Kurz & bündig
Weihnachtsbäume benötigen rund zehn Jahre sorgfältige Pflege und regelmässige Eingriffe, um den hohen Kundenansprüchen zu genügen.
Auf dem Gysi-Hof wird ohne Chemie produziert, mit natürlichen Methoden wie Schafen zur Unterkulturpflege und regionaler Direktvermarktung.
Die Produktion ist arbeitsintensiv, erfordert Geduld und flexible Planung, liefert aber als ergänzender Betriebszweig mit treuer Kundschaft langfristigen Erfolg.
Bereits Ende November stehen auf dem Gysi-Hof in Gysenstein, am Eingang zum Emmental, die ersten Weihnachtsbäume zum Verkauf bereit. Der Hof hat auf 1,5 ha ca. 10 000 Bäume in Bioqualität.
Mit Beginn der Adventszeit startet für die Weihnachtsbaum-ProduzentInnen die arbeitsreiche Phase. Doch wer denkt, dass davor nichts zu tun ist, liegt weit daneben – die Arbeit beginnt schon viel früher.
Aller Anfang ist schwer für die kleinen Bäume
Wie Betriebsleiterin Rahel Joss erklärt, beginnt die Arbeit bereits rund sechs bis zehn Jahre vor dem Verkauf der Weihnachtsbäume. Im Durchschnitt verbleiben die Bäume so lange auf dem Betrieb – der Prozess startet jedoch noch früher, mit der Aufzucht der Setzlinge.
Diese werden im Alter von vier Jahren zugekauft und in der Plantage gesetzt. Schon hier stellt sich eine wichtige Frage: Welches Alter sollten die Setzlinge haben? Wenn ältere Setzlinge gekauft werden, um die Produktionszeit zu verkürzen, erhöht sich das Ausfallrisiko, da ältere Bäume schlechter anwachsen. Jüngere Bäume hingegen schlagen besser Wurzeln.
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Rahel Joss bevorzugt meist jüngere Setzlinge, da es in den letzten Jahren vermehrt trockene Frühlinge gab und damit das Anwachsen schwieriger wird. Auf ihrem Demeter-Betriebkommen keine chemischen Pflanzenschutzmittel und kaum Dünger zum Einsatz. Es ist ihr daher ein grosses Anliegen, dass die Bäume von Anfang an gut an den Standort angepasst sind. Die Setzlinge werden bei genügend feuchten Verhältnissen im Frühling zwischen Februar und April gesetzt. Es gilt nun, die kleinen Bäumchen kräftig und möglichst schön heranzuziehen.
Schafe mähen fleissig, aber leider nicht alles
Während der Vegetationszeit sind Shropshire-Schafe zur Unterkulturpflege in der Plantage. Die Tiere hat Rahel Joss von einem Arbeitskollegen gemietet. Die englische Schafrasse ist dafür bekannt, dass sie durch ihr selektives Fressverhalten die Weihnachtsbäume in Ruhe lässt. Die Schafe helfen, die Begleitflora in den Kulturen zu regulieren. Allerdings verschmähen auch diese gewisse Pflanzen wie zum Beispiel Dornen oder Disteln. Deshalb ist auch hier Handarbeit angesagt. Früher von Hand, heute meist mit der Motorsense wird jede Plantage mehrmals jährlich gemäht. In der konventionellen Produktion werden zur Beikrautregulierung oft chemische Mittel verwendet.
Bäume müssen erzogen werden, um den Ansprüchen zu genügen.
Kunden wollen gleichmässig gewachsene Bäume mit kräftigen Trieben in einem schönen Grün. Damit der Baum auch schön daherkommt, werden auf dem Gysi-Hof verschiedene «mechanische» Regulierungen vorgenommen.
Damit die Astkränze nicht zu weit auseinander wachsen, wird der Haupttrieb beim Austreiben der Knospen geklemmt. So zirkuliert der Saft schlechter und die Bäume wachsen langsamer. Einige Bäume benötigen diesen Eingriff nie, andere werden zwei- bis dreimal pro Frühling geklemmt. In der konventionellen Produktion wird dies chemisch mit einem Wachstumsregulator erledigt.
Bäume mit viel Umfang passen in kaum eine Kundenstube. Um die Bäume nicht zu stark in die Breite wachsen zu lassen, werden sie nach Abschluss des Jahreswachstums von Hand zugeschnitten. Fehlt ein Seitentrieb oder gar der Haupttrieb, werden Triebe mittels Draht oder Zweigregler neu gerichtet (siehe Abbildung). Damit, und mit der Hilfe der Zeit, kann ein Baum wieder in die gewünschte Form gebracht werden.
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Ein Baum ohne Christbaumspitze ist unverkäuflich
Kunden kaufen Weihnachtsbäume, weil sie schön aussehen sollen. Den Qualitätsansprüchen in der Produktion gerecht zu werden, ist nicht einfach und liegt nicht immer in der Hand der Landwirtin.
So ist der sogenannte Vogelbruch ein grosses Problem. Dabei landen Vögel während der Austriebsphase (wenn die Triebe sehr fragil sind) auf dem Hauttrieb, dem sogenannten Terminaltrieb, und beschädigen diesen. Ohne diesen Haupttrieb ist der Baum unverkäuflich und jahrelange Arbeit plötzlich umsonst. Deshalb lässt Joss einige grössere Bäume stehen und stellt zusätzliche Sitzungen für die Vögel auf.
Ist der Austrieb abgeschlossen, die Frost- und bestenfalls Hagelgefahr überstanden, werden die Bäume, die den Anforderungen entsprechen, markiert. Joss vermerkt dabei auch bereits den Verwendungszweck des Baumes. Manche Bäume reichen nicht in der Qualität und werden deshalb für Schnittgrün verwendet oder den Kühen angeboten.
Es braucht nur sehr wenig Dünger und Pflanzenschutz
Weihnachtsbäume sind im Vergleich zu anderen Dauerkulturen recht genügsam. Laut einem Merkblatt des österreichischen Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft benötigen sie durchschnittlich nur 65 kg Stickstoff pro Hektare und Wachstumsjahr – und das auch nur bei intensiver Bewirtschaftung.
Auch Rahel Joss düngt ihre Weihnachtsbaumkultur kaum. Sie lässt das gemähte Gras liegen, und wenn die Schafe durch die Kultur streifen, düngen sie die Bäume. Einzig Kali wird ergänzt – so die Strategie auf dem Gysi-Hof. Zudem werden auch in den Tannenbaumkulturen biodynamische Präparate mit der Rückenspritze ausgebracht.
Mit Schädlingen hat Joss kaum Probleme, nur in dieser Kultur, die die geringste Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren aufweist, hat es Bäume mit Läusen. «Sonst sind wohl genug Nützlinge vorhanden, die die Bäume schützen», sagt Joss. Bäume mit Läusen oder einem sonstigen Problem werden dann meist aus der Kultur entfernt.
Erfolg mit Direktvermarktung der Weihnachtsbäume
Mittlerweile hat der Gysi-Hof einen treuen Kundenstamm. «Wir liefern direkt an Kunden, haben ein paar Aussenstandorte und viele Kunden kommen gerne auf den Hof, um ihre Bäume zu kaufen», sagt Joss.
Bio sei eher selten das Verkaufsargument. Die Leute kommen, weil sie einen frisch geschlagenen Weihnachtsbaum aus der Region wollen. Und weil sie wissen, dass die Tannenbäume auf dem Gysi-Hof seit jeher nachhaltig produziert werden.
Weihnachtsbaum-Produktion nicht als Hauptbetriebszweig
Die Weihnachtsbaum-Produktion ist auf dem Gysi-Hof ein ergänzender, aber nicht der zentrale Betriebszweig. Joss nutzt bestehende Flächen und Arbeitsressourcen für die Weihnachtsbaum-Produktion.
Auf 30 ha betreibt Joss vor allem Futterbau, baut Urdinkel an und 10 % sind ökologische Ausgleichsfläche. Die 41 Milchkühe und die Aufzucht sind Hauptbetriebszweig des Gysi-Hofs. Mit einer Rotationskreuzung wird eine robuste und fruchtbare Kuh gezüchtet, die der Vollweidestrategie entspricht. Für den Eigenbedarf leben noch einige Hühner und Bienen rund um den Betrieb. Im biodynamischen Sinne wird auf dem Gysi-Hof ein möglichst geschlossener Kreislauf angestrebt. Durch die Kombination von Futterbau, Tierhaltung und Weihnachtsbaum-Produktion ergänzt sich vieles sinnvoll.
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Wären Weihnachtsbäume auch etwas für meinen Betrieb?
Die Weihnachtbaumproduktion fügt sich gut in die Arbeitsabläufe des Gysi-Hofs ein. Auch wenn es im Sommer und Winter Arbeitsspitzen gibt, gehen die verschiedenen Arbeiten oft gut aneinander vorbei.
Auch war bei der Übernahme des Betriebs von ihrem Vater schon viel Infrastruktur vorhanden. So auch die Umzäunung der Baumplantage. Aus Schutz vor Wildverbiss ist dieser unabdingbar und mit Investitionen verbunden. Joss würde Betrieben, die sich überlegen, auch in die Weihnachtsbaum-Produktion einzusteigen, Folgendes empfehlen:
- Es braucht genügend Arbeitskapazität für die wiederkehrenden Arbeiten in der Plantage.
- Freude an körperlicher Handarbeit, denn beim kleinen Betriebszweig wird viel von Hand erledigt.
- Es braucht viel Zeit und Geduld. Daher muss langfristig geplant werden können.
- Zu bedenken ist, dass die Kultur in den ersten fünf Jahren keinen Ertrag abwirft. Das muss ebenfalls in die Planung miteinbezogen werden.
- Marketing und Kundenbetreuung dürfen ebenfalls nicht vernachlässigt werden.
Mit Geduld und Leidenschaft für die Weihnachtsbaum-Tradition
Die Weihnachtsbaum-Produktion erfordert Geduld und sorgfältige Planung, wie der Gysi-Hof zeigt. Vom Setzling bis zum fertigen Baum steckt hinter jedem Schritt viel Arbeit. Durch Verzicht auf Chemie und wenig Düngung bleibt die Produktion umweltfreundlich. Trotz Herausforderungen überwiegt die Freude, frische, regionale Bäume direkt zu verkaufen. Jeder Baum erzählt so die Geschichte einer sorgfältigen und regionalen Produktion.
Betriebsspiegel Gysi-Hof
Rahel Joss, Gysenstein BE
LN: 31 ha
Kulturen: Futterbau, Urdinkel, Weihnachtsbäume, Wald
Tierbestand: 41 Milchkühe und Aufzucht, Hühner und Bienen als Hobby
Weitere Betriebszweige: 1,5 ha Weihnachtsbäume
Arbeitskräfte: Vater (70 %), Mitarbeiterin (50 %)
www.gysihof.ch
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Woher kommt die Weihnachtsbaum-Tradition?
Die Tradition des Weihnachtsbaums hat eine lange Geschichte, die sowohl heidnische als auch christliche Einflüsse vereint. Ursprünglich als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit in der Winterzeit verehrt, wurde der Brauch später von christlichen Familien adaptiert und mit neuen Bedeutungen aufgeladen.
Heidnischer Ursprung
Die Tradition des Weihnachtsbaums hat ihre Wurzeln wahrscheinlich in heidnischen Bräuchen, bei denen immergrüne Pflanzen während der Wintersonnenwende als Symbole für Leben und Fruchtbarkeit galten. Im alten Rom schmückten die Menschen ihre Häuser mit Tannenzweigen, um den Winter zu vertreiben und die Rückkehr des Frühlings zu feiern.
Christliche Adaption
Diese Bräuche wurden wohl im 16. Jahrhundert von christlichen Familien im deutschsprachigen Raum übernommen und angepasst. Der Baum begann nun, als Symbol des Paradieses und des ewigen Lebens zu gelten. Die immergrünen Zweige erinnerten an das Leben, das auch im Winter fortbesteht, und die Kerzen darauf wurden als Zeichen des göttlichen Lichts in der Dunkelheit der Winterzeit verstanden – eine Erinnerung an die Geburt Jesu Christi als das «Licht der Welt».
Quelle: Norddeutscher Rundfunk (NDR 2024), Weihnachtsbaum: So wurde die geschmückte Tanne zur Tradition