Kurz & bündig
- Weisskohl enthält viel Vitamin C, fermentiert gilt er als neu alter Superfood.
- Hadorns bauen seit Generationen im Gürbetal Biokabis an.
- Für Hadorns ist der Kabis die finanziell interessanteste Kultur auf dem Betrieb.
Sauerkraut, der neue alte Superfood. Der Kohl durchläuft gerade eine Revolution, dank neuer Rezepte wie Coleslaw (Kabissalat) oder Sauerkrautburger. Doch der Kabiskopf hat eine lange Tradition und einen guten Ruf.
Bereits die alten Griechen, Römer und Chinesen verstanden das Handwerk vom «Kabis» einmachen. Sauerkraut war und ist ein Allerwelts-Kraut. Durch den hohen Vitamin C Gehalt (14,7 mg/100 g) und die gute Haltbarkeit war es ein bedeutendes Nahrungsmittel, sowie ein wichtiger Vitamin-Lieferant im Winter bei fehlendem Sonnenschein.
Das merkten auch deutsche Matrosen, welche ganzjährig Sauerkraut als Schiffsproviant mitführten. Diejenigen, die Sauerkraut assen, blieben dank des Vitamin C von der gefürchteten Vitaminmangel-Krankheit «Skorbut» verschont.
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Im Gürbetal, das «Chabisland»der Schweiz
Das Sauerkraut fand auch den Weg in die Schweiz. Das Gürbetal, das zwischen Bern und Thun liegt, wird zu Recht auch als «Chabisland» bezeichnet. In diesem Gebiet prägen Kabisfelder das Ortsbild. Wann genau mit der Kabisproduktion im Gürbetal begonnen wurde, ist unklar. Aber bereits im Jahre 1844 schrieb Jeremias Gotthelf in seinen Kalendergeschichten von den Kabisköpfen im Gürbetal. Dieses Gebiet ist also schon länger für den Anbau bekannt.
Vor der Kanalisierung des Flusses «Gürbe» kam es immer wieder zu Überschwemmungen. Deshalb besteht das Tal mehrheitlich aus Moorboden, welcher gut geeignet ist für den Kabisanbau.
Das nutzt auch Landwirt Walter Hadorn. Er ist Biobauer im bernischen Toffen und produziert seit jeher Kabis. Bereits sein Vater und Grossvater haben Kabis angebaut.
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25'000 Weisskohl-Setzlinge pro Hektare
Wenn wir von Kabis für die Sauerkrautproduktion sprechen, ist eigentlich der Weisskohl gemeint. Hadorn produziert rund 110 Tonnen Weisskohl auf 1,45 Hektaren.
Im Frühling wird der Kabis gesetzt. Die Setzlinge beziehen Hadorns entweder von der Jungpflanzenaufzucht Etter in Ried bei Kerzers oder von Natterer in Deutschland. Setzlinge selber nachzuziehen wäre bei dieser Anbaufläche viel zu aufwändig.
Hadorn baut den Kabis meistens nach Kunstwiese an, wenn der Boden geruht hat. Denn Kabis ist eine stark nährstoffzehrende Kultur. Nach dem Pflügen wird der gesamte Hofdünger in Form von Hühnermist und Gülle vor der Pflanzung ausgebracht.
Gesetzt wird schliesslich in zwei Durchgängen in Woche 17 und 20, also einmal Ende April und das zweite Mal Mitte Mai. Die Setzlinge werden mit einer vierreihigen Setzmaschine gesetzt, welche von drei Landwirten zusammen genutzt wird. Für einen Hektar braucht es 25'000 Setzlinge.
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Dabei wurden bei Hadorns fünf verschiedene Weisskohl-Sorten gepflanzt, welche eine Wachstumsdauer von 95 bis 150 Tage haben. Dadurch und wegen der zwei Setztermine kann im Herbst gestaffelt geerntet werden, damit die Sauerkrautfabrik laufend kleinere Mengen verarbeiten kann.
Etwa zehn Tage nach dem Setzen wird der Kabis gestriegelt und später wird das Hackgerät eingesetzt. Zwischen den Reihen muss von Hand gejätet werden. Nach dem Setzen wird der Biodünger Azoplum gesät. Bei Kabis ist wichtig, dass er nicht mit Stickstoff überdüngt wird, sonst zieht er für die Masseentwicklung zu viel Wasser. Dadurch kann es bei der Sauerkrautproduktion zu einer Fehlgärung kommen.
Lieber Wasser geben als Wasser wegnehmen
Im Jahr 2021 kam es teilweise fast zu Totalausfällen von Kabis aufgrund der Nässe. Die schwere Schwarzerde im Gürbetal neigt schnell zu Staunässe. «Für mich ist es einfacher, Wasser zu geben als Wasser wegzunehmen», meint Walter Hadorn. Er bewässert den Kabis regelmässig. «Wenn du etwas Ertrag haben willst, musst du bewässern.» Hadorn musste dieses Jahr viel bewässern, aber für ihn rentiert es immer noch mehr, als wenn er aufgrund der Trockenheit einen hohen Ertragsausfall hätte.
Nebst der Trockenheit sind auch Schädlinge ein Thema. Gerade nach dem Setzen erfreuen sich Erdflöhe und Erdschnacken an den jungen Setzlingen und können erheblichen Frassschaden verursachen. Deshalb werden die Setzlinge vor dem Setzen mit der Rückenspritze und dem Pflanzenschutzmittel Spintor angegossen.
Später im Sommer können Raupen grössere Frassschäden und Verunreinigungen durch Exkremente verursachen. Dies hat zur Folge, dass der Kabiskopf verfaulen und daher nicht geerntet werden kann. Diese Schädlinge werden mit dem Bakterienpräparat Delfin oder Agree WP behandelt.
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Ernte in den Abendstunden bis in die Nacht
Trotz der trockenen Bedingungen im Jahr 2022 und etwas Raupenbefall rechnet Hadorn mit einem guten Ertrag. Durchschnittlich kann im Biolandbau mit 60 bis 80 Tonnen pro Hektare gerechnet werden. Im konventionellen Anbau mit 100 bis 120 Tonnen. Im Nässejahr 2021 hat Hadorn nur um die 20 Tonnen ernten können.
Dieses Jahr wurde am 25. Juli mit der Ernte der frühesten Weisskohl-Sorte begonnen. Das ist etwa zwei Wochen früher als normal. Aufgrund der Hitze konnte erst am Abend nach Sonnenuntergang mit der Ernte begonnen werden. Kühlere Temperaturen sind wichtig, damit der Kabis frisch bleibt und nicht welk wird. Für die Ernte muss der Kabiskopf mindestens 1,5 kg schwer sein.
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Ob er erntereif ist, sieht man am äussersten Blatt, welches direkt den Kopf umschliesst. Wenn dieses satt am Kopf liegt und sich der Rand des Blattes aufwölbt, kann man ihn ernten. Die Kabisernte ist im Gürbetal Teamwork. Die Erntemaschine gehört der Kabis-Genossenschaft Thurnen und kann von den Produzenten gemietet werden. Bevor maschinell geerntet werden kann, müssen zuerst vier Reihen von Hand geerntet werden. Dabei kann Hadorn auf die Hilfe anderer Kabis-Produzenten zählen.
Anschliessend war es möglich, mit dem Vollernter ins Feld zu fahren und von innen nach aussen Reihe um Reihe zu ernten. Die Maschine erntet ziemlich effizient und exakt. Hinten auf der Maschine braucht es lediglich zwei Leute, welche die faulen oder fehlerhaften Köpfe aussortieren und die äussersten Blätter wegnehmen. Bis in die dunklen Abendstunden wurde die erste Sorte fertiggeerntet.
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In den frühen Morgenstunden wurde schliesslich der frisch geerntete Kabis mit Traktor und Wagen zur Sauerkrautfabrik Schöni in Oberbipp gebracht.
Früher wurde der lokale Kabis noch in der Kabisfabrik in Mühlethurnen von den Produzenten selbst vorgerüstet, geschnitten und eingemacht und schliesslich erst später von der Fabrik geholt und abgepackt. Jetzt geht sämtlicher Kabis direkt frisch in die Fabrik. Geerntet wird noch bis in den Oktober – eine Sorte nach der anderen.
«Kabis ist die interessanteste Kultur auf meinem Betrieb»
Der Kabis ist für Hadorns nach wie vor eine finanziell interessante Kultur. Der Basispreis für Biokabis liegt aktuell bei 40.25 Franken pro Dezitonne. Der Transport zur zwei Traktorstunden entfernten Fabrik wird nicht separat entlöhnt. Des weiteren wird der Aufwand fürs Rüsten und ein Werbebeitrag abgezogen. Der Preis für konventionellen Kabis liegt jedoch deutlich tiefer bei 21 Franken pro Dezitonne.
Bei der schlechten Ernte von 2021 konnte Hadorn mit dem Minderertrag immerhin gerade sein Kosten decken. Doch dieses Jahr sieht es besser aus. Der Biokabis ist zudem sehr gefragt bei den Verarbeitern und Konsumenten.
Die Kabisernte ist Teamarbeit. Damit später mit der Erntemaschine reingefahren werden kann, müssen zuerst vier Reihen von Hand geerntet werden. Dazu helfen sich die Produzenten im Tal gegenseitig aus.
Betriebsspiegel der Familie Hadorn
Walter und Manuel Hadorn, Toffen BE
LN: 26 ha
Bewirtschaftung: Bio
Kulturen: Weisskohl, Wintergerste, Winterweizen, Silomais, Kunstwiese
Tierbestand: 20 Milchkühe mit Aufzucht, 5 Pferde
Arbeitskräfte: Tagelöhner zur Erntehilfe