Kurz & bündig
- Der Baumwollkapselwurm verursacht den grössten Schaden in den letzten Larvenstadien und befällt über 200 Pflanzenarten.
- Für den Pflanzenschutz von Bohnen und Erbsen mit Hülsen wurde eine Notzulassung für ein Insektizid mit dem Wirkstoff Chlorantraniliprol befristet bis September 2024 erteilt.
- Eine frühere Ernte bei Bohnen kann den Schaden in Grenzen halten, damit sinkt jedoch auch der Ertrag.
Die Baumwollkapseleule Helicoverpa armigera ist ein Schmetterling aus der Familie der Nachtfalter. Sie stammt ursprünglich aus den Tropen. Durch die Klimaerwärmung kommt der Wanderfalter, welcher über Distanzen von bis zu 1000 Kilometern fliegen kann, heute bis zu uns. Der Falter ist mittlerweile in der ganzen Schweiz verbreitet und fliegt jeweils ab Juni oder Juli in die Kulturen ein.
Bei der Baumwollkapseleule handelt es sich um einen orange-braunen (Weibchen) oder grünlich-grauen (Männchen) Falter mit zwei hellen Punkten im dunklen Bereich der Hinterflügel. Die Falter werden bis zu vier Zentimeter gross und legen innerhalb von drei Wochen bis zu 3000 Eier auf die Blätter der Wirtspflanzen. Aus den Eiern schlüpfen Larven, welche zuerst die Blätter fressen. Die Larven, auch Baumwollkapselwurm genannt, werden bis zu vier Zentimeter lang. Bereits ab dem zweiten Larvenstadium befallen sie auch die Früchte und Hülsen. Am Ende kehren sie zurück in den Boden, um sich zu verpuppen. Eine Überwinterung ist in der Schweiz im Freiland wegen des winterlichen Kälteeinbruchs nicht möglich. Ob einzelne Individuen in Gewächshäusern überwintern, ist bis jetzt ungeklärt.
Vor allem Gemüse und Bohnen sind vom Schädling betroffen
In der Schweiz betrifft der Schädling vor allem die Gemüse-, Mais- und Kichererbsenproduzenten. Er befällt besonders Tomaten, Peperoni, Süssmais, Krautstiel, Erbsen, Salate, Kichererbsen und Bohnen. «Grundsätzlich sind fast alle Gemüsesorten während der gefrässigen Periode des Baumwollkapselwurms betroffen», erzählt Claudio Bertocco, Feldbesichtiger der Bohnenzentrale Kerzers.
Letztes Jahr gab es Bohnenproduzenten, die einen Ertragsausfall von bis zu 100 Prozent hatten. In der Bohnenzentrale in Kerzers wurden Posten mit bis zu 20 Prozent Schaden sortiert. Dies war nur mit einem enormen zusätzlichen Personalaufwand und einer eingeschränkten Sortierleistung möglich. Denn die optische Sortiermaschine erkennt die frischen Frassschäden wegen der hohen Anzahl nur bedingt.
Der Schaden ist gravierend: Typische Schadsymptome sind Bohrlöcher und Frassgänge in den Knospen, Blüten und Früchten. Es kommt zu einer Verunreinigung durch Kotkrümel des Wurms und Fäulnis durch zweite Schaderreger; dies können Bakterien oder Pilze sein.
Wirtsspektrum
Der Baumwollkapselwurm hat über 200 Wirtspflanzen aus über 40 verschiedenen Familien:
Gemüse: Tomaten, Bohnen, Peperoni, Gurken, Auberginen, Kohl
Ackerfrüchte: Mais, Baumwolle, Sorghum, Kichererbsen, Soja, Weizen, Gerste, Sonnenblumen, Tabak, Kartoffeln, Raps
Früchte: Steinobst, Zitrusfrüchte
Zierpflanzen: Chrysanthemen, Pelargonien, Nelken
Die Landwirte müssen den ganzen Schaden selbst tragen
Thomas Wyssa ist Gemüseproduzent aus Galmiz FR. Er wurde 2023 zum ersten Mal mit der Baumwollkapseleule konfrontiert. Nebst dem Anbau von verschiedenen Gemüsesorten baut er im Vully-Gebiet auf rund zwölf Hektaren Bohnen an. Er selbst sagt, dass er Glück gehabt habe. Mit einer Ertragsreduktion von 25 bis 30 Prozent traf es ihn nicht so hart wie andere Produzenten. Trotzdem bedeutete dies einen Ausfall von 20 bis 30 Tonnen Bohnen, welche er nicht verkaufen konnte.
«Es gibt keine Versicherung, die solche Schäden übernimmt», erklärt Thomas Wyssa. Die Ertragseinbussen gehen voll zulasten der Produzenten. Nebst den Bohnen war die Baumwollkapseleule bei ihm auch vereinzelt in den Gewächshäusern zu sehen. Der Schaden dort sei aber nicht vergleichbar mit jenem der Bohnen.
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Was kann man gegen den Schädling unternehmen?
Agroscope hat seit dem Jahr 2017 eine Pheromonfalle im Mittelland aufgestellt. Es zeigte sich, dass besonders im Frühherbst die meisten Falter aktiv waren. In den letzten zwei Jahren nahmen die Einflüge der Falter sehr stark zu.
Um die Schäden der Baumwollkapseleule zu vermindern, wurde Anfang April 2024 eine Notzulassung für ein Insektizid mit dem Wirkstoff Chlorantraniliprol für Bohnen und Erbsen mit Hülsen zugelassen. Dieses Insektizid wird in den Nachbarländern bereits mit ziemlich gutem Erfolg für die Bekämpfung des Baumwollkapselwurms eingesetzt. Um eine effektive Bekämpfung vorzunehmen, muss das Insektizid so früh wie möglich ausgebracht werden: Also bereits dann, wenn die ersten Larven sichtbar sind.
Für die biologische Bekämpfung bekam das Pflanzenschutzmittel Helicovex (Wirkstoff Helicoverpa armigera nucleopolyhedrovirus) im Mai 2024 eine befristete Notfallzulassung bis zum 30. September 2024. Helicovex ist in der Schweiz bereits für den Einsatz bei Tomaten zugelassen. Neu ist es innerhalb der Notfallzulassung für den Einsatz in Kichererbsen, Mais und Zuckermais zugelassen.
Beim Mittel handelt es sich um ein spezifisch wirkendes Insektenvirus, das nur den Baumwollkapselwurm bekämpfen kann. Das Mittel muss deshalb direkt vor und während der Schlüpfperiode der Larven ausgebracht werden. Pro Schädlingsgeneration bedarf es 3 Behandlungen.
«Es gibt keine Versicherung, die solche Schäden übernimmt.»
Thomas Wyssa, Gemüseproduzent
Eine Schädlingseindämmung mithilfe von Trichogramma-Schlupfwespen stellt sich als eher schwierig dar. «Der Wirkungsgrad ist deutlich kleiner als beim Maiszünsler. Zusätzlich stellt der richtige Zeitpunkt eine Herausforderung dar, da der Zuflug stetig ist und stärker vom Kulturstadium abhängig ist als vom Schädling», erklärt Delia Schenk von Andermatt Biocontrol.
Aus Sicht der Produktion ist es wünschenswert, dass die Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmittel vereinfacht werden. Um weiterhin qualitativ hochwertige Schweizer Produkte produzieren zu können, ist es aus Produzentensicht nötig, die gleichen Möglichkeiten des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu haben wie die angrenzenden Länder.
Agroscope will den Schädling im Auge behalten
Der Zuflug der Baumwollkapseleule ist aufgrund der immer wärmeren Sommer unvermeidbar. Agroscope hat für 2024 eine Intensivierung des Monitorings geplant. Mit einem Netz von Pheromonfallen will Agroscope den Einflug der Baumwollkapseleulen frühzeitig erfassen sowie regelmässige Kulturkontrollen durchführen.
Denn nur mit einer frühzeitigen Bekämpfung lassen sich die Schäden und der Schädling im Rahmen halten.
Betriebsspiegel Wyssa Gemüse
Thomas und Christoph Wyssa, Galmiz FR
LN: 25 Hektaren
Kulturen: 12 ha Bohnen, diverse Freilandgemüse, 3 ha gedeckt
Weitere Betriebszweige: Hydrosalat
Arbeitskräfte: 85 Angestellte
www.wyssa-gemuese.ch