaft, evtl. beim Gemeindebauamt oder im Gartenbau. Häufig ist nach Abschluss noch ein geschützter/beschützender Rahmen notwendig. Einzelnen gelingt es, im Rahmen eines Nischenplatzes im ersten Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Schär sagt, dass ein Wechsel nach dem ersten oder zweiten Ausbildungsjahr auf EBA regelmässig vorkomme. Selten sei, dass jemand als Hofmitarbeiter beginne und später die EFZ-Ausbildung absolvieren könne.