Über 30 Lernende hat Fred Grunder auf dem Kummengut in Belp bei Bern seit 2005 ausgebildet. Seit 2009 sitzen stets zwei junge Menschen am Küchentisch von Grunder und seiner Frau Caroline. «Ich bin eher das Sorgentelefon», sagt sie und lacht.
Sie arbeitet 80 Prozent auswärts. Um das Frühstück und das Mittagessen kümmert sich von Montag bis Donnerstag Fred Grunders Mutter. Am Abend ist das Ehepaar mit den Lernenden am Tisch. «Es gab Lernende, mit denen haben wir gejasst. Manche schütten mir ihr Herz aus, andere brauchen Zeit für sich und verziehen sich ins Zimmer», erzählt Caroline Grunder.
Keine Hausordnung, dafür direkte Rückmeldungen
Doris Brönnimann (psychosoziale Beraterin und Mitglied der Arbeitsgruppe Bildung des BEBV) empfiehlt eine Hausordnung, um Regeln auf dem Betrieb und im Alltag festzulegen. Fred Grunder und seine Frau schauen sich an und schmunzeln.
«Eigentlich wollten wir das schon lange anpacken», sagt sie. Bis jetzt sei es ohne gegangen – wenn sie etwas stört, sagt sie es mit Humor, aber direkt: Etwa, wenn das Handy auch während des Essens dauernd gebraucht wird.
Die leidige Diskussion um den Handy-Gebrauch erlebt Fred Grunder auch im Betriebsalltag: «Wer im Stallgang auf dem Gerät herumdrückt, statt Tiere zu beobachten, bekommt was zu hören», sagt er. Er erkläre gerne und mache zum Beispiel einen Ölwechsel mit seinen Lernenden: «Das dauert deutlich länger, als wenn ich es allein mache. Aber die jungen Menschen sind bei mir, um etwas zu lernen.»
Mühe haben er und seine Frau, wenn die Lernenden sich nicht an Grundwerte halten, die dem Ehepaar wichtig sind: Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, ein gewisser Grundanstand. Dazu gehört etwa, das Geschirr nach dem Essen abzuräumen.
In all den Jahren hat nur ein Lernender die Lehre abgebrochen: «Er hat gemerkt, dass ihm der Beruf schlicht nicht zusagt», sagt Fred Grunder. Schwierige Situationen gab es, wenn Lernende nicht ehrlich waren: «Dann haben wir das Gespräch mit den Eltern gesucht», sagt Caroline Grunder.
Im Alltag setzen beide auf offene Kommunikation – erwarten aber auch, dass die Lernenden mit Fragen und Kritik kommen. Dabei haben beide viel Verständnis: «Lernende im ersten Lehrjahr sind noch sehr jung», sagt Caroline Grunder, «für sie sind wir die Ersatzfamilie.»
Beim Schnuppern merken, ob es für Familie und Lernende passt
Rückmeldungen gibt Fred Grunder laufend im Alltag und strukturiert mit dem Bildungsbericht. Den Besuch der Klassenlehrkraft und das Rückmeldegespräch schätzt er: «Da lassen sich Missverständnisse klären und Situationen, die falsch angekommen sind.» Dass der Ton in der Landwirtschaft manchmal etwas ruppig sei, lasse sich erklären, sagt Grunder. In einem Sommer wie 2024 sei der Druck auf den Betriebsleiter gross: «Dann geht es nicht, wenn die Lernenden unkonzentriert arbeiten.»
Bei der Auswahl der Lernenden bestehen Grunders darauf, dass mindestens ein ganzer Tagesablauf auf dem Betrieb erlebt wird. Fred Grunder prüft tagsüber, ob das Interesse da ist, und versucht, mit kleinen Aufgaben zu testen, ob es leistungsmässig reichen könnte: «Bei einigen stellt sich beim Eintritt in die Berufsschule heraus, dass Basiswissen wie Dreisatz-Rechnen fehlt.» Am Abend löchert Caroline Grunder dann die «Schnupperi» und versucht herauszufinden, ob es menschlich passt.
Beiden ist klar: «Ein Jahr verfliegt rasch, wenn es passt – aber es kann sich ziehen, wenn die Betriebsleiterfamilie und die Lernenden nicht miteinander klarkommen.»
