Kurz & bündig
- Im Freilandgemüsebau spielt das Wetter eine wichtige Rolle, daran ändert auch der Klima-
wandel nichts. - Die höheren Durchschnittstemperaturen sind für den Gemüsebau positiv, aber nur, wenn genügend Wasser verfügbar ist.
- Die grösste Herausforderung ist es, mit weniger Ressourcen gleich viel oder mehr Erträge zu erzielen.
Der Klimawandel schafft Verlierer und Gewinner. «Für uns war der Klimawandel bis jetzt eher von Vorteil», sagt der Ostschweizer Gemüseproduzent Stefan Britschgi aus Diepoldsau SG. «Früher hatten wir Mitte September regelmässig den ersten Frost. Heute können wir die Bohnen oft bis zum zwanzigsten Oktober ernten.»
Danach ist ohnehin Schluss. Nicht wegen der Kälte, sondern wegen der Tageslänge, die im Herbst nach wie vor drastisch abnimmt. Frühkartoffeln kann Britschgi heute früher, Lagerkartoffeln später pflanzen als noch vor zwanzig Jahren. So kann die Ernte besser gestaffelt und Lagerkosten eingespart werden.
Hitze als Folge des Klimawandels ist mit genügend Wasser kein Problem
«Die Vegetationsperiode ist länger, das ist für uns ein Vorteil», erklärt Stefan Britschgi. Doch was ist mit der sommerlichen Hitze? Britschgi winkt ab: «Wenn die Wasserversorgung stimmt, werden hohe Temperaturen von vielen Kulturen recht gut ertragen.»
Wasser hat es im St. Galler Rheintal genug. Zumindest auf dem Fahrmaadhof, wo Britschgi auf mehr als 30 Hektar Freilandgemüse anbaut. Aber auch die Vertragsflächen der Bauern, mit denen er zusammenarbeitet, stehen nicht auf dem Trockenen. Die Region profitiert von einer guten Versorgung mit Grund- und Oberflächenwasser. Andere Regionen klagten 2018 über Trockenheitsschäden, Britschgi hingegen sagt: «Wir hatten wir zwar einen hohem Bewässerungsaufwand, aber auch eine sehr gute Bohnenernte.»
Weit problematischer sind für ihn Starkniederschläge: «2017 sind bei uns Teile der Kulturen komplett ersoffen.» Mit dem Dammanbau von Kulturen wie Rüebli versucht er, solche Wettersituationen abzufangen.
Dass eine Kultur in einem Jahr mehr, in einem anderen weniger gut gelingt, gehört zum Gemüsegeschäft. Britschgi lacht: «Aber es geht nie alles kaputt.»
Und nicht alle Kulturen sind gleich betroffen. Bei der Ernte für die Tiefkühl-Industrie spielt das Wetter weniger eine Rolle als beim Gemüse für den Frischmarkt.
«Und beim Lagergemüse kann man oft je nach Witterungsverhältnissen den Erntetermin nach vorne oder hinten schieben. Das ist nicht dasselbe wie bei Frischgemüse, wo man heute oder morgen eine bestimmte Menge liefern muss.»
Gemüseproduzenten können ihre Sorten dem Klima anpassen
Im Gegensatz zum Obstbau, wo der Handel Vorgaben für bestimmte Sorten macht, sind die Gmüesler bei der Sortenwahl mehrheitlich flexibel. Vom Handel werden nicht Sorten, sondern Qualitäten definiert.
«Wir machen jedes Jahr zahlreiche Sortenversuche. Zuerst kleinflächig auf 20 × 3 Meter. Wenn sich eine Sorte bewährt, vergrössern wir die Fläche», sagt Britschgi. So werden zum Beispiel zehn verschiedene Bohnensorten angebaut. «Wenn eine Sorte sieben Tage später von Mehltau befallen wird als eine andere, ist das bereits ein Riesenvorteil.»
Bei manchen Kulturen gibt es heute schon eine grosse Auswahl. «Es gibt weltweit zweitausend Rüeblisorten», sagt Britschgi, «für den Anbau in Spanien bis Norwegen.» Nur gelegentlich setzen der Handel, beziehungsweise die Konsumenten der Sortenwahl Grenzen: «Chinesische Spinatsorten wären zum Beispiel sehr hitzeverträglich. Aber der Europäer will nun mal keinen Spinat mit spitzen Blättern.»
Die Ressourceneffizenz ist anspruchsvoller als der Umgang mit dem Klimawandel
Im Gespräch mit dem Gmüesler spürt man rasch: Der Klimawandel ist für Britschgi zwar eine Herausforderung, aber anbautechnisch bekommt er das in den Griff.
Was ihn bei der Diskussion um den Klimawandel mehr herausfordert, ist etwas anderes: «Wir müssen mit unseren Ressourcen sparsamer umgehen und die Effizienz beim Ressourceneinsatz verbessern.»
Also weniger Energie pro Kilo Erntegut einsetzen, weniger Dünger, weniger Pflanzenschutz. Und das bei gleichbleibendem oder noch besser gesteigertem Ertrag und höherer Qualität. Beim Spinat hat Britschgi diesbezüglich schon einiges erreicht.
Um mehr Energie aus erneuerbaren Energien einzusetzen, betreibt er eine Biogasanlage, «die ist CO2-neutral.» Ausserdem bleibt so wenigstens ein Teil der Nährstoffe in der Region. Und bevor er seine Kühlanlagen ersetzt, klärt er ab, ob er sie künftig klimaschonend mit CO2 als Kältemittel betreiben kann.
Wenn es für derartige Investitionen eine CO2-Steuer-Befreiung oder Förderung gibt, könnte sich die Investition lohnen. «Ich will das Thema nicht verniedlichen, aber Ökologie und Ökonomie müssen kein Widerspruch sein.»
Unter diesem Aspekt betrachtet er auch das Thema Transport-Logistik: Weniger Fahrten benötigen nicht nur weniger Energie, sondern kosten auch weniger Geld. Um das zu erreichen, braucht es jedoch mehr Planung und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit.
Der Düngeeffekt von CO2 ist im Freiland-Anbau von Gemüse ein Mythos
Der Einsatz erneuerbare Energien, ressourcenschonendes Wirtschaften und steigende Effizienz sind auch für Beat Bösiger von der Bösiger Gemüsekulturen AG in Niederbipp BE Dauerthemen. Wie bei Stefan Britschgi hängt auch sein Betrieb stark vom jeweiligen Wetter ab.
Doch das ist nicht erst so, seit der Klimawandel in aller Munde ist. «Das wechselhafte Wetter war für uns schon immer ein Thema.» Starkregen, Gewitter, Hagel, Trockenheit – «es gibt kaum eine Saison ohne Schadensereignisse.»
Bösiger baut im Freiland auf 150 Hektar eine breite Salatpalette, viel Frischgemüse und etwas Lagergemüse an. An den Standorten im Berner Oberaargau steht und fällt der Erfolg zu einem grossen Teil mit der Verfügbarkeit von Wasser. «Ohne technische Bewässerung ist der Anbau im Freiland für uns nahezu unmöglich.» Das liegt nicht nur an der klimatischen Lage, sondern auch an den Kulturen. Salat ist zum Beispiel sehr kurzlebig, da gibt es keine trockenheitsresistenten Sorten.
Bösiger ist überzeugt, dass sich die Züchtung der Thematik annimmt: «Wenn es immer mehr trockene Jahre gibt, werden bald einmal geeignetere Sorten zur Verfügung stehen.»
Mildere Winter mit weniger Frosttagen sind auch für seinen Betrieb grundsätzlich positiv. Damit kann zum Beispiel das Erntefenster beim Lauch vergrössert und die Qualität von Wintergemüse wie Wirz verbessert werden. So lassen sich die Kulturen besser in den Betrieb integrieren und der Inlandanteil beim Wintergemüse erhöhen.
Auch zahlreiche Wissenschaftler sagen voraus, dass der Schweizer Gemüsebau im Freiland tendenziell vom Klimawandel profitiert. Manche gehen sogar von einem CO2-Düngeeffekt aus.
Daran glaubt Bösiger nicht: «In der Luft hat es 0,043 Prozent CO2. Da wirken sich ein bisschen mehr oder weniger nicht aus.» Anders im Gewächshaus, wo Bösiger für den Düngeeffekt den CO2-Gehalt künstlich auf 0,1 Prozent CO2, erhöht, also das zweieinhalbfache.
Auch das ein Beispiel, welches zeigt, wie mit optimierter Anbautechnik umweltschonend und effizient gearbeitet werden kann. Ein moderater Klimawandel ist für die Schweizer Gemüsebauern bewältigbar. Wenn auch oft nur unter Einsatz von intelligenten Bewässerungssystemen, neuen Sorten, erneuerbarer Energien und mit Unterstützung einer Politik, die ressourceneffizientes Verhalten honoriert.
Wetter oder Klima?
Die Begriffe Klima und Wetter werden in der Diskussion oft vermischt.
Grundsätzlich ist Wetter das, was kurzfristig stattfindet.
Das Klima ist dagegen langfristig. Es ist, im Gegensatz zum Wetter, nicht direkt messbar, sondern beruht auf der statistischen Auswertung von zahlreichen Wettermessungen über einen langen Zeitraum.
In der Schweiz hat es wegen der geografischen Verhältnisse zahlreiche verschiedene Klimata.