Kurz & bündig
➜ Für die Sortenwahl von Weizen ist es empfehlenswert, sich an der «Liste der empfohlenen Getreidesorten» zu orientieren.
➜ Der Fokus der Merkmale unterscheidet sich je nach Anbausystem.
➜ Für die Ernte 2024 werden tiefe Hektolitergewichte und hohe Mykotoxingehalte erwartet.
Kaum gedroschen, ist es bereits wieder an der Zeit, die nächste Anbausaison zu planen und Getreidesaatgut zu bestellen. Die «Liste der empfohlenen Getreidesorten für die Ernte 2025» von Agroscope wurde bereits herausgegeben. Auf dieser Liste stehen die von Agroscope geprüften Getreidesorten. Diese werden mit verschiedenen Merkmalen beurteilt, welche bei der Wahl der passenden Sorte helfen können.
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Auf welche Merkmale sollte bei der Getreidesortenwahl konkret geachtet werden, damit im Folgejahr gute Erträge und Deckungsbeiträge erzielt werden können?
Nicolas Linder ist Lehrer und Berater am Inforama Rütti sowie Getreidesaatgutproduzent und im Forum Ackerbau tätig. Er erklärt, worauf bei der Sortenwahl geachtet werden sollte.
Wichtiges Auswahlkriterium ist die Frühreife
Bei der Sortenwahl muss grundsätzlich zuerst entschieden werden, welches Anbausystem gewählt wird – ÖLN, Extenso (neu PSM-Verzicht) oder Bio. Gerade beim Weizen empfiehlt Nicolas Linder, bei der Annahmestelle oder dem Müller nachzufragen, welche Sorten besonders gefragt sind. Die Müller sind auf eine Auswahl verschiedener Weizensorten und Qualitäten angewiesen, damit sie ganzjährig ein einheitliches Mehl produzieren können. Deshalb ist es unvorteilhaft, wenn eine Sorte schweizweit zu stark marktführend wird.
Anschliessend kann zwischen den von den Müllern gefragten Sorten in der jeweiligen Klasse entschieden werden. «Für mich gewinnt das Merkmal Frühreife/Ährenschieben gerade beim Weizen zunehmend an Bedeutung», erklärt Nicolas Linder. In den vergangenen Jahren geriet der Weizen während der Abreife vermehrt in die Sommertrockenheit. Dadurch kann das Ertragspotenzial nicht voll ausgeschöpft werden.
Während der Sommertrockenheit fehlt das Wasser zur Kornausbildung und die grosse Hitze bremst die Assimilation. Ausserdem wird in dieser Zeit Stärke im Korn eingelagert und zu Protein umgewandelt. «Während der Sommertrockenheit 2023 hatte der Weizen vielerorts zu wenig Zeit zum Ausreifen und zur Proteinbildung. Darum lag der Proteingehalt im Schnitt 1 Prozent tiefer als 2022», erklärt Linder.
Deshalb empfiehlt er, an Standorten mit vermehrter Sommertrockenheit eher frühreifere Sorten zu wählen, damit diese kurz vor der Trockenperiode geerntet werden können. Die Gerste sei weniger davon betroffen, weil diese früher geerntet wird.
Krankheitstoleranz für Septoria bei Extenso-Anbau beachten
Ausserdem ist die Krankheitstoleranz besonders im Extenso-Anbau sehr bedeutend. «Wenn die Blätter krankheitshalber nicht mehr grün sind, können sie auch nicht mehr ausreichend assimilieren», sagt Linder. Ein besonderes Augenmerk sei auf die Krankheitstoleranz für Septoria und Braunrost zu legen. Im ÖLN können diese Krankheiten behandelt werden.
Mehltau ist weniger problematisch; dieser Pilz braucht Feuchtigkeit ohne Regen. Dies kann vereinzelt auf Moorböden zum Problem werden. Bei Fusarien hingegen ist es entscheidend, ob es während der Blütezeit regnet. Auf Parzellen mit der Vorfrucht Mais steigt das Risiko zusätzlich. Die Toleranz der Sorte hat in diesem Fall einen geringeren Einfluss auf die Befallsstärke.
Standfeste Sorten – weniger Lagergetreide
Für den Extenso-Anbau sind vor allem die Standfestigkeit und die Pflanzenlänge wichtige Kriterien, da in diesem Programm das Getreide nicht verkürzt werden kann und das Risiko von Lagergetreide erhöht ist. Lagergetreide begünstigt Auswuchs, womit die Deklassierung zu Futterweizen möglich ist. Wenn ein Betrieb auf grosse Mengen von Stroh angewiesen ist und das Getreide im ÖLN-Verfahren anbaut, empfiehlt Linder Sorten mit langen Pflanzen wie Axen oder Cadlimo. Diese liefern gute Erträge und bringen trotz Verkürzung grössere Strohmengen.
Begrannte Sorten haben viele Vorteile
Auf der Sortenliste wird ausserdem das Merkmal «Sorte mit begrannten Ähren» anhand des kleinen Symbols oberhalb des Sortennamens ausge-wiesen. Die Begrannung bei Weizen spielt eine bedeutende Rolle in der Physiologie und Anpassungsfähigkeit der Pflanze. Sie wirkt als physische Barriere gegen bestimmte Insekten und Schädlinge und schafft ein Mikroklima, das die Verbreitung von Krankheitserregern reduzieren kann.
Darüber hinaus tragen die Grannen zur Fotosynthese bei, insbesondere unter Stressbedingungen wie Trockenheit. Grannen erhöhen die gesamte Blattfläche der Pflanze, was die Lichtabsorption und schliesslich die Assimilation verbessert.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Begrannung ist ihre Fähigkeit, den Wasserverlust durch Transpiration zu verringern, indem sie die Luftbewegung um die Ähre herum beeinflusst. Bei tauhaltigen Bedingungen können die Grannen sogar Wasser sammeln, das dann auf den Boden tropft und der Pflanze zur Verfügung steht. Dies trägt zur verbesserten Wassernutzungseffizienz der Pflanze bei.
Darüber hinaus haben Grannen in Regionen mit Wildschweinen einen positiven Effekt, da die Wildtiere es äusserst unangenehm finden, wenn die Grannen in ihre empfindlichen Schnauzen piksen. Somit können allenfalls grössere Schäden vermieden werden. Begrannte Topsorten sind Bodeli, Axen, Montalbano, Bonavau und Caminada.
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Caminada kam neu auf die Sortenliste
Neu auf die Sortenliste kam die Topsorte Caminada. Sie ist jedoch nur provisorisch gelistet, weil sie bei einer der drei Anforderungen, dem erforderlichen Feuchtglutengehalt, nicht die Mindestprozentzahl erreichte. Agronomisch überzeugt die Sorte aber mit einer guten Krankheitstoleranz. Einzig bei der Standfestigkeit schneidet sie etwas schlechter ab.
Die Sorte würde sich gut als Mischungspartner für eine Sortenmischung eignen. Für Linder bringen Sortenmischungen klare Vorteile in Bezug auf die Reduktion des Krankheitsdrucks.
Bei der Klasse I gibt es keine Änderungen. Dort wird Campanile für den Anbau empfohlen. In der Klasse II steht Ludwig das letzte Jahr auf der Liste und fällt somit der Sorte Spontan zum Opfer. Spontan überzeugt mit seinen guten agronomischen Eigenschaften.
Biosorten nach Nährstoffangebot auswählen
Bei der Sortenwahl im Biolandbau ist vor allem die Nährstoffverfügbarkeit des Betriebes entscheidend. Sorten wie Montalbano und Wital sind auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr angewiesen, damit deren hohes Ertragspotenzial ausgeschöpft werden kann. Diese Sorten sind daher nur für gute Standorte geeignet.
Bei knapperem Nährstoffangebot sollte eher auf die Sorten Piz Nair, Prim und Bodeli gesetzt werden. Diese entwickeln auch bei eingeschränkter Düngung einen ausreichend hohen Proteingehalt und verfügen über gute Blattgesundheit.
Der Proteingehalt wird gemäss Nicolas Linder in erster Linie vom Wetter, dann von der Sorte und schliesslich noch von der Düngung beeinflusst.
Ernteprognose 2024: tiefe Hektolitergewichte
Nicolas Linder rechnet mit tiefen Hektolitergewichten und erhöhten Mykotoxingehalten, aufgrund der vielerorts stark an Septoria und Fusarien erkrankten Bestände – sowohl im Extenso- wie auch im ÖLN-Verfahren. Zwar sei noch genügend Sonne vorhanden, aber die Blätter seien zu krank, um ausreichend assimilieren und Stärke in Protein umwandeln zu können.
Das wechselhafte Wetter während der Blüte hat auch die Fusarieninfektionen begünstigt. Bleibt es weiterhin wechselhaft während der Ernte, erhöht sich auch noch das Auswuchsrisiko.