Kurz & bündig
- Der Biertreber als Nebenprodukt aus Schweizer Braugerste wird neu nicht mehr nur zu Tierfutter, sondern auch als Fleischersatzprodukt für die menschliche Ernährung verarbeitet.
- Fleischersatzprodukte aus Schweizer Biertreber sind aktuell in der Migros, Volg, Aldi und Spar erhältlich.
- Fleischersatzprodukte aus einheimischen Rohstoffen sind unter der grossen Produktepalette aktuell noch rar.
Wer an Braugerste denkt, hat als Endprodukt wohl ein kühles Bier vor Augen, vielleicht als Getränk zu einem saftigen Burger vom Grill.
Dass der saftige Burger ebenfalls aus Braugerste bestehen könnte, mag auf den ersten Blick erstaunen. Doch wer den Weg der Braugerste bis zum Ende verfolgt, landet tatsächlich in einer Produktionshalle für Fleischalternativen: In Winterthur stellt die Firma Circular Food Solution aus Biertreber eine Fleischalternative her.
Michael Rittenauer ist technischer Planer der Circular Food Solution. «Biertreber zeichnet sich vor allem durch seine hohe Dichte an Ballaststoffen und Proteinen aus», erklärt Rittenauer. «Besonders Beta-Glucan ist ein wertvoller Inhaltsstoff des Produkts», sagt er. Beta-Glucane sind komplexe Zucker.
Biertreber ist der unlösliche Rest aus der Bierproduktion. Wenn die gemälzte Gerste in die Biermaische gegeben wird, lösen sich die wasserlöslichen Bestandteile auf – übrig bleibt der protein- und ballaststoffreiche Treber.
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Produktion der Fleischalternative direkt neben dem Sudhaus
Die Produktionshalle für die Fleischalternative liegt gleich neben dem Sudhaus der Brauerei Chopfab. Direkt vom Läuterbottich der Brauerei fliesst der Biertreber in riesigen Edelstahlleitungen in die Produktionshalle.
«Es ist sehr effizient für uns, direkt ab Sudhaus produzieren zu können», erläutert Michael Rittenauer. Der frische Biertreber wird wahlweise mit Erbsenkonzentrat aus der Schweiz sowie etwas Weizenkleber, natürlichen Aromastoffen und Salz zu einer pflanzlichen Fleischalternative verarbeitet.
In der Produktionshalle wird die Masse in einem Extruder geknetet und durch Schnecken vorangetrieben. Hohe Temperaturen sorgen für die Ausdehnung und Erweichung der Proteinstrukturen. Eine Kühldüse senkt die Temperatur des Treberprodukts rasch ab, sodass sich durch die Dehnung muskelähnliche Fasern bilden, die in alle beliebigen Formen und Grössen geschnitten werden können.
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Gleichmässige Qualität trotz Rohstoffschwankungen
Ein gewaltiger Motor- und Antriebsblock füllt die Produktionshalle aus. Der Extruder ähnelt einer Röhre, in der sich die Förder- und Verarbeitungsschnecken befinden. Gespiesen wird der Extruder durch kleine Schläuche mit den benötigten Rohstoffen.
«Hier besteht die Herausforderung, die Komponenten so aufeinander abzustimmen, dass das Endprodukt trotz natürlicher Rohstoffschwankungen mit gleichmässiger Qualität rauskommt», erklärt Michael Rittenauer.
Das Endprodukt wird nach dem Schneiden schockgefrostet und wandert in den Tiefkühlcontainer. Von dort aus wird es zu den Kunden geliefert, die das Produkt weiterverarbeiten. Am Ende liegt es in den Auslagen von Migros, Volg, Aldi und Spar.
Malz aus Schweizer Braugerste als wichtiges Kriterium
Produziert wird in der Halle in Winterthur erst seit Januar 2024. Davor wurde emsig getüftelt, zusammengebaut, am Konzept überlegt und Prototypen getestet. Christoph Nyfeler ist Inhaber der Circular Food Solution. Die Grundidee, aus Schweizer Biertreber einen Fleischersatz zu produzieren, stamme allerdings von der Bühler AG in Uzwil, betont Nyfeler.
Seit 2022 gibt es in der Schweiz wieder eine Mälzerei, die Malz aus Schweizer Braugerste produziert.
Malz aus Schweizer Braugerste sei ein sehr wichtiges Kriterium bei der Entwicklung der Geschäftsidee gewesen, fügt Christoph Nyfeler an. Deshalb wurde auch bei der Ergänzung und Verfeinerung der Rezeptur auf Schweizer Rohstoffe gesetzt. Die Groupe Minoteries SA (GMSA) liefert das Erbsenkonzentrat. «Ganz wichtig ist, dass wir mit Konzentraten arbeiten», ergänzt der Geschäftsführer. Im Gegensatz zu Isolaten (isoliertes Protein) können die Produkte somit auch mühelos zurückverfolgt werden.
Beim Endprodukt von guter Arbeitsteilung profitieren
Zurück zur Produktion: Die Biertreberprodukte werden ab Produktion tiefgefroren an die weiterverarbeitenden Betriebe geliefert. «Wir profitieren von einer guten Arbeitsteilung», fügt Michael Rittenauer an.
Die Betriebe verarbeiten die Biertreberprodukte wie Geschnetzeltes oder Hackfleisch weiter, marinieren sie oder stellen Burger daraus her. «So können wir uns auf die Herstellung eines Halbfabrikates konzentrieren und die Endverarbeitung anderen Profis überlassen», sagt Michael Rittenauer.
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Nur wenige Alternativen mit einheimischen Rohstoffen
Die Auswahl an Fleischalternativen ist mittlerweile gross. Doch die Fleischalternativen aus Winterthur gehören zu den wenigen Produkten, bei denen ein grosser Anteil der Rohstoffe aus der Schweiz stammt. Dazu gehört beispielsweise Luya. Diese Firma stellt aus einem Nebenstrom der Sojamilch- und Tofuproduktion (Okara) ein Fleischersatzprodukt aus Schweizer Soja her, ergänzt mit italienischen Erbsen.
Produkte aus Schweizer Biertreber (Gerstenmalzbasis) gibt es von der V-Love-Linie und von YUP! mit Ursprung aus der Brauerei Chopfab. Damit endet die Auswahl an Produkten mit einem grossen Anteil an Schweizer Rohstoffen.
Der Rest stammt aus dem Ausland: Die Herkunft der Rohstoffe ist oft Europa, aber auch Asien, etwa für die Gelberbsen von Planted. Oder teils ist online zu lesen: «Herkunftsbezeichnungen sind auf den Verpackungen in den Filialen ersichtlich.»
Der Ursprung der Rohstoffe ist also oft nicht nachvollziehbar. «Dies ist das Seltsame an pflanzlichen Fleischalternativen», merkt Christoph Nyfeler an. «Wenn Schweizer Fleisch gegessen wird, kann dies oft bis auf die Wiese zurückverfolgt werden, auf der das Tier gegrast hat.» Deshalb hat die Rückverfolgbarkeit und die Schweizer Herkunft für den Fleischersatz aus Schweizer Biertreber höchste Priorität.
Biertreberprodukte überzeugen mit Geschmack und Textur
Die Palette an Fleischalternativen im Detailhandel ist schon lange nicht mehr schlank und dürftig. Alternativen aus Soja, Erbsenprotein und Biertreber bereichern die Regale. «Pflanzliche Fleischalternativen haben durchaus Potenzial, einen wesentlichen Teil des Fleischkonsums zu ersetzen», sind sich Michael Rittenauer und Christoph Nyfeler einig.
Voraussetzung dafür ist, dass die Alternativen schmackhaft sind und in ihrer Textur dem Ursprungsprodukt ähneln. «Es braucht einiges an Überzeugungsarbeit», meinen beide. Die KonsumentInnen suchen nach Alternativen, die der Textur und dem ursprünglichen Geschmack von Rindfleisch oder zum Beispiel einem Steak nahekommen.
«Überzeugt hat mich die Alternative aus Biertreber vor allem wegen der Textur und des Geschmacks», bekennt Nyfeler. Rittenauer sagt, dass für ihn zum Beispiel die Kebab-Alternative aus Biertreber besonders überzeugend sei: «innen saftig, aussen knusprig». Das tue dem echten «Fleischerlebnis» praktisch keinen Abbruch.
Die Schweiz mit Biertreberprodukten versorgen?
Laut Christoph Nyfeler könnte ein gewisser Teil des schweizerischen Fleischkonsums durch Biertreberprodukte ersetzt werden.
Gerade wegen seines hohen Eiweissgehaltes sowie des hohen Anteils an Ballaststoffen ist Biertreber als Fleischersatzprodukt besonders vorteilhaft. So schneidet zum Beispiel das Aminosäureprofil in Kombination mit Erbsenprotein im Vergleich zu anderen Fleischalternativen besser ab, erklärt Michael Rittenauer.
Zudem wird nicht zusätzliche Ackerfläche benötigt, sondern ein Produkt für die menschliche Ernährung verwertet, welches bislang vor allem Anklang in der Tierfütterung oder im Biogas-Sektor fand. Denn in der Schweiz wird Biertreber entweder für die menschliche Ernährung weiterverwendet, an Tiere verfüttert oder als Biogas genutzt. Weggeworfen wird er jedoch nicht – was leider in anderen Ländern oft der Fall ist.
Momentan ist der Extruder in Winterthur der weltweit einzige seiner Art, der frischen Biertreber in dieser Weise und Qualität verarbeitet. Zukünftig ist sicher die Skalierung der Produktion denkbar sowie die Weiterverbreitung des Know-hows von Bühler, um die Produktionsmethode auch in anderen Ländern vorstellen zu können.
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