Kurz & bündig

- Landwirt Heinz Brauchli setzt auf die regenerative Landwirtschaft. Gründüngungen sind besonders wichtig für einen erfolgreichen Humusaufbau.
- Joe Santo hat mit seiner Firma nachgemessen: In drei Jahren stieg der Humusgehalt bei Brauchli um 0,6 % auf 2,8 %.
- Gleichzeitig konnte Heinz Brauchli CO2 im Boden einlagern. Die Zertifikate, die er dafür erhält, verkauft er. So setzt er seinen Klimaschutz in Wert.

[IMG 7]

Der Boden ist weich und uneben. Für die Füsse ist das ein angenehmer Kontrast zum harten Feldweg. Heinz Brauchli stapft auf das Feld. «Wenn es mühsam ist, auf dem Acker zu gehen, steht es nicht schlecht um den Boden», sagt er zufrieden. Zur Bestätigung sticht der Landwirt mit der Spatengabel in den Boden und fördert lockeren, krümeligen Humus zutage.

Auf dem Feld wächst die Gründüngung «Wintergrün». Sie wurde nach Körnermais gesät und steht noch bis Ende Mai, bevor sie gemäht und eingearbeitet wird. Anschliessend werden Rüebli gesät. «Gründüngungen machen rund 60 Prozent unseres Erfolgs aus», erklärt Heinz Brauchli.

Damit gemeint ist der erfolgreiche Humusaufbau, ein erklärtes Ziel auf dem Biobetrieb Rheingut in Diessenhofen TG. Seit dem 1. Januar 2022 bewirtschaftet Christian Roth die Felder am Ufer des Rheins. Heinz Brauchli, 63-jährig, ist bei seinem Nachfolger angestellt. Der Humusaufbau wird auch unter der neuen Betriebsleitung weitergeführt.

Ein Kursbesuch, Gründüngungen und neue Maschinen

[IMG 2]

«Ich habe mit dem Humusaufbau nicht ganz freiwillig begonnen. Vor über zehn Jahren konnte ich Stickstoff düngen – und der Boden ergab trotzdem keine grossen Erträge. Der Humusgehalt lag sehr tief, bei schätzungsweise 1,5 %. Da musste ich etwas ändern», erzählt Brauchli.

2010 stellte er den Betrieb auf Bio um. 2015 besuchte er mit seinem Nachbarn einen Kurs zu regenerativer Landwirtschaft. Seither setzen die beiden auf ihren Betrieben entsprechende Massnahmen um. Sie haben ausserdem gemeinsam Maschinen gekauft. Etwa die Fräse, mit der sie die Gründüngungen oberflächig einfräsen. Oder den Grubber mit langen Zinken, der zur partiellen Tiefenlockerung auf 35 cm Bodentiefe durch das Feld gezogen wird. Weitere Punkte, die zur Bodenverbesserung umgesetzt werden, sind:

  • Untersaaten
  • Rottelenker mit effektiven Mikroorganismen
  • Pflanzenkohle in der Gülle
  • Ausbringung von Komposttee, um die Pflanzen vitaler zu machen.

Jede Parzelle wird an 20 Punkten beprobt

Ein schöner Nebeneffekt des Humusaufbaus ist, dass damit gleichzeitig Kohlenstoffdioxid CO2 aus der Atmosphäre im Boden eingebunden wird. Diese CO2-Abnahme in der Atmosphäre ist gut fürs Klima. Heinz Brauchli und andere Landwirte tragen also nebenbei auch etwas zum Klimaschutz bei. 

[IMG 3] Wie viel genau sie beitragen, das misst die Firma bodenproben.ch. Joe Santo, Gründer und Inhaber des Schweizer Unternehmens erklärt, was genau gemessen wird: «Wir stechen auf jeder Parzelle an 20 Punkten in den Boden. Diese Punkte werden ohne den Landwirt ausgewählt und dann mit GPS/RTK genau gespeichert. Bei der nächsten Beprobung werden wir die exakt gleiche Stelle untersuchen.» 

Dies geschieht maschinell, mit dem Stecher, der vorne an einem John Deere Gator befestigt ist. Die 20 Proben einer Parzelle werden gemischt und, fein säuberlich beschriftet, ins Labor geschickt. Dort wird der Humusgehalt ermittelt. Über Umrechnungsfaktoren kann daraus der CO2-Gehalt berechnet werden.

Verträge regeln den Zertifikate-Handel

Abo Eine Luftaufnahme von Schweizer Kulturland, mit vielen kleinen Feldern. «Fokus Boden» CO2-Zertifikate für den geleisteten Klimaschutz in der Landwirtschaft Thursday, 25. May 2023 Joe Santo war einer der Ersten, der Bodenproben GPS-genau stechen konnte. Auch deshalb kam 2019 die Zusammenarbeit mit dem süddeutschen Unternehmen Carbocert zustande. Seit damals und bis heute führt bodenproben.ch die Bodenproben zur Bestimmung des CO2-Gehalts im Auftrag von Carbocert durch. 

Carbocert engagiert sich für den Humusaufbau und den Klimaschutz, in dem das Unternehmen die CO2-Speicherung der LandwirtInnen in CO2-Zertifikate ummünzt: Für jede Tonne zusätzlich gebundenes CO2 gibt es ein Zertifikat.

Wie funktioniert das? Landwirt, Gründer und Geschäftsführer Wolfgang Abler erklärt: «Wir schliessen mit den LandwirtInnen Verträge ab. Darin ist geregelt, wie die Bodenproben durchgeführt werden und wie die Landwirte anschliessend von uns entsprechend der gespeicherten CO2-Menge ausgezahlt werden.» Im Gegenzug für das Geld erhält Carbocert die CO2-Zertifikate, welche sie wiederum an Firmen wie das Staatliche Hofbräuhaus in München (D) oder an die Sparkasse Schwarzwald (D) verkaufen.

Währungswechsel: CO2-Einlagerung wird zu Geld

Carbocert ist in dem Sinne ein Zwischenhändler. Als solcher behält er einen Teil des Erlöses für sich. Die LandwirtInnen profitieren trotzdem, indem sie mit der ganzen Administration, mit dem Wechsel dieser Währungen von CO2 über Zertifikate hin zu Geld, nichts zu tun haben. Stattdessen setzt Carbocert für sie die Humusaufbaumassnahmen in Wert um.

Die LandwirtInnen unter Vertrag sollen möglichst wenig in ihrer Produktion eingeschränkt sein, sagt Wolfgang Abler. «Wir schreiben beispielsweise nicht vor, mit welchen Massnahmen die Betriebe Humus aufbauen sollen.» Die CO2-Bodenproben lehnen sich an den ökologischen Leistungsnachweis ÖLN an, wodurch keine zusätzliche Beprobung anfällt.

Die Klimazertifikate aus dem landwirtschaftlichen Humusaufbau sind gefragt und verkaufen sich gut, sagt Wolfgang Abler. Auch vonseiten der Landwirtschaft stellt er wachsendes Interesse fest: «Aus der Schweiz sind 129 LandwirtInnen mit rund 1250 ha Fläche bei Carbocert registriert.»

Auf 20 Hektaren 350 Tonnen CO2 im Boden eingelagert

20 dieser Hektaren befinden sich auf dem Betrieb Rheingut. 2019 hatte Heinz Brauchli zum ersten Mal Besuch von bodenproben.ch. Mittlerweile fanden weitere Messungen statt.

Aus der Differenz lässt sich ein anschaulicher Humusaufbau ablesen: Im Schnitt über alle Parzellen stieg der Humusgehalt während der drei Vegetationsperioden (2019, 2020, 2021) von 2,2 auf 2,8 Prozent. Das entspricht rund 350 Tonnen CO2, die im Boden gespeichert wurden. Zum Vergleich: 2021 stiess die gesamte Schweiz rund 36 Millionen Tonnen CO2 aus.

Laut Abrechnung von Carbocert wird Brauchli für die 350 Tonnen CO2 gut 10'000 Franken erhalten. Eine erste Tranche wird bereits jetzt ausgezahlt, der Rest wird als Puffer zurückgehalten. Falls bei der nächsten Messung ein Humusabbau festgestellt wird, muss er kein Geld zurückzahlen und wird auch anderweitig nicht bestraft, erhält aber die zweite Tranche dieser 10'000 Franken nicht.

[IMG 4]

Betriebsspiegel Rheingut

Bernadette und Heinz Brauchli, Diessenhofen TG

LN: 27 ha
Kulturen: Saatweizen, Kartoffeln, Rüebli, Mais, Futtersoja, Hirse, Sonnenblumen, Schnittlauch, Wiese und Weiden
Tierbestand: 7 bis 9 Bio Weide-Beef, 150 Legehennen
Weitere Betriebszweige: Hofladen
Arbeitskräfte: Betriebsleiter Christian Roth mit Partnerin Pamela, Heinz Brauchli, Gärtnerin (50 %)

Eigentlicher Gewinn ist der fruchtbare Boden

Brauchli betont, dass das Geld aus dem Verkauf der Klimazertifikate natürlich ein schöner Zustupf sei. «Wir investierten in Maschinen und mussten auch Lehrgeld zahlen. Es klappte nicht alles von Anfang an.»

«Wir geben dem Boden mit der Gründüngung ein Pflästerli.»

Landwirt Heinz Brauchli

Aber der eigentliche Gewinn aus der regenerativen Landwirtschaft seien nicht die Klimazertifikate, sondern die Tatsache, dass der Boden fruchtbarer wird. Dass er das Wasser länger halten kann. Dass die Erträge erfreulich sind. So erzielten sie beim Bioweizen durchschnittlich zwischen 40 und 45 dt/ha. «Bei unserer recht intensiven Fruchtfolge sind wir mit diesen Erträgen zufrieden», sagt Brauchli. Bei den Rüebli habe sich der Ertrag seit der Umstellung auf biologische Produktion nicht geändert. Und bei den Kartoffeln dürften sie ab 200 dt/ha zufrieden sein, wobei auch 300 dt/ha möglich seien.

Diese Erträge sind wichtig. Denn weder Brauchli noch sein Nachfolger wollen «nur» Humus aufbauen. Sie wollen auch und vor allem Nahrungsmittel produzieren.

«Solange ich trainiere, baue ich Muskeln auf» – oder eben Humus

[IMG 5]

Auch Joe Santo erwähnt die Nahrungsmittelproduktion und weist darauf hin, dass auf den Betrieben nicht alles dem Humusaufbau untergeordnet werden kann: «Humusaufbau ist einer von vielen Ansprüchen eines Betriebs. Ein anderer Anspruch ist beispielsweise der Anbau von Produkten, für die ich einen Abnehmer finde – auch wenn ich dabei vielleicht keinen Humus aufbaue.»

Der Humusgehalt im Ackerboden lässt sich nicht unendlich steigern. Irgendwann wird die Kurve abflachen – je nach Gegebenheiten bei 4, 5, vielleicht 6 Prozent. Ab dann ist das Ziel, den Humusgehalt aufrechterhalten.

Das ist nicht ganz einfach. Der Humus kann genauso wieder abgebaut werden – und mit ihm wird auch wieder CO2 freigesetzt. Joe Santo erklärt: «Es ist wie mit dem Fitnessstudio. Solange ich dort trainiere, baue ich Muskeln auf. Sobald ich nicht mehr gehe, werden die Muskeln auch wieder verschwinden.»

In der Whatsapp-Gruppe einander weiterhelfen

Humusaufbau ist also keine einmalige Sache, sondern ein jahrelanger Prozess, der innerhalb weniger Vegetationsperioden auch wieder umgekehrt werden kann – wenn die Bewirtschaftungsweise ändert.

Für Brauchli und dessen Nachfolger Christian Roth bedeutet das, mit ihrer Bewirtschaftungsform weiterzumachen und sich ständig weiterzubilden. Brauchli erwähnt in diesem Zusammenhang Online-Treffen am Montagabend oder die «Regenerative Selbsthilfegruppe», in der über 200 LandwirtInnen via Whatsapp-Gruppenchat Fragen stellen können und sich von KollegInnen weiterhelfen lassen oder selbst Ratschläge erteilen: «So müssen wir nicht Fehler wiederholen, die andere gemacht haben, sondern profitieren gegenseitig von unseren Erfahrungen.» [IMG 6]

Ab und zu kommt auch der Pflug zum Einsatz

Die regenerative Landwirtschaft hat Vorteile, bringt aber auch Herausforderungen mit sich – wie jede andere Anbaumethode auch. Die Felder trocknen beispielsweise schlechter ab. «Die Kapillaren im Boden sind tiefgreifender und halten lange Wasser zurück», erklärt Heinz Brauchli. Mit der Gründüngung auf dem Feld trocknet der Boden noch weniger ab. In diesem nassen Frühling führt das dazu, dass Christian Roth und Heinz Brauchli die Kartoffeln noch nicht setzen konnten.

Übrigens kommt auf dem Rheingut ab und zu auch der Pflug zum Einsatz, etwa nach der Weizenernte, bevor ein Gemüseproduzent aus der Region seinen Salat auf dem Feld pflanzt. Nach dem Salat folgt dann wieder eine Gründüngung. «Damit geben wir dem Boden ein Pflästerli, damit er sich nach dem Pflugeinsatz wieder erholen kann», sagt Heinz Brauchli und schmunzelt.

Für welche Betriebe eignet sich die Teilnahme bei Carbocert?

Bodentyp: Humusaufbauende Massnahmen können auf fast allen Böden umgesetzt werden. Die angewandten ÖLN-Beprobungsrichtlinien sind allerdings auf mineralische Böden ausgelegt und funktionieren bei Moorböden nicht.

Nutzungstyp: Carbocert ist insbesondere für Acker- und Gemüsebauflächen interessant. Im Obstbau oder Grünland ist der Humusanteil meist schon höher, weshalb ein zusätzlicher Aufbau schwieriger werden kann.

Aktueller Humusgehalt: Je tiefer der aktuelle Humusgehalt ist,umso grösser ist das Humusaufbaupotential:
- Böden mit < 4 % Humus: geeignet
- Böden mit 4 bis 5 % Humus: bedingt geeignet (Humusaufbaupotenzial kritisch abschätzen)
- Böden mit > 5 % Humus: für Carbocert nicht empfohlen
- Böden mit > 6 % Humus: Carbocert-Anmeldung nicht möglich

Parzellengrösse: Carbocert-Parzellen können zwischen 1 und 5 Hektaren gross sein. Um ein attraktives Verhältnis zwischen Beprobungskosten und finanziellem Ertrag aus CO2-Zertifikaten zu erreichen, ist es von Vorteil, wenn die Parzellen möglichst gross sind.

Quelle: www.bodenproben.ch und www.carbocert.de