Kurz & bündig
-An der Agritechnica zeichnet die DLG neue Maschinenentwicklungen aus.
-Digitale Lösungen dominieren die Entwicklungen.
-Mechanische Lösungen sind jedoch weiterhin die Grundlage.
An der Agritechnica werden Neuheiten mit Gold- und Silbermedaillen ausgezeichnet. Die Neuheitenkommission der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft DLG fand auch an der Agritechnica 2023 wiederum Maschinen, welche die Kriterien für eine Medaille erfüllten. Die Kriterien umschreibt die DLG wie folgt:
Mit einem «Innovation Award Agritechnica» in Gold wird ein Produkt mit neuer Konzeption ausgezeichnet, bei dem sich die Funktion entscheidend geändert hat und durch dessen Einsatz ein neues Verfahren ermöglicht oder ein bekanntes Verfahren wesentlich verbessert wird.
Mit einem «Innovation Award Agritechnica» in Silber wird eine Neuheit ausgezeichnet, bei der ein bekanntes Produkt so weiterentwickelt wurde, dass eine wesentliche Verbesserung der Funktion und des Verfahrens zu erwarten ist.
Neuheiten basieren nicht nur auf digitalen Lösungen
Bei den Auszeichnungen von 2023 fällt angenehm auf, dass nicht nur Software-optimierte Lösungen für die Regelung von Maschinen oder alternative Antriebssysteme im Mittelpunkt standen. Diese Möglichkeiten bieten zwar eine Fülle neuer Anwendungsmöglichkeiten. Die Zukunft wird jedoch zeigen, was in der Praxis davon übrig bleibt.
Einen Vorgeschmack zeigt der batterieelektrisch betriebene New Holland-Traktor, der eine Silbermedaille erhielt. Mit Kameras, Sensoren elektrischen Antrieben und Software ermöglicht er neue Anwendungsmöglichkeiten. So kann der Traktor auch ausserhalb der Kabine via Kamerabilder bedient werden.
Die Goldmedaille für den Doppel-Axialrotor-Mähdreschers CR von New Holland basiert beispielsweise auf baulich vergrösserten Drusch- und Abscheideelementen, bei der die erlaubte Maschinenbreite dennoch eingehalten wurde.
Mähdrescher ernten trotz begrenztem Bauraum immer mehr
Wenn von einer Maschine mehr Leistung gefordert wird, baut man sie breiter als eine bisherige. Misst die Arbeitsbreite eines Bodenbearbeitungsgeräts sechs statt drei Meter, klappt man einfach zwei Teile für den Strassentransport zusammen.
Einen Mähdrescher kann man nicht zusammenklappen. Das entscheidende Arbeitsorgan ist das Dreschwerk im Inneren der Maschine. Wegen der Strassenverkehrsgesetzgebung liegt die erlaubte Maschinenbreite bei 3,5 Metern. Innerhalb dieser Vorgabe hat ein Hersteller die Möglichkeit, die Druschelemente so anzuordnen, dass der Raum für den Arbeitsvorgang maximal ausgenutzt werden kann. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die mechanischen Antriebselemente wie Keilriemen oder Hydraulikmotoren neben dem Druschkasten platziert werden müssen.
Der neue Doppel-Axialrotor-Mähdreschers CR von New Holland hat die Antriebselemente neu angeordnet. Ein leistungsverzweigtes Getriebe treibt die Rotoren und Erntevorsätze mit Einzugskette gradlinig und mittels Kardanwelle an. Die Kardanwelle verläuft oberhalb des rechten Rotorgehäuses. Ohne Antriebe auf der Seite zwischen dem Chassis und dem Fahrwerk konnte der Dreschkanal verbreitert werden. Auch die Reinigung konnte um 13 Prozent verbreitert werden. Trotz der maximal erlaubten Maschinenbreite konnte so die technisch installierte Leistung des Mähdreschers erhöht werden.
Durchsatzregelung bringt Mähdrescher an Leistungsoptimum
Das baulich erhöhte Leistungspotenzial des CR von New Holland kann jedoch nur dann genutzt werden, wenn die Regelung der Maschine automatisiert wird. Hier sorgt eine entsprechende Regeltechnik dafür, dass bei-spielsweise die Siebe immer gleichmässig belegt sind.
Die Leistungsoptimierung war auch der Grund für die Silber-Auszeichnung des Axial-Flow Mähdreschers von Case IH. Mit dem Radarsystem «Forward Looking Feedrate Control» wird der Bestand mit Sensoren erfasst. Die Position der Sensoren an klappbaren Trägern vor der Haspel ermitteln die Dichte des Getreidebestandes. Die Sensorwerte dienen als Eingangsgrösse für den Durchsatzregler, welcher die Fahrgeschwindigkeit anpasst. [IMG 2]
Bei ändernden Erntebedingungen, mit mehr oder weniger Ertrag, kann die Fahrgeschwindigkeit des Mähdreschers früher angepasst werden und nicht erst dann, wenn sich die Belastung an der Dreschtrommel verändert. Das System hilft auch bei der Höhenführung des Schneidwerks, welches mit weniger Auflagedruck exakt geführt werden kann.
Mähdrescher stossen bei vielen Kriterien an ihre Grenzen. Nebst den Abmessungen setzen auch die Achslasten Grenzen. Die beiden Beispiele zeigen jedoch, dass es immer noch Möglichkeiten gibt, um die Leistung weiter zu steigern.
Es ist klar, dass man in den Schweizer Strukturen wenig davon profitieren kann. Die so ausgerüsteten Maschinen sind normalerweise zu gross und nicht wirtschaftlich. Es zeigt sich jedoch, dass die neuen Entwicklungen, eingesetzt in kleineren Maschinen, auch eine Leistungssteigerung bringen können. Eine top ausgerüstete kleinere und leichtere Maschine kann die Leistung eines grösseren Mähdreschers erreichen. Das wäre dann der Nutzen für die kleinstrukturiertere Landwirtschaft.
Auf der Suche nach neuer Antriebsenergie
Bei den Traktoren stellt sich die Frage, wie diese zukünftig angetrieben werden sollen. Dem Dieselverbrennungsmotor soll es in Zukunft an den Kragen gehen. Er soll durch umweltfreundlichere Energie ersetzt werden, welche weniger CO2 ausstösst. Dies ist beispielsweise mit einem batterieelektrischen Antrieb eine gute Lösung, wenn die Kapazität der Batterie mit dem Nutzungsprofil übereinstimmt und der Strom aus einer erneuerbaren Quelle stammt.
Für tagelange harte Zugkraft ist dies noch keine Lösung. Die Energiedichte in der Batterie ist zu gering. In diesem Bereich ist der Dieseltank weiterhin unerreicht.
Ein anderer alternativer Treibstoff ist Wasserstoff. Dieser kann auf einem Fahrzeug in Druckspeichern mitgeführt werden. Die Energie wird dann entweder in einem dafür ausgelegten Verbrennungsmotor genutzt oder mit dem Brennstoffzellen-Verfahren auf dem Fahrzeug verstromt. Der Antrieb erfolgt anschliessend elektrisch wie beim Traktor mit Stromspeicher.
Mit dem bereits erwähnten New Holland T4 Electric Power wurde ein batterieelektrischer Traktor mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Der Grund liegt nicht nur im Antrieb, sondern bei den Automatisierungs- und Autonomiefunktionen die damit einhergehen. Die zum Teil grund-legende Neukonzeption solcher Fahrzeuge macht es möglich, Verbesserungen in diesem Bereich zu implementieren. [IMG 7]
Der Traktor verfügt auf der Haube und auf dem Dach über Kamerasysteme, die auf dem Terminal eine 360-Grad-Traktorrundumsicht darstellen. Die Bilddaten erkennen Heckanbaugeräte und erleichtern das Ankuppeln. Falls Personen in der Gefahrenzone erkannt werden, schaltet sich die Zapfwelle aus.
Der elektrische Antrieb ermöglicht auch Funktionen, die auf den ersten Blick eher lustig wirken. So kann der New Holland T4 Electric Power wie ein Hund erzogen werden.
Dazu muss man nicht zuerst die Hundeschule besuchen: Der Traktor folgt einem wie in zahmer Hund, wenn man vor ihm hergeht. So muss man beim Zäunen nicht immer auf und absteigen. Man läuft vorneweg und der Traktor folgt einem mit dem Material. Wenn dieser «Follow-Me»-Modus aktiviert ist, muss man sich im Fronterkennungsbereich des Traktors «identifizieren», damit der Traktor dieser Person folgt.
Elektrische Antriebe lassen sich direkt regeln, was einfacher ist als ein konventioneller Antriebsstrang mit Motor und Getriebe. Mit zunehmender Elektrifizierung, werden Traktoren in Zukunft noch viele auf den ersten Blick nur «lustige» und heute undenkbare Fähigkeiten erlangen.
Weniger Erosion beim Kartoffelanbau
All-in-One entwickelte einen rotierenden Dammformer für den Kartoffelanbau. Auch diese Silbermedaille zeichnet reine Mechanik aus. Ein mechanisch wirkendes Element wurde neu entwickelt. Die Kartoffeln werden mit einem rotierenden Dammformer überdeckt. [IMG 3]
Das rollende Element soll den Zugkraftbedarf reduzieren. Zudem zerkleinern Schneidelemente Pflanzen-rückstände, was Verstopfungen verhindert. Durch die Form der Elemente zur Dammausformung soll der Luft- und Wasseraustausch verbessert werden. Paddel an den Scheiben sorgen für den Antrieb. Gleichzeitig perforieren diese den Dammzwischenraum. Dadurch wird die Versickerung von Wasser gefördert und das Erosionsrisiko reduziert.
Exakter Güllen mit zweiunabhängigen Verteilerhälften
Das ECO-Duo-Vario-System von Zunhammer verfügt für jede Verteilerhälfte über eine eigene Pumpe. Neu werden die beiden Ausbringhälften unabhängig von einander geregelt. Die Genauigkeit der teilflächenspezifischen Ausbringung soll dadurch vor allem bei grossen Arbeitsbreiten verdoppelt werden. [IMG 6]
Wenn Teilbreiten abgeschaltet werden, ändert sich die Ausbringmenge in den anderen Teilbreiten nicht, da die Pumpendrehzahl automatisch dem Mengenbedarf angepasst wird.
Dank Teleskop hat der Frontlader genug Reichweite
Es ist erstaunlich, dass ein teleskopierbarer Frontlader erst jetzt hergestellt wurde. Die Wilhelm-Stoll-Maschinenfabrik erhält ebenfalls eine Silbermedaille für ihre Entwicklung.
Heute sind viele Hebefahrzeuge in der Landwirtschaft mit teleskopierbarem Hubarm erhältlich. So kann trotz wendiger Bauweise eine hohe Reichweite und Hubhöhe erreicht werden. [IMG 4]
Nur beim Frontlader liess dieser Trick für mehr Reichweite auf sich warten. Jetzt soll es mit dem neuen Frontlader nicht mehr an den letzten Zentimetern fehlen. Heutige Traktoren aus der Vier-Zylinder-Klasse sind sehr robust, kräftig und trotzdem wendig. Man kann ihnen also etwas zutrauen beim Frontladerbetrieb. [IMG 5]
Da kommt der Telelader von Stoll gerade richtig: Die teleskopierbare Schwinge kann um 70 Zentimeter verlängert werden. Das «Streckgelenk» unterstützt die Reichweite und die Hubhöhe des Laders zusätzlich. Die horizontale Reichweite erhöht sich mit Teleskopschwinge und Streckgelenk um einen Meter. Bei der Hubhöhe sind es sogar 1,5 Meter gegenüber einem vergleichbaren konventionellen Frontlader.
Durch das «Streckgelenk» ist der Frontlader in sich beweglich, wodurch zum Beispiel die Sichtverhältnisse während der Fahrt besser werden.
Der teleskopierbare Frontlader soll dort eine Lücke füllen, wo hohe Hubhöhen erforderlich sind, die Auslastung für einen Teleskoplader jedoch nicht gegeben ist. Die Sicherheit wird durch die elektrohydraulische Ansteuerung des Frontladers unterstützt. Bei zu hohen Lasten schaltet der Hauptzylinder bei ausgefahrener Schwinge ab.
Diese Maschinen zeichnete die DLG zur Agritechnica 2023 aus
Goldmedaille
Gesamtkonzept neuer Doppel-Axialrotor-Mähdrescher CR.
Silbermedaillen
-Steyr: Hybrid CVT
-New Holland: T4 Electric Power
-Stoll: teleskopierbarer Frontlader
-New Holland: T7.270 Methane Power (LNG)
-Claas: Multidimensionale 3-Punkt-Kraftheber-Regelung für Traktoren
-Saphir: GrindStar (ultraflache Bodenbearbeitung)
-All-in-One: rotierender Damm-former
-Zunhammer: Eco-Duo Vario
-Amazone: Curve Control für Zentrifugalstreuer
-Case IH: Forward Looking Feedrate Radar für Mähdrescher Axial-Flow
-Grimme: Wechseltrenngerät «ChangeSep»
-Shaktiman Grimme: Kartoffelschwadleger mit «SmartFold»
-Krone: Schleifeinrichtung am Feldhäcksler ohne manuelles Nachstellen
-Fendt: Automatische Aufbereitereinstellung
-Lemken: tool monitoring
-Precision Planting LLC: Radicle Agronomics
-AgXeed: Advanced Automation and Autonomy