Kurz & bündig
- Die solidarische Landwirtschaft (Solawi) ist ein Betriebszweig des Mooshofs.
- Konsumenten und Produzenten haben sich gemeinsam als Verein Solawi Lenzburg organisiert.
- Die Betriebsleiter verrechnen ihre Arbeit der Solawi mit 35 Franken pro Stunde.
- Auf dem Mooshof macht die Solawi im Moment 15 Prozent des Betriebsergebnisses aus.
- Deshalb sind weitere Absatzkanäle, wie die Direktvermarktung und der Grosshandel, wichtig.
Der Mooshof liegt nur ein paar hundert Meter von der Stadt Lenzburg AG entfernt. Und doch ist man hier total ab vom Schuss. Marion Sonderegger und Lukas Häusler haben den Mooshof 2012 von Häuslers Eltern übernommen. Sie ist Bio-Landwirtin, er Agronom. Ein klassischer Betrieb ist der Mooshof nicht – jedenfalls nicht, was die Betriebsführung anbelangt. Die jungen Betriebsleiter initiierten im Jahr 2016 auf ihrem Betrieb die solidarische Landwirtschaft, kurz «Solawi».
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Nähere Beziehung zwischen Konsument und Produzent
«Landwirtschaft geht alle etwas an», sagt Sonderegger. Für die junge Landwirtin ist die Solawi deshalb die ehrlichste Form der Landwirtschaft. Die Leute sollen mitbekommen, was auf dem Betrieb gut läuft, was weniger, was Nachhaltigkeit bedeutet und sie sollen sich auch einbringen dürfen. «Es fasziniert mich, eine nähere Beziehung zwischen Konsument und Produzent zu schaffen».
Konsumenten und Produzenten haben sich gemeinsam als Verein Solawi Lenzburg organisiert. Der Vorstand, die sogenannte «Betriebsgruppe», besteht im Moment aus sieben Leuten und der Verein aus 70 Mitgliedern. Das Betriebsleiterpaar zählt sich zur Betriebsgruppe. Die fünf anderen Mitglieder der Betriebsgruppe kümmern sich um die Mitgliederverwaltung, die Kasse, die Verwaltung der Öl-, Mehl-, Brot- und Kartoffel-Abonnemente und die Website. Zudem unterstützen sie das Betriebsleiterpaar bei den Aktionstagen und bei der Generalversammlung.
In der Solawi werden die Produkte nicht in Kilogramm oder Litern verkauft. Die Vereinsmitglieder kaufen Ernte-Anteile in Quadratmeter oder einen Tier-Anteil, zum Beispiel einen Achtel vom Rind. Damit trägt der Produzent nicht mehr das alleinige Risiko. «In einem guten Jahr wirft das Rapsöl pro Ernte-Anteil vier Liter ab, in einem schlechteren Jahr vielleicht drei», erklärt Sonderegger.
«Im Gegensatz zu den anderen Vertriebskanälen lastet in der Solawi nicht alles auf den Schultern der Produzenten», sagt Häusler. In der Direktvermarktung sei man auf einen treuen Kundenstamm angewiesen und wisse schlussendlich nicht, ob die Kunden wiederkommen oder ob man auf den Produkten sitzen bleibe. Sonderegger ergänzt: «In der Solawi ist die Verpflichtung der Konsumenten viel grösser.»
Betriebsspiegel Mooshof
Marion Sonderegger und Lukas Häusler mit Juri (7) und Paula (5), Lenzburg AG
LN: 20 ha
Bewirtschaftung: Bio
Betriebszweige: Mutterkuh-Haltung, Getreide und Öl-Saaten, Verarbeitungsgemüse, Direktvermarktung (Fleisch, Mehl, Brot, Rapsöl, Feldgemüse), Solawi (Mehl, Brot, Rapsöl, Kartoffeln)
Kulturen: Raps, Urdinkel, Weizen, Kartoffeln, Roggen, Hirse, Zuckermais, Bohnen und Erbsen
Tiere: 12 Mutterkühe, 9 Auen und 10 Lämmer
Arbeitskräfte: Marion Sonderegger und Lukas Häusler, ein Lernender
www.mooshof-lenzburg.ch
www.solawi-lenzburg.ch
Solidarische Landwirtschaft bietet mehr Sicherheit
«Dem Grosshandel stehen wir kritisch gegenüber», sagt Häusler, «wegen den übersteigerten Qualitätsnormen, aber auch wegen Foodwaste.» Aber im Moment sind Sonderegger und Häusler noch auf den Grosshandel angewiesen. Die Produkte des Mooshofs setzen sie zurzeit über drei Kanäle ab: Direktvermarkung, Grosshandel und Solawi. Wovon letztere etwa 15 Prozent des Betriebsergebnisses ausmacht. «Noch ein kleiner Teil», sagt Häusler, «man kann ihn nicht vernachlässigen, wir können aber auch noch nicht voll daraufsetzen.» Häusler sieht es als eine Chance, dass sie durch die verschiedenen Vertriebskanäle breiter abgestützt sind.
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Konsumenten können und sollen sich auf dem Betrieb einbringen
Rapsöl ist eines von vier Produkten, die sie solidarisch anbauen. «Als wir dem Verein Rapsöl vorschlugen, war eine gewisse Skepsis zu spüren», sagt Häusler und lacht, «denn die Vereinsmitglieder konnten das Rapsöl ja nicht im Voraus probieren». Der Verein war aber bereit, mitzumachen. Mittlerweile läuft die Hälfte der Ernte in die Solawi, 2019 wurde die andere Hälfte der Raps-Ernte von der Eichmühle Beinwil abgenommen. «In Zukunft ist es vielleicht möglich, die ganze Ernte über die Solawi abzusetzen – also eine Hektare.»
In der solidarischen Landwirtschaft können und sollen sich die Konsumenten mit einigen Stunden oder Tagen pro Jahr an der Hofarbeit beteiligen. «Beim Mehl und Raps gab es bis jetzt keine grosse Gelegenheit, mitzuhelfen», sagt Sonderegger. Seit 2019 bauen Sonderegger und Häusler Kartoffeln nicht nur für die Direktvermarktung, sondern auch für die Solawi an. «Das Häufeln und Ernten erledigten die Mitglieder in Handarbeit», sagt Sonderegger. «Gemüse war immer ein Wunsch, aber die Kapazität von uns und auch von der Betriebsgruppe ist momentan noch zu klein, als dass wir die Organisation und den komplexen Anbau bewältigen könnten.» Deshalb seien die Kartoffeln eine Art Test-Projekt für weitere Gemüsekulturen. «So sehen wir, ob die Mitglieder der Solawi auch längerfristig Lust haben, mitzuarbeiten.»
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Die Produktionskosten sind durch die Solawi gedeckt
Die Betriebsleiter Sonderegger und Häusler erledigen für die Solawi grundsätzlich die Arbeit, die durch die Mitglieder der Solawi nicht erledigt werden kann, zum Beispiel maschinelle Arbeiten. Ihre Arbeit verrechnen sie mit 35 Franken pro Stunde. Diese, wie sämtliche Auslagen für variable Kosten, wie etwa Saatgut, stellen sie dem Verein Ende Jahr in Rechnung. Die Budgets sind für die Vereinsmitglieder einsehbar. Von den Kosten werden sämtliche (der Kultur zurechenbare) Direktzahlungen abgezogen. «Damit die Liquidität gewährleistet ist, erhalten wir eine Akonto-Zahlung zu Beginn des Jahres», sagt Häusler, «Ende Jahr werden dann die effektiven Aufwände abgerechnet.» Dazu gehört auch die Koordination, etwa das Planen der Arbeitseinsätze.,Die Stunden für das Aufgleisen neuer Projekte oder um Budgets zu rechnen, gehören zur Vereinsarbeit und werden ehrenamtlich geleistet.
Eine zeitintensive Angelegenheit wäre Social Media. «Zurzeit kümmert sich niemand so richtig darum», sagt Häusler, «die Begeisterung fehlt bei uns, obwohl es wahrscheinlich mehr Mitglieder bringen würde.» Andere Solawi-Projekte würden in diesem Bereich sehr viel mehr machen. Sonderegger und Häusler treffen sich mit den anderen Mitgliedern der Betriebsgruppe alle drei Wochen, um über Aktuelles und Projekte zu sprechen. Entschädigt wird die Betriebsgruppe für ihre Arbeit nicht. «Zu Beginn war die Idee, dass die Betriebsgruppe die Abos gratis erhält», sagt Sonderegger, «aber das geht finanziell im Moment einfach noch nicht.»
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Die Nähe zu einer Stadt ist von grossem Vorteil
Was würden Sonderegger und Häusler einem Betriebsleiter raten, der in die Solawi einsteigen möchte? «Wenn man ein bestehendes Netzwerk, wie etwa Kunden aus der Direktvermarktung hat, macht es den Start einfacher», sagt Sonderegger. Und Häusler ist überzeugt, «dass die Solawi über eine mündliche Botschaft einfacher zu erklären ist, als über Inserate oder Zeitungsartikel». Aber ein Patent-Rezept gebe es nicht. Es entstehe und wachse mit den Menschen, die mitmachen. Man müsse offen sein für die Konsumenten, damit sie sich einbringen können.
Sonderegger stellt klar: «Man muss auch den Willen zu einem ehrlichen Austausch haben, und bereit sein, dass man in seinem Schaffen hinterfragt wird.» Und zu guter Letzt sei es natürlich einfacher, eine Solawi auf die Beine zu stellen, wenn man eine gewisse Grösse habe. «Schön wäre es, etwa 200 Mitglieder zu haben», sagt Sonderegger, «dann entstünde eine stärkere Dynamik und wir könnten grössere Projekte anpacken.»
Auf der anderen Seite ist es den beiden wichtig, so zu wirtschaften, dass es an den Standort in Lenzburg passt. Lenzburg habe nicht so eine grosse alternative Bevölkerung, wie etwa Zürich, Winterthur oder Baden. «Und unsere Mitglieder haben oft ein eigenes Haus mit Umschwung und gar nicht so viel Kapazität, um hier zu arbeiten», sagt Sonderegger. Sie hätten sich das zu Beginn anders vorgestellt und dachten, dass vor allem Leute ohne Wohneigentum im Verein mitwirken würden.
Zukunftsprojekt: Rindfleisch aus Hofschlachtung
Nach dem erfolgreichen Start des Kartoffel-Projekts geht die Solawi Lenzburg in die nächste Runde. «Beim Verein ist ein Rindfleisch-Angebot ein Thema», sagt Sonderegger. Sie und Häusler bieten Rindfleisch bisher in der Direktvermarktung an. Beim Verein sei aber zusätzlich der Wunsch nach Hofschlachtung da, sagt Sonderegger, «das werde ich jetzt angehen und Abklärungen machen.»
Die Umsetzung könnte folgendermassen sein: Das erstgeborene Tier im Februar gehört der Solawi. Betreffend Stundenansatz gibt es aber noch einige Berechnungen anzustellen. «Wenn wir mit 35 Franken rechnen wie in den Ackerkulturen, wird das Fleisch so teuer wie Kobe-Beef», sagt Häusler und lacht, «das kann ja auch nicht sein.» Für neue Projekte nimmt die Betriebsgruppe auch einmal den Wirz Kalender zu Hilfe. Und passt gegebenenfalls im darauffolgenden Jahr an.
Aktionstage für den Zusammenhalt und Austausch
Auf dem Mooshof finden drei Mal pro Jahr Aktionstage statt, an denen die Vereinsmitglieder mitarbeiten. Das sind oft Arbeiten, die immer wieder anfallen und wo man um viele Leute froh ist, wie etwa Blackenstechen, Steine einsammeln und Brombeeren schneiden. Es geht aber auch darum, den Zusammenhalt und Austausch beim gemeinsamen Arbeiten und Essen zu fördern. Es sind jeweils viele Kinder dabei. Für interessierte Vereinsmitglieder bietet Lukas Häusler eine Flurbegehung durch die Kulturen.
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