Kurz & bündig
- Sowohl die Schweiz als auch Deutschland sind Vorreiter im Bereich der Smart-Farming-Technologien.
- In Deutschland liegt der Fokus der Forschung und Entwicklung momentan auf der Sensortechnik im Bereich der Tierhaltung.
- In der Schweiz wird zurzeit vor allem im Bereich der Pflanzenerkennung und Einzelpflanzenbehandlung in die Entwicklung investiert.
Um 1970 begann die Digitalisierung zahlreiche Lebensbereiche zu durchdringen. Während dieser Zeit arbeiteten Landwirte und Landwirtinnen auf ihren Betrieben allerdings noch nahezu 100 Prozent analog. Es dauerte einige Zeit, bis digitale Systeme die Landwirtschaft in der Praxis erreichten. Die Landwirtschaft bot aufgrund des hohen Masses an notwendigem Arbeitskrafteinsatz viel Raum für Automatisierungen sowohl auf dem Feld als auch im Stall. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland sollen landwirtschaftliche Betriebe von den Chancen der Digitalisierung profitieren.
«Precision Farming» gibt es seit etwa 1990
Laut der Deutschen Landwirtschaftlichen Gesellschaft (DLG) gibt es den Begriff des «Precision Farming» etwa seit 1990. Dieser beschreibt digitale Produktionsverfahren im Bereich der Teilschlagtechnik zur variablen Dosierung und präziser Applikationstechnik. Die Spezifizierung des sogenannten «Precision Livestock Farming» bedeutet beispielsweise die exakte Zuteilung von Leistungsfutterkomponenten, das automatische Melken und das digitale Gesundheitsmonitoring.
In den 2000er-Jahren kam der Begriff des «Smart Farming» hinzu. Dieser umfasst unter anderem sensorbasierte Echtzeitsysteme zur Dünger- und Pflanzenschutzapplikation. Statt einer aufwendigen und kostenintensiven Bodenbeprobung können Landwirte über eine Kalibrierung der Sensoren das Mengenniveau wie auch die Verteilung definieren.
In der Tierhaltung bezeichnet der Begriff «Smart Farming» die Datenerfassung zur Entscheidungsunterstützung beziehungsweise einer automatisierten Ausführung. Beispiele dafür sind Melkroboter und Brunsterkennungssysteme, die mit einer Smartphone-Applikation verbunden sind.
In jüngeren Jahren tauchte der Begriff «Digital Farming» auf und ergänzte bestehende Technik um Komponenten wie die Kommunikation von Maschine zu Maschine, die Verwaltung von grossen Datenmengen mittels Cloud-Systemen, Big-Data-Analysen, künstliche Intelligenz (KI) und Robotik mit mobilen und stationären Einheiten.
In der Schweiz sind Melkroboter und der Einsatz von GPS bereits etabliert
Christian Eggenberger, Betriebsleiter der Swiss Future Farm im Tänikon, ordnet ein, welche dieser Systeme sich in der Schweiz bereits etabliert haben: «In der Milchviehhaltung sind Melkroboter, Entmistungsroboter und autonome Fütterungsanlagen inzwischen breit etabliert. Im Feldbau ist der Einsatz von GPS mit RTK-Korrektursignalen ebenfalls schon recht verbreitet.»
RTK steht dabei für «Real Time Kinematik» und bezeichnet ein Verfahren zur Bestimmung einer präzisen geografischen Position mittels mehrerer GPS-Satellitensignale. Immer häufiger anzutreffen seien auch kameragesteuerte Hackgeräte, Pflanzenschutzspritzen mit Teilbreitenschaltungen (Section Control) und Einzeldüsenabschaltungen. Vereinzelt seien auch Düngerstreuer mit Variable Rate Control zur ortsspezifischen Ausbringung bereits im Einsatz, so Eggenberger.
In Deutschland gibt es noch zu viele Insellösungen
Auch in Deutschland spielt Digitalisierung in den meisten Bereichen der Landwirtschaft bereits eine wichtige Rolle. «Daher sind digitale Farming-Systeme in ihrer gesamten Bandbreite im Einsatz», sagt Heinz Möddel, Referatsleiter für Betriebswirtschaft und Digitales beim Deutschen Bauernverband (DBV). Vom papierlosen Büro über Farm-Managementsysteme, Sensoren und die Tierhaltung sowie im Ackerbau setzen viele Landwirte in Deutschland moderne Technik ein, so Möddel.
Im Feldbau fliessen Daten aus verschiedenen Quellen, wie zum Beispiel Wetterstationen, Bodenanalytik, N-Sensoren oder Ertragskartierung, in die Planung und Überwachung der Anbau- und Standortbedingungen ein. Dies ermögliche den Einsatz selbst steuernder und autonom arbeitender Maschinen, variabel steuerbarer oder bedarfsabhängiger Ausbringungstechnik und einen bedarfsgerechten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.
«In der Praxis bewährt haben sich ausgereifte Systeme, die verlässlich sind und einen echten Mehrwert bieten. Diese gibt es grundsätzlich in fast allen Anwendungsfeldern. Allerdings gibt es nach wie vor Probleme mit der Datenkompatibilität und dem einfachen Zugang zu öffentlich verfügbaren Daten. Kurz gesagt, es gibt in Deutschland leider nach wie vor zu viele Insellösungen», erklärt Heinz Möddel.
Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein
Der DBV lancierte 2020 eine Befragung von 500 Landwirten zum Thema Digitalisierung. Wie sich zeigte, nutzten 82 Prozent, also mehr als acht von zehn Betrieben, digitale Technologien oder Anwendungen.
Heinz Möddel berichtet, dass sich auch nach jüngsten Umfragen rund die Hälfte der Landwirtinnen und Landwirte aktiv mit dem möglichen Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigen und grundsätzlich sehr offen für digitalen Lösungen seien.
Wo Skepsis herrsche, resultiere diese vor allem daraus, dass Lösungen nicht den erhofften oder versprochenen Mehrwert bieten. «Denn eins muss klar sein: Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, sondern muss dazu beitragen, das Betriebsergebnis zu verbessern», erklärt Möddel.
Auch in der Schweiz setzen viele Betriebe voll auf Digitalisierung, bestätigt Christian Eggenberger. Es gebe wiederum auch Betriebe, die die Hände davonlassen. Sicher könne festgestellt werden, dass Lohnunternehmen bereits stark auf Digitalisierung setzen.
Unterschiedliche Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung
Im Bereich des Smart Farming wird sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland viel in Forschung und Entwicklung investiert. Christian Eggenberger erklärt, dass dies in der Schweiz vor allem bei Pflanzenerkennung und Einzelpflanzenbehandlung für den Pflanzenschutz zu beobachten sei.
«Auch in der mechanischen Unkrautbekämpfung mit Kamerasteuerung und damit verbundener Hackarbeit innerhalb der Kultur wurden Fortschritte erzielt», sagt Eggenberger und erklärt weiter: «Die Fortschritte im Bereich der autonomen Geräte laufen in zwei Richtungen – einerseits in autonom arbeitende Grossgeräteträger und andererseits in kleine Geräte, von denen mehrere die Arbeit verrichten.»
Einzelne Geräte, wie etwa der solarbetriebene Feldroboter FarmDroid, seien bereits praxisreif, während andere noch in der Prototyp-Phase stehen. Eggenberger geht eher von einer langsamen Einführung in der Praxis aus.
In Deutschland liegen in fast allen Bereichen grundsätzlich marktreife Systeme vor, sagt Heinz Möddel vom DBV. In der aktuell stärksten Entwicklung sieht er den Bereich der Sensorik in der Tierhaltung: «Gerade in der Tierhaltung sind wir im Bereich der Tierbeobachtung – mit Ausnahme der Rinderhaltung – in der Marktdurchdringung bei Sensortechnik noch am Anfang. Hier werden wir in den kommenden Jahren deutliche Verbesserungen sehen.»
Die Kosten als Hemmschuhe für Digital-Farming-Systeme
Doch wie praxistauglich sind solche Systeme. Lohnt sich eine derartige Investition? Oder bietet sich so etwas eher für einzelne investitionsstarke Tüftler an? Grundsätzlich komme dies auf die Bedürfnisse der einzelnen Betriebe an, antwortet Christian Eggenberger von der Swiss Future Farm. Vor allem Technologien, die viel Handarbeit ersetzen, wie etwa die Unkrautbekämpfung im Biogemüsebau, seien in der Praxis interessant. Auch Lenksysteme bringen heute in vielen Betrieben einen deutlichen Mehrnutzen und lohnen sich. «Setzt sich dieses System durch und wird zur Standardausrüstung eines Traktors, wird es auch preislich günstiger», erklärt Eggenberger.
Auch Heinz Möddel vom DBV bestätigt, dass der grösste Hemmschuh für eine stärkere Marktdurchdringung von Digital-Farming-Systemen die hohen Kosten insbesondere in der Anschaffung seien: «Bei einer jüngsten Befragung haben 75 Prozent der deutschen Landwirte die Kosten als höchste Hürde genannt.»
Wie bei allen technischen Innovationen sei hier mittelfristig mit sinkenden Produktionskosten zu rechnen. Dies hänge jedoch stark ab vom Wettbewerb unter den Anbietern sowie von Skaleneffekten, die noch gehoben werden müssen, ergänzt Möddel.
Beide Länder sind Vorreiter in der Digitalisierung
Sowohl die Schweiz als auch Deutschland sind im Bereich der digitalen Farming-Systeme Vorreiter und in der Weltspitze vertreten. «In der Tierhaltung hat die Schweiz einen sehr hohen Standard in der Digitalisierung. In der Nutzung der Smart-Farming-Technologien im Feld und Ackerbau sind Länder mit grösseren Ackerflächen sicher noch weiter in ihrer Entwicklung», ordnet Christian Eggenberger ein.
Heinz Möddel schlussfolgert: «Damit Deutschland weiter in seiner Vorreiterposition bleibt, müssen die politischen Rahmenbedingungen für einen stärkeren Einsatz der Technik deutlich verbessert werden.»