Kurz & bündig
- Trifft man den optimalen Erntezeitpunkt nicht, so kann das Ertrags- und Qualitätspotenzial der Maissorte nicht vollständig ausgeschöpft werden.
- Egal, ob Fingernageltest, Beurteilungsblatt oder Backofen: Hauptsache, man geht frühzeitig ins Feld, um den optimalen Erntezeitpunkt vom Silomais abzuschätzen.
- Bei warmen und trockenen Wetterbedingungen kann der Mais pro Woche um bis zu fünf Prozent TS zulegen.
Die Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes vom Silomais ist eine Gratwanderung zwischen Sickersaftverlust, Verdaulichkeit und Schmackhaftigkeit. In der Praxis ist es nicht immer einfach, den theoretisch optimalen TS-Gehalt (Trockensubstanzgehalt) für die Ernte zu erwischen, zumal diverse Faktoren wie das Wetter, die Verfügbarkeit des Lohnunternehmers und die Lagerungstechnik Einfluss nehmen.
Mike Bauert, Berater bei UFA-Samen, erklärt, wie das Mais-Reifestadium bestimmt werden kann und worauf bei der Bestimmung des Erntezeitpunktes zu achten ist.
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Häufig wird aus Angst vor Sickersaft zu lange mit der Ernte gewartet
Der theoretisch optimale TS-Bereich für die Ernte liegt gemäss Mike Bauert zwischen 34 und 36 Prozent. Wird der Mais zu früh geerntet, ist zwar die Verdaulichkeit und Schmackhaftigkeit der Silage besser, dafür ist das Risiko für Sickersaftverlust hoch. Je reifer der Mais ist, desto härter und glasiger wird die Stärke im Maiskorn und trockener der Stängel. Der Faseranteil im Stängel nimmt zu und der Zuckergehalt ab. Dadurch sinken die Verdaulichkeit und die Schmackhaftigkeit der Maissilage. Dafür entsteht kein Sickersaft mehr.
«In der Praxis den optimalen Erntezeitpunkt zu treffen, ist schwierig, aber wichtig. Im Januar machen wir uns viele Gedanken über die Wahl der perfekten Maissorte, und später bei der Ernte wird oft der optimale Zeitpunkt versäumt», mahnt Bauert. Wird der optimale Erntezeitpunkt nicht erwischt, kann das Ertrags- und Qualitätspotenzial der Maissorte nicht vollständig ausgeschöpft werden.
Ausserdem verschiebt sich mit zunehmender Reife der Anteil an pansenverdaulicher Stärke hin zu einem höheren Anteil an Bypass-Stärke, die im Dünndarm verdaut wird. Je härter und glasiger die Stärke im Korn ist, desto länger muss die Silage gelagert werden. Zahnmaissorten haben die weichere Stärke, die schneller verfügbar ist, während bei Hartmaissorten das Korn eher glasig ist und länger gelagert werden sollte.
«Viele Landwirte warten tendenziell etwas zu lange, aus Angst vor dem Sickersaftverlust», erzählt Bauert. Die theoretisch beste Verdaulichkeit und Schmackhaftigkeit der Maissilage liege im TS-Bereich von 34 bis 36 Prozent.
Trotzdem müssen diverse Faktoren berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Lagerungstechnik. Betriebe mit einem Harvestore-Silo mit Untenentnahmefräse sollten eher bis 38 Prozent TS warten. Betriebe mit Fahr- oder Hochsilo können auch feuchter einsilieren.
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Pro Woche kann der Mais bis zu 5 % an Trockensubstanz zulegen
Den exakten Erntezeitraum zu erwischen, ist eine Challenge. Deshalb sollten LandwirtInnen frühzeitig ins Feld gehen und TS-Proben nehmen, um den Erntezeitpunkt abzuschätzen. «Ab Ende August sollten Landwirte regelmässige Feldkontrollen durchführen. Häufig unterschätzen wir, wie schnell der Mais abreifen kann. An warmen Tag kann der Mais in einer Woche bis zu fünf Prozent TS zulegen», erklärt Bauert.
Zur Bestimmung des Erntezeitpunktes gibt es verschiedene Methoden. Das Wichtigste bei allen Methoden ist, sowohl beim Kolben als auch beim Stängel den TS-Gehalt zu messen bzw. zu schätzen. Nur so kann der TS-Gehalt der ganzen Pflanze bestimmt werden.
Eine ziemlich genaue Methode ist das Schätzen der TS anhand des Merkblattes «Bestimmen der optimalen Silomaisreife» (siehe Link am Ende des Artikels). Diese Methode kann direkt auf dem Feld angewendet werden. Zuerst soll der Anteil des Kolbens an der ganzen Pflanze geschätzt werden. Dieser kann bei 40, 50 oder 60 Prozent liegen. «Der Kolbenanteil liegt vielfach bei 50 Prozent», erklärt Mike Bauert.
«Der Landwirt sollte jetzt ins Feld gehen, um den Erntezeitpunkt abschätzen zu können.»
Mike Bauert, Berater UFA-Samen
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Danach wird ein Maisstängel abgeschnitten, gedreht und stark ausgewrungen. Folgende Anzeichen geben Auskunft über den TS-Gehalt:
- 21 % = Saft fliesst aus dem Stängel
- 24 % = Der Stängel ist noch feucht
- 27 % = Fast keine Feuchtigkeit mehr
«Bei 24 Prozent TS im Stängel bekommt man noch feuchte Hände beim Auswringen – ähnlich wie bei der Feuchteprobe von Grassilage», ergänzt Bauert.
Zum Schluss wird der TS-Gehalt des Kolbens geschätzt. Dazu wird der Maiskolben halbiert und ein Maiskorn der Länge nach aufgeschnitten. Die Lage der Milchlinie gibt Auskunft über die Reife des Korns (siehe Grafik «Reifestadien des Maiskorns»). Das untere Drittel des Korns darf noch milchig sein, aber nicht mehr spritzen, während der obere Teil hart sein sollte. Aus dem geschätzten TS-Gehalt von Korn und Stängel kann dann anhand der Tabelle der Erntezeitpunkt abgelesen werden.
Sofern der Kolbenanteil etwa 50 Prozent der Gesamtmasse ausmacht, kann man auch die TS-Gehalte von Stängel und Kolben addieren und durch zwei teilen. Dann erhält man eine ungefähre TS-Angabe.
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Fingernagel, Mikrowelle: Viele Wege führen zum Erntezeitpunkt
Alternativ zur obigen Methode kann auch der Fingernageltest angewendet werden. Wenn das Korn noch spritzt, wenn man es mit dem Fingernagel ritzen will, dann ist es noch viel zu feucht. Optimal ist, wenn man das Korn mit dem Fingernagel gerade noch ritzen kann, ohne dass es spritzt. Kann man es nicht mehr ritzen, ist das Korn zu hart. «Mit dem Fingernageltest am Kolben hat man bereits die halbe Wahrheit», meint Bauert. Dann kann mit der Auswringprobe noch die Reife des Stängels bestimmt werden.
Wer den TS genauer messen will, kann auch den Backofen oder die Mikrowelle zu Hilfe nehmen. Mike Bauert empfiehlt bei dieser Methode, einen Maisstängel mit dem Kolben mithilfe einer Gartenschere in kleine Stücke zu schneiden. Davon können 100 Gramm abgewogen und in einer Mikrowelle oder dem Backofen getrocknet werden, dies bei einer Temperatur von ungefähr 100 Grad. Sobald die Masse «chräschlet», ist sie trocken genug und kann zurückgewogen werden. Bleiben von den 100 Gramm noch 35 Gramm übrig, beträgt der TS-Gehalt 35 Prozent.
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Achtung: Stay-Green-Mais bleibt grün und wird trotzdem reif
Mittlerweile gibt es einige Sorten im Angebot mit dem Stay-Green-Effekt. Dabei bleibt die Pflanze bis zur Reife grün, was den Erntezeitpunkt beeinflussen kann. «Man darf sich optisch nicht vom Stay-Green täuschen lassen», mahnt Bauert. Früher galt der Mais in der Regel als reif, sobald sich die unteren vier Blätter langsam gelb verfärbten. Bei Stay-Green-Sorten trifft das nicht mehr zu. Der Kolben und der Stängel reifen trotz der noch grünen Farbe ab. Wartet man zu lange, wird die Stärke im Kolben glasig und die Verdaulichkeit von Stängel und Blättern nimmt ab.
Die Verdaulichkeit der Restpflanze von Stay-Green-Sorten bleibt aber tendenziell länger gut als die von schnell abreifenden Sorten. Nebst der Restpflanzenverdaulichkeit ist auch der Korntyp entscheidend für die Verdaulichkeit. Hartmais verfügt über einen grösseren Anteil an glasiger Stärke, welche weniger gut aufgeschlossen werden kann als Zahnmais, der mehr mehlige Stärke beinhaltet. Mittlerweile gibt es auch viele Zwischentypen – Kreuzungen aus Hart- und Zahnmaissorten.
Der Korntyp hat daher einen wesentlichen Einfluss auf die Silierbarkeit. Bei einer kurzen Silierdauer von knapp zwei Monaten kann beim Zahnmais aufgrund der weicheren Kornhülle mehr Stärke gelöst werden als in derselben Zeit beim Hartmais oder beim Zwischentyp. Mike Bauert empfiehlt daher, wenn Landwirte zwei verschiedene Sorten mit verschiedenem Korntyp anbauen, so zu ernten, dass zuerst der Zahnmais und zum Schluss der Hartmais verfüttert werden kann.
Die Wärmesumme gibt auch Auskunft zur Reife
Eine weitere Methode zur Berechnung der Maisreife basiert auf der Wärmesumme. Dazu gibt es ein Tool von Agroscope (siehe Link am Ende des Artikels), mit welchem anhand des Saatzeitpunktes und des tagesaktuellen Datums sowie der nächstgelegenen Wetterstation die aktuelle Wärmesumme ermittelt werden kann. Folgende Wärmesummen sind nötig für 35 Prozent TS je nach Sortentyp:
- Frühreife Sorten: 1380 bis 1400 Grad
- Mittelfrüh: 1460 bis 1480 Grad
- Mittelspät: 1570 Grad
«Vergangenes Jahr brauchte es mehr Geduld für die Ernte. Ich habe unterschätzt, wie viel Wasser der Stängel speichern kann. Der Kolben war bereits reif, aber der Stängel noch nicht ganz», erinnert sich Mike Bauert. Dieses Jahr könnte der Mais gleichmässiger abreifen. Deshalb sollte man frühzeitig im Feld das Reifestadium abschätzen, um die Ernte rechtzeitig planen zu können.
Merkblatt zur Bestimmung der Silomaisreife
www.diegruene.ch/maisreife-bestimmen
Link zum Reifebestimmungstool von Silomais von Agroscope:
www.diegruene.ch/silomaisreife