Kurz & bündig
-E-Autos können das Stromnetz stark entlasten.
-Das Speicherpotenzial entspricht künftig mehr als einem Tagesverbrauch der Schweiz.
-Fahrzeuge stehen rund 97 % der Zeit. In dieser Zeit können sie als Stromspeicher dienen, wenn sie eingesteckt sind.
Jules Pikali, Sie sind Ingenieur bei der Oeko-Watt AG und hatten die Leitung des aktuellen Berichts. Wie gross ist das Potenzial von Elektroautos, um das Stromnetz zu entlasten?
Jules Pikali: Die in den Elektrofahrzeugen eingebauten Batterien können je nach Bedarf aus dem Elektrizitätsnetz be- und entladen werden. Die Batterien stehen dem Netz als «Flexibilität» zur Verfügung und können so eine entscheidende Rolle zur Netzstabilität leisten. Heute sind etwa 250 000 Elektrofahrzeuge in Betrieb, sie repräsentieren zusammen etwa die gleiche Leistung wie 2,5 Kernkraftwerke. Wenn in Zukunft Fahrzeuge in der Schweiz mehrheitlich elektrisch unterwegs sind (etwa 4,5 Mio Autos), haben diese insgesamt eine Flexibilität von gut 200 Mio kWh. Das ist mehr als der durchschnittliche Tagesverbrauch in der Schweiz, welcher bei 150 Mio kWh liegt.
Sind alle Autobatterien für diesen Zweck geeignet?
Grundsätzlich sind alle Autobatterien geeignet, Energie zu speichern und wieder abzugeben. Damit aber die Energie an das Gebäude abgegeben werden kann, müssen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur für den bidirektionalen Betrieb eingerichtet sein. Dies ist heute mit sehr hohen Kosten verbunden. Wie unsere Auslegeordnung zeigt, kann die Flexibilität aber auch im monodirektionalen Betrieb genutzt werden. [IMG 1]
Welche Grösse müsste eine Batterie im Fahrzeug haben, damit sie netzdienlich genutzt werden kann?
Die in im Auto enthaltene Batterie hat eine Flexibilität von 30 bis 50 kWh. Dies entspricht dem Verbrauch eines Haushaltes ohne Heizung und Warmwasser von ungefähr einer Woche.
Verschleisst die Batterie mehr, wenn Strom dauernd be- und entladen wird?
Im Vergleich zum Fahrbetrieb braucht der Netzbetrieb eine viel kleinere Leistung. Aus diesem Grund ist der zusätzliche Stress, welcher der Batterie zugemutet wird, vernachlässigbar.
Wie sähe die ideale Fahrzeugnutzung eines durchschnittlichen Pendlers aus, damit seine Batterie dem Netz am meisten helfen kann?
Damit die Flexibilität für das Netz zur Verfügung steht, ist es wichtig, dass das Fahrzeug, wenn es abgestellt wird, immer eingesteckt ist. Idealerweise zu Hause und am Arbeitsplatz. Laut der Auswertung des Verkehrsverhaltens liegt die durchschnittlich zurückgelegte Fahrstrecke bei 35 km pro Tag. Das heisst umgekehrt, dass die Fahrzeuge etwa 97 Prozent der Zeit abgestellt sind.
Was ist der grösste Nutzen der Fahrzeugspeicher: die Netzentlastung oder die Speicherung von tagsüber erzeugter Energie in die Nacht hinein?
Die grosse Herausforderung im Netz ist die eingeschränkte Planbarkeit aus dezentralen Anlagen wie Photovoltaik und Wind. Hier können Autobatterien die überschüssige Energie abnehmen. So können Stromproduktion und Stromverbrauch im Gleichgewicht gehalten werden. Das ist Bedingung, damit die Netzfrequenz stabil bleibt.
In der Landwirtschaft gibt es auch immer mehr elektrische Antriebe bei Fahrzeugen wie Ladegeräten oder kleineren Traktoren. Gibt es auch hier eine Möglichkeit, zur Netzentlastung beizutragen?
Damit eine Aufladung einer Batterie netzabhängig erfolgen kann, muss es mit einer entsprechenden Steuerung ausgerüstet werden. Das kann bei einem Traktor über die gleiche Ladeinfrastruktur erfolgen wie beim Auto.
Was sind weitere geeignete Stromspeicher in der Landwirtschaft?
Sinnvoll ist es, den Landwirtschaftsbetrieb mit einer Steuerung für das Energiemanagementsystem auszurüsten. Damit können flexible Verbraucher wie zum Beispiel ein Heugebläse auf die aktuelle Situation im Betrieb abgestimmt werden.
Ein Elektrofahrzeug kann also auch beim Landwirtschaftsbetrieb einen Nutzen bringen?
Auf jeden Fall. Ich empfehle sehr, die Flexibilität des Elektrofahrzeuges zuerst im eigenen Haus oder Betrieb nutzbringend einzusetzen. Die finanziellen Anreize, diese dem Netz zu verkaufen, sind noch zu klein, aber im eigenen Betrieb rasch gewinnbringend. Insbesondere dann, wenn Kosten für Leistungsspitzen verhindert werden können.
Auslegeordnung für «System- undnetzdienliche Ladeinfrastrukturen»
Der energie-cluster.ch ist eine zentrale Plattform für Wissenstransfer, Aus- und Weiterbildung sowie Vernetzung im Bereich der nachhaltigen Energiezukunft. Unter seiner Führung wurde der Bericht «Systemdienliche und netzdienliche Ladeinfrastrukturen» verfasst. Der Bericht zeigt auf, wie die Batterien von Elektrofahrzeugen gezielt für die Stabilisierung des Stromnetzes, zur Lastoptimierung in Gebäuden oder für den Energieausgleich in Quartieren eingesetzt werden können.