Kurz & bündig
- Auf dem Betrieb Rümlisberg in Mamishaus BE hat Matthias Roggli eine 30 Aren grosse Agroforstanlage mit 75 Hochstammbäumen.
- Sobald die Bäume höher sind, werden sie Schatten für die Weide-Poulets spenden.
- Roggli hat acht Zwischenkulturflächen à 27 m, die von Baumstreifen umrahmt sind.
- Damit die Bäume tief wurzeln, werden die Streifen mit dem Grubber bearbeitet.
Mit Agroforst geht die Produktionsfläche in die Höhe: Denn links und rechts des Streifens, auf dem Bäume stehen, können LandwirtInnen produzieren. Die Früchte der Obstbäume wachsen ein Stockwerk höher – der Ertrag pro Fläche steigt also, wenn auch nicht im klassischen Sinn.
Betriebsspiegel Rümlisberg
Matthias Roggli, Mamishaus BE
LN: 13,7 ha
Bewirtschaftung: Bio
Kulturen: Natur- und Kunstwiesen, Silomais, Futterweizen, Roggen, Dinkel, Speisehafer, Eiweisserbsen-Gerste-Mischung, 100 Hochstammbäume (Apfel, Birne, Walnuss)
Tierbestand: 2000 Mastpoulets, 25 bis 30 Rinder im Aufzuchtvertrag
Weitere Betriebszweige: Kräuter, Holzverkauf
Arbeitskräfte: Sandra und Matthias Roggli,Martin und Elisabeth Roggli, Kevin Iselin
Matthias Roggli (47) aus dem bernischen Mamishaus hat den Hof Rümlisberg 2014 von seinen Eltern übernommen. Die Leidenschaft für Hochstamm-Obstbäume wurde ihm in die Wiege gelegt: Beim Schneiden der Bäume unterstützt ihn sein Vater tatkräftig.
Matthias Roggli setzt Bäume, damit sie seinen Hühnern Schatten spenden
Doch wieso setzt jemand 75 Bäume und nimmt den finanziellen Aufwand und die viele Arbeit, die professionelle Baumpflege mit sich bringt, in Kauf? «Ich esse gerne Äpfel, im Winter manchmal zehn pro Tag», sagt Roggli und lächelt ein bisschen. Er möge es bunt, probiere gerne aus und habe grosse Freude an alten Sorten.
Neben der Freude an leckeren Äpfeln sind es auch pragmatische Gründe, die für Agroforst sprechen: Sobald die im Herbst 2022 gepflanzten Bäume etwas grösser sind, werden sie den Bio-Weide-Poulets Schatten spenden. «Davon erhoffe ich mir eine bessere Zunahme», sagt Roggli.
Mit Agroforst den Hang stabilisieren
Dann zeigt er auf einen Hang: «Dort kann es rutschen.» Er hat eine Reihe mit Nussbäumen gepflanzt, welche mit ihren Wurzeln den Hang stabilisieren. Auch am Hang des Bachs, der durch sein Land fliesst, hat Roggli Schutzmassnahmen ergriffen: Er hat Hasel-, Holunder-, Johannisbeeren- und Hagebutten-Sträucher gepflanzt, welche das Abrutschen verhindern sollen.
Aktuell sind es acht Streifen à 27 Meter, die von Bäumen eingerahmt sind. Auf einem stehen die mobilen Ställe der Hühner, auf einem wächst Urdinkel, auf einem Kräuter und auf zweien Gras. Roggli beweidet die Grasstreifen mit den Aufzuchtrindern, heut, siliert oder grast vor Schlechtwetterperioden ein, um die Weide zu schonen.
Insgesamt sind es rund 30 Aren, die Roggli für Agroforst nutzt. Im Herbst 2022 hat er 50 Apfel,- 10 Birn und 15 Walnussbäume gepflanzt. Alle Bäume stammen aus Ruedi Glausers Bio-Baumschule in Noflen BE, der grösste Teil sind Pro-Specie-Rara-Bäume.
«Ich habe maximal zwei Bäume von der gleichen Sorte», sagt Roggli – die Vielfalt fasziniert ihn. Geachtet hat er darauf, dass die Früchte spätreif sind. Denn sonst kommt er mit der Getreideernte in Konflikt. Diese erledigt ein Lohnunternehmer aus der Region für ihn. Für den Mähdreschunternehmer hat der Agroforst im Falle Roggli einen positiven Effekt, da die Parzellen neu eingeteilt werden. Die Äcker werden zwischen den Bäumen zwar schmäler, aber auch länger und teils grösser.
Die Wendemöglichkeit für den Mähdrescher einplanen
Das gehört zu den vielen Überlegungen, die sich ein Landwirt machen muss, bevor er mit Agroforst loslegt: Wenn Getreide angebaut wird, muss nicht nur der Streifen so breit sein, dass der Mähdrescher sinnvoll fahren kann – auch an eine Wendemöglichkeit muss gedacht werden.
Mit Agroforst geht ein beachtlicher Aufwand an Investitionen und Zeit einher. Roggli sagt, dass er mit Anlagekosten (inklusive Eigenleistung) von rund 13'000 Franken rechnet. Davon sind ihm 3200 Franken Direktzahlungen (Landschaftsqualitätsbeiträge) für die Pflanzung von Bäumen zugesagt. Der Fonds Landschaft Schweiz FLS übernimmt 6500 Franken im Rahmen seines Förderakzentes «FLS-Fokus Agroforst». Die Pflanzung der Bäume und Sträucher sowie das Anlegen von Kleinstrukturen übernimmt der Betrieb in Eigenleistung.
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Roggli muss sich genau überlegen, was er wo macht: Damit er die Bäume düngen darf, dürfen diese nicht auf extensiven Wiesen stehen, sonst gibt es Abzug. Seine Hecke und seine extensiven Wiesen sind rund zur Hälfte Biodiversitätsförderflächen mit Qualitätsstufe II. In der Hecke hat Roggli Asthaufen zur Vernetzung angelegt.
Weitere Asthaufen werden folgen, sobald die neuen Obstbäume grösser sind und somit mehr Schnittmaterial anfällt. Jetzt schon nutzt Roggli das Schnittmaterial der bestehenden Hochstamm-Obstanlage: Auf den Streifen, die er als Weide nutzt, braucht er es für die fünf Asthaufen, die er im Abstand von 20 Metern platziert. Darin befindet sich eine Kammer für Hermeline, damit diese die Mäuse bekämpfen.
Denn Mäuse können Obstbäumen grossen Schaden zufügen. Deshalb achtet Roggli darauf, dass er nicht nur Asthaufen platziert, sondern auch das Gras kurz hält. Selber auf Mäusefang geht er nicht, da der Mäusedruck nicht allzu stark, der Aufwand für die Jagd aber gross ist.
«Agroforst mache ich für die nächste Generation»
Heute schon befasst sich Roggli damit, wie die Früchte der noch jungen Bäume vermarktet werden sollen. Angedacht sind Pro-Specie-Rara-Apfeltage sowie die Ernte und Verwendung durch soziale Institutionen. «Agroforst macht man nicht für sich, sondern für die kommende Generation», sagt er. Ihn fasziniert diese Bewirtschaftungsform. Deshalb besucht er Kurse, ist Mitglied bei der IG Agroforst und liest, was er zum Thema findet.
Denn nur schon die Baumanordnung unterscheidet sich in einer Agroforst-Anlage von einer klassischen «Hostet»: Die Bäume stehen in einer idealerweise nach Nord-Süd ausgerichteten Reihe. Bei Roggli ist es eher Südost-Nordwest, das passt besser ins Landschaftsbild. Der Streifen ist momentan nur zwei Meter breit. Wie länger Äste und Wurzeln wachsen, desto breiter wird der Streifen.
Die Streifen neben den Bäumen werden regelmässig mit Tiefenlockerung durch einen Grubber bearbeitet. Ziel ist nämlich, dass die Wurzeln in die Tiefe wachsen und sich nicht flach unter der Kultur daneben ausbreiten. So besiedeln die Bodenschichten, welche die Kulturpflanzen nicht erreichen. «Und das führt dazu, dass der Boden gut durchlüftet wird und das Wasser zurückhalten kann», sagt Roggli.
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Eine der vielen Lösungen der Landwirtschaft für die Umwelt
Agroforst schützt also auch vor Erosion: Was die Investition mit Blick auf die aktuelle Wassersituation noch deutlich sinnvoller macht. «Agroforst ist nicht DIE Lösung für jeden Landwirt und jedes Problem», erklärte Michel Darbellay, Leiter des Departements Produktion, Märkte und Ökologie des SBV, Ende Mai 2023 an einer Begehung in Mamishaus. «Doch es ist eine von vielen Lösungen der Landwirtschaft zur Erhaltung der Umwelt.»
Darbellay betont jedoch, dass neben dem finanziellen Aufwand die Komplexität von Agroforst nicht unterschätzt werden dürfe. Dazu komme, dass der Absatzmarkt für Agroforstprodukte bis jetzt fehle und vor allem über Direktvermarktung laufe.
Der Absatz vom Matthias Rogglis Produkten ist sichergestellt: Die Poulets gehen zur Micarna. Das Gras und Teile der Eiweisserbsen-Gerste-Mischung verwendet Roggli als Futter für seine Aufzuchtrinder, den Futterweizen für die Masthühner. Die Getreidekulturen finden weiter über die Mühle Rytz, Mühle Gambach, Biofarm oder Direktvermarktung zur Kundschaft. Nur die Früchte werden von Rogglis bis jetzt noch allesamt selbst verspiesen.
Roggli denkt stets voraus: Da seine Frau das externe Arbeitspensum erhöht hat und dadurch die Arbeitsspitzen im Sommer zunehmen, plant er, die Kräuter leicht zu reduzieren. Die Obsternte im Herbst und das Schneiden der Bäume im Winter fallen in eine Zeit, in der Roggli noch Kapazität hat, und gleichen den Arbeitsanfall übers Jahr aus. Dass sein Herz für die Bäume schlägt, ist spürbar, wenn er von den alten Sorten und deren unvergleichlichen Geschmack schwärmt.
«Die Landwirte beraten, aber keine Projekte aufschwatzen» [IMG 3]
Der Geograph Michel Bhend betreut beim Fonds Landschaft Schweiz Projekte im Bereich «Fokus Agroforst». Die Projekte sollen zur ästhetischen und ökologischen Aufwertung der Kulturlandschaft führen.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Matthias Roggli ab?
Wir sind seit Herbst 2022 in Kontakt. Roggli hat ein Gesuch gestellt und wir haben sein Projekt zusammen diskutiert und weiterentwickelt. Er hat auf unseren Vorschlag hin zum Beispiel statt Weissdorn Hagebutten-Sträucher gesetzt. Weissdorn bringt ein gewisses Feuerbrand-Risiko für die Birnbäume.
Nachdem wir sein Gesuch bewilligt und uns finanziell beteiligt haben, braucht es nun noch einen kurzen Schlussbericht und einige Belege.
Begleiten Sie ihn weiterhin?
Wenn er dies wünscht, machen wir das. Die Beratung durch den FLS ist gratis. Wir können uns vorstellen, in einigen Jahren alle unterstützten Agroforst-Projekte zu analysieren.
Wie muss ein Landwirt vorgehen, der ein Agroforst-Projekt umsetzen will und finanzielle Unterstützung möchte?
Er braucht ein Ziel, welche Art von Agroforst-Projekt er umsetzen will, zum Beispiel Schatten für Tiere oder eine Futterlaubhecke für Schafe. Der FLS macht keine Betriebsberatungen – wir wollen den Landwirten keine Projekte aufschwatzen. Aber wir bringen unsere Erfahrung ein und helfen gerne, Projekte so zu gestalten, dass sie die Kulturlandschaft aufwerten und die Biodiversität fördern.
Für Gesuche an uns gibt es einen Leitfaden. Wichtig sind ein Plan der Anlage und eine Kostenschätzung.
Wie viele Agroforst-Projekte gibt es aktuell in der Schweiz?
Eine gesamtschweizerische Erhebung gibt es nicht – Agroforst hat keine Nummer, um es im Direktzahlungs-system einzutragen. Ich schätze, dass es mehrere hundert Projekte sind. Der FLS unterstützt aktuell im Rahmen des «FLS-Fokus Agroforst» zehn Projekte, die seinen landschafts- und biodiversitätsbezogenen Vorstellungen gut entsprechen.
Was man sich vor der Planung des Agroforst-Pflanzprojektes fragen sollte
- Gefällt mir grundsätzlich die Arbeit mit Bäumen?
- Kann ich mir die Anfangsinvestitionen leisten?
- Habe ich genug Arbeitskapazität für die zusätzliche Komponente auf der Fläche (Pflege, Schnitt, Mäusebekämpfung, Ernte …)?
- Besitze ich das nötige Know-how rund um die Baumarbeiten bzw. habe ich den Willen, mir dies anzueignen?
- Habe ich Verwertungsmöglichkeiten für die anfallenden Baumprodukte?
- Kann und will ich langfristig planen?
- Kann der sorgfältige Umgang mit den Bäumen über Generationen hinweg gewährleistet werden?
Weitere Praxistipps: Broschüre «Agroforstsysteme» von Agridea