Kurz & bündig
- Im «Tank» von neuen Traktoren-Modellen stecken immer öfter Biofuels, Strom aus Photovoltaik oder Bio-Methan.
- Mit alternativen Treibstoffen wird die Schweizer Landwirtschaft zum klimaneutralen Energiedienstleister.
- Im Idealfall gibt und nimmt der Traktor die Energie bi-direktional, als Puffer-Batterie oder als Antrieb für andere Aggregate.
Mit alternativen Antrieben kann die Schweizer Landwirtschaft zum klimaneutralen Energiedienstleister werden.
In den letzten achtzig Jahren hat sich die weltweite Landwirtschaft vom Antrieb durch Pferde und Ochsen zur fossil angetriebenen Branche entwickelt.
Diesel und Benzin sind auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb allgegenwärtig. Vom Feld oder Stall bis in das Regal im Supermarkt wird für jedes Lebensmittel Dutzende Male eine Landwirtschafts-Maschine gebraucht. Sei es für das Pflügen und das Saatgut, für Dünger und Pflanzenschutz, für die Ernte oder den Schnitt, für den Futter-Transport – und natürlich für den Transport zur weiterverarbeitenden Industrie.
In den grossen Agrar-Staaten wurden vor rund 100 Jahren ein Drittel der bewirtschafteten Fläche zur Futter-Produktion für Zugtiere verwendet – und entsprechend brauchte die Futter-Produktion ein Drittel des Arbeitsaufwandes und des Personals. Kein Wunder kam ab den 1930er-Jahren die Mechanisierung schnell voran: Arbeitseinsatz und Landbewirtschaftung wurden damit effizienter.
Biokraftstoffe sind Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion
Nun soll die Landwirtschaft wieder zurück zur Nachhaltigkeit, zu möglichst wenig bis gar keinem fossilen Verbrauch.
Die naheliegendste Lösung für die Substitution von Diesel-Treibstoff ist die Produktion von eigener Energie ab Hof. Die erste Idee waren Biofuels.
Diese Biokraftstoffe haben nichts zu tun mit Bio im Sinne ökologischer Landwirtschaft. Es sind Kraftstoffe aus Biomasse wie Raps und Mais, deren Klima-Neutralität und ökologische Vorteile umstritten sind, um es diplomatisch zu formulieren.
Der Vorteil dieser Biokraftstoffe ist, dass sie auf derselben «industriellen Schiene» laufen wie Diesel, keine Änderungen am Maschinenpark verlangen, und für die Landwirte zusätzliche Märkte schaffen.
Der Nachteil dieser Biokraftstoffe ist die Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion, der hohe Wasserverbrauch und die lausige Flächeneffizienz. In Zeiten der drohenden Lebensmittelknappheit durch Krieg und Dürre werden Biokraftstoffe deshalb eine immer kleinere Rolle spielen.
Photovoltaik mit 100 Mal besserer Flächeneffizienz als Biofuels
Dagegen ist die Flächeneffizienz bei Photovoltaik 100 Mal besser als bei Biofuels. Ein Quadratmeter Solar-Panels produziert mehr als 100 Mal soviel Energie wie ein Quadratmeter Ölsaat und benötigt kein Wasser.
Scheunen- und Hofdächer oder Solarzäune können soviel Strom erzeugen, wie wenn ein grosser Teil der bewirtschafteten Fläche eines Betriebs mit Energiepflanzen bestellt würde. Entsprechend solcher Überlegungen sind elektrische Lösungen die Favoriten bei den Landtechnik-Unternehmen.
Der Schweizer Traktoren-Pionier Rigitrac und sein SKE 50
Während sich in der Autoindustrie der Vorreiter Tesla mit grossen, luxuriösen Wagen an das Thema herangemacht hat, tastet sich die Landtechnik-Branche erst mal mit kleineren Systemen an die Elektrifizierung heran.
Der Traktoren-Pionier Rigitrac ist einer der ersten «Elektrischen». Im Moment entstehen im Werk in Küssnacht SZ zwei Vorserien-Maschinen eines neuen elektrischen Traktors. Der Rigitrac SKE 50 kann alles, was ein konventioneller 50-PS-Traktor kann.
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Nach mehrjährigen Tests mit einem ersten Prototypen wurde die Serien-Version entwickelt. Dazu gehört laut Theres Beutler, die mit ihren drei Schwestern das Familienunternehmen leitet, ein selbst entwickeltes Spezialgetriebe, das die hohe Drehzahl des Elektromotors reduziert.
Im Jahr 2022 startet Rigitrac mit einer ersten Zehner-Serie des Rigitrac SKE 50. Kunden für die 200'000 Franken teure Maschine sind schon vorhanden. Meist Gemeinden, die für ihre Kommunaldienste einen möglichst leisen Geräteträger suchen, aber auch kommerzielle Pferdeställe, die keine Dieselfahrzeuge mehr in ihren geschlossenen Reithallen wollen.
Der Preis des elektrischen Rigitrac sprengt das Budget der meisten Bauernfamilien. Doch wie bei Elektroautos, wird sich das in den nächsten Jahren sicher ändern.
Die Traktoren der Zukunft sind bi-direktionale «Kraftwerke»
Rigitrac-Gründer Sepp Knüsel sieht elektrische Traktoren nicht nur als Transport-Maschinen, sondern auch als integraler Bestandteil eines Energiekonzeptes. Vor allem dann, wenn bi-direktionales Laden möglich wird. Damit ist der E-Traktor:
- ein Speicher für die Solaranlage
- Im stationären Betrieb Antrieb für andere Aggregate wie den Melkstand
- Eine Pufferbatterie für die grosse Photovoltaik-Anlage des Hofes, die einen teuren Netzausbau vermeidet
Wie das gehen kann, zeigt Rigitrac im eigenen Betrieb in Küssnacht SZ, wo der Strom von den PV-Anlagen auf dem Werksdach praktisch für die ganze Produktion reicht.
John Deere fährt mit einem Diesel-elektrischen Traktor vor
Der bi-direktionale Ansatz dürfte für alle Hersteller die Motivation zur Elektrifizierung sein. Etwa beim Traktoren-Hersteller Fendt, der ab 2024 einen ähnlichen 50-PS-Traktor wie Rigitrac auf den Markt bringt.
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Oder beim US-Konzern John Deere, der Ende 2021 den österreichischen Batterie- und Steuerungs-Spezialisten Kreisel Electric gekauft hat und damit Elektro-Traktoren in die grosse Serie bringen dürfte.
Den Anfang macht bei John Deere aber eine eher periphere Idee. Ähnlich wie in der Fliegerei, etwa bei der Boeing 787, werden hydraulische Komponenten konsequent durch elektrische ersetzt. Das spart Gewicht und führt zu Einsparungen bei den Produktionskosten.
Der Antrieb erfolgt zwar immer noch durch einen Dieselmotor. Dieser treibt aber einen Generator an, statt einer Hydraulik-Pumpe. Wenn später auch die Primären-Energiequelle elektrisch wird, passen schon alle Komponenten – und die Preise sinken auf ein erträgliches Niveau.
Der elektrische Rapid URI fährt bis auf die Alp
Elektrifizierung muss nicht unbedingt beim grössten Gerät auf dem Betrieb anfangen. Ebenfalls mit «Hof-Energie» läuft der neue Einachs-Geräteträger URI des Schweizer Traditionsunternehmens Rapid.
Während früher jeder Landwirt auf der Alp ein paar Kanister Benzin für den Motormäher stehen hatte, lässt sich der elektrische Rapid URI mit den Solarzellen laden, die es auf der Alp ohnehin schon seit Jahrzehnten gibt. Die Batterie des Rapid URI ist austauschbar, reicht aber problemlos für einen ganzen Arbeitstag mit Mähen und Schwadern.
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Der Vorteil der Einachser-Elektrifizierung ist, dass die finanzielle Einstiegsschwelle zur elektrischen Landwirtschaft deutlich tiefer liegt, als bei einem Traktor. Selbst wenn der Rapid URI mehr kostet, als ein konventioneller Motormäher.
Mit einem solchen Geräteträger kann schon ein grosser Teil der Arbeiten auf dem Hof oder in der Kommune elektrifiziert werden. Einachs-Geräteträger leisten zudem oft sehr viele Betriebsstunden und können teilweise grössere Fahrzeuge ersetzen.
Der Kommunalbereich verbilligt die Technik für die Landwirtschaft
Der ökologische Aspekt und die Abkehr von importierten fossilen Brennstoffen ist immer nur ein Teilbereich der Elektrifizierung. Gerade im Kommunalbereich, der mittlerweile bei einigen Landtechnik-Herstellern bis zur Hälfte des Umsatzes ausmacht, ist die Beseitigung von Geruchs- und Lärmbelästigungen genauso wichtig.
Aus Sicht der Landwirtschaft sind solche Landtechnik-Kunden zudem ein grosser Vorteil: Sie finanzieren die Entwicklungen und ermöglichen hohe Stückzahlen, die in den nächsten Jahren die Preise für Landtechnik deutlich reduzieren dürften.
New Holland fährt mit dem T6.180 Methane Power Traktor vor
Ähnliches passiert gerade bei einem Energieträger, der immer etwas im Schatten steht – beim Gas.
Seit 2021 bietet New Holland mit dem T6.180 Methane Power den weltweit ersten Traktor an, der mit Flüssiggas (LNG), komprimiertem Gas (CNG) oder Bio-Methan betrieben werden kann.
Der Sechszylinder-Motor des New Holland T6.180 Methane Power leistet 180 PS und zielt somit auf ein völlig anderes Marktsegment als die 50-PS-Maschinen von Rigitrac und Fendt. Er soll exakt die gleiche Performance erbringen wie das Diesel-Pendant und auch preislich vergleichbar sein.
Entwickelt wurde der Bio-Methan-Motor für den New Holland von der FPT (Fiat Powertrain) in Arbon TG. FTP ist aus der Motorenabteilung des ehemaligen Schweizer Lastwagen-Herstellers Saurer hervorgegangen.
Ähnliche Aggregate hat FPT schon für Iveco-Lastwagen geschaffen. Mit 25'000 hergestellten Gasmotoren und über einer Milliarde gefahrener Kilometer seit 1996 ist Iveco Europas führender Hersteller gasbetriebener Nutzfahrzeuge.
Seit zwei Jahren sind bei Iveco auch Bio-Methan-Motoren im kommerziellen Einsatz. Auf Langstrecken sind diese bezüglich Wirtschaftlichkeit und Ökologie elektrischen Fahrzeugen noch immer überlegen.
Die Landwirtschaft profitiert mit dem gasbetriebenen New Hollanddirekt vom Forschungs-Etat und vom Produktions-Volumen der Nutzfahrzeug-Branche.
Mit dem eigenen Bio-Gas den Traktor «tanken»
Biogas ist ein wichtiger Pfeiler der Dekarbonisierung. Landwirte mit Biogas-Anlage können entweder direkt mit Gas von der eigenen Anlage fahren – oder aber ihr Gas ins öffentliche Netz einspeisen und im Gegenzug Gas bei einer Tankstelle beziehen.
Gasbetriebene Traktoren bilden zudem einen Anreiz, in hofeigene Biogas-Anlagen zu investieren. Diese können Gas ins öffentliche Netz einspeisen, mittels eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) Strom und Wärme erzeugen oder direkt den Gas-Traktor antreiben.
Solche Kombinationen haben zudem den Vorteil, dass sie Saison-Schwankungen ausgleichen können:
- Im Winter braucht es mehr Strom und Heizung, dafür steht der Traktor oft still. Dann läuft das BHKW.
- Im Frühling und Sommer, wenn der Heizbedarf abnimmt und die Solaranlage auf dem Scheunendach mehr Strom erzeugt, fährt der Traktor mit dem Gas – und allenfalls der kleinere 50-PS-Hoftraktor mit dem Strom der Solaranlage.
Die Systeme für eine Abkehr von fossilen Treibstoffen stehen deshalb nicht in Konkurrenz zueinander. Oft können sie sich gegenseitig ideal ergänzen. Damit ist man wieder fast beim «eigenen Treibstoff» wie vor 100 Jahren – und doch eine Runde weiter.
Landwirte werden immer mehr zu Energie-Unternehmern, deren Anlagen weit wichtigere Funktionen haben als «nur» die Selbstversorgung. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes, indem sie auf ihrem Betrieb Solar- und Biogas-Anlagen sowie Maschinen mit Gas- und Elektro-Antrieben mit den dazu nötigen Speichersystemen auf und neben dem Fahrzeug betreiben:
- Biogas ist leicht speicherbar
- BHKW lassen sich schnell ein- und ausschalten
- Batterien in Traktoren und Geräteträgern können Elektrizität speichern und wieder abgeben
Das gibt den Stromnetz-Betreibern die nötige Flexibilität, um andernorts mehr Wind- und Solar-Anlagen stabil am Netz zu halten. Als Faustregel gilt, dass es pro installiertem Kilowatt Leistung an erneuerbaren Erzeugern 5 Prozent regelbare Leistung zur Stabilisierung braucht. Wobei diese Leistung nur sehr selten abgerufen wird.
Jeder Hof, der sich dank einem mit Alternativenergien angetriebenen Maschinenpark auch als Energiedienstleister aufstellt, ermöglicht es dem Netzbetreiber, die zwanzigfache Leistung der eigenen Anlagen stabil am Netz zu halten. Und das ist ein wesentlich grösserer Beitrag zur Energie- und Klimawende, als die angepflanzte Hofenergie der Pferde-und-Ochsen-Zeit.
Was sind Biokraftstoffe (Biofuels)?
Biokraftstoffe oder Biofuels werden aus Biomasse erzeugt:
- Rapsöl = Pflanzenöl
- Rapsmethylester = Biodiesel
- Weizen = Bioethanol
- Mais = Biomethan
- Energiepflanzen = synthetische Biokraftstoffe BtL
- Stroh = synthetische Biokraftstoffe BtL
BtL-Kraftstoffe sind noch im Entwicklungsstadium und noch nicht auf dem Markt erhältlich.
Diese Biokraftstoffe sind meist flüssig, manchmal auch gasförmig und kommen für den Betrieb von Verbrennungsmotoren in mobilen und stationären Anwendungen zum Einsatz.
Das Präfix Bio hat keinen Zusammenhang mit Bio im Sinne ökologischer Landwirtschaft, sondern mit dem pflanzlichen (biologischen) Ursprung der Kraftstoffe.
Die Klimaneutralität und ökologische Vorteilhaftigkeit von Biokraftstoffen ist sehr umstritten.
Gegen Biokraftstoffe spricht auch, dass sie Nahrungsmittel verteuern und dass internationale Konzerne den Landwirten deren Kulturland «wegkaufen», um darauf Energiepflanzen für die Biokraftstoffproduktion anbauen zu lassen.