Das Fallobst von Hochstamm-Bäumen auf dem eigenen Betrieb zu verarbeiten und zu vermarkten, kann eine wirtschaftlich reizvolle Nische sein. Das «Geheimnis» dafür ist gesundes und reifes Obst – sowie eine Mischung verschiedener Apfelsorten.

Die Obsternte begann 2020 zehn Tage früher als sonst

Trotz einem erheblichen Kälteeinbruch im Frühjahr 2020 und wenigen Niederschlägen danach haben sich die Wetterverhältnisse zugunsten des Obstes entwickelt.

Deshalb geht der Schweizerische Obstverband SOV von einer zehn Tage früher einsetzenden Ernte aus. Dies bestätigt auch Thomas Hunkeler in Altishofen LU, der 2020 zwei Wochen früher als üblich sein Obst zu pressen beginnt – mit einer kleinen Besonderheit.

In der Schweiz werden dieses Jahr, gemäss Ernteschätzung des Obstverbandes 71'493 Tonnen Mostäpfel und 7683 Tonnen Mostbirnen erwartet. Sogar eine Übernahme eines gewissen Anteils des Tafelobstes ist notwendig, um den Markt zu entlasten.

Das Obst selber pressen lohnt sich für Landwirt Thomas Hunkeler

Doch was passiert mit dem Obst, welches reif vom Baum fällt und auf der Wiese im Obstgarten oder in der Obstanlage liegen bleibt? Es existieren Ideen, um auch das sogenannte Fallobst auf innovative Weise zu verwerten und daraus eine gute Wertschöpfung zu generieren.

Süss, reif, fruchtig, typisch herbstlich steigt der Duft der frischgepressten Gravensteiner Äpfel in die Nase, als «die grüne» Thomas Hunkeler auf seinem Betrieb im luzernischen Altishofen besucht. Obwohl die Schweineaufzucht sein Hauptbetriebszweig ist, hat er die teils noch von seinem Vater stammenden Obstbäume behalten.

Vielerlei Obstsorten, von der Sorte Berner Rosen über Gravensteiner bis Boskoop sind hier zu finden, schwer behangen mit der Ernte des Jahres. Thomas Hunkeler liefert das Obst jedoch nicht mehr an die verarbeitende Industrie ab, sondern presst den Apfelsaft und Birnensaft für den Eigengebrauch und für die Direktvermarktung. Der Grund hierfür sei vor allem der tiefe Preis pro Dezitonne geliefertes Obst.

Das Geheimnis hinter einem guten Most ist die Mischung

Eine Korbpresse demonstriert den Vorgang: Der Apfelduft wird intensiver und schliesslich plätschert der goldgelbe Apfelsaft in ein Behältnis. Das Resultat ist köstlich.

«Wenn wir gross auflesen, hilft die ganze Familie mit», erklärt Thomas Hunkeler. Da sei auch etwas Nostalgie dahinter. Die gesamte Auflese ist Handarbeit. Dies hat seinen Grund, denn das gefallene Obst muss so schnell wie möglich verarbeitet werden, um gefaulten Früchten und unangenehmen Geschmacksnoten im Most vorzubeugen.

«Das Haupt-Qualitätskriterium ist gesundes und reifes Obst», erklärt der Landwirt weiter. Zudem sei die Mischung von verschiedenen Apfelsorten wichtig, was das Geheimnis hinter einem guten Most sei.

Obst von Hand auflesen ist effizienter als die Arbeit mit der Maschine

Wenn er von Hand aufliest, hat er vor dem Pressen weniger Aufwand, das Obst noch einmal zu sortieren. Hilft die ganze Familie mit und wird von Anfang bis Mitte Oktober das Obst von den Bäumen geschüttelt, verwendet Thomas Hunkeler eine Bandpresse, um grössere Saftmengen auf einmal produzieren zu können. Der Saft wird zudem pasteurisiert und in einem Verkaufsautomaten angeboten.

Eine Auflese-Maschine lohne sich nicht, wenn man eine sehr hohe Obstqualität in Kleinmengen anstrebe, erklärt Thomas Hunkeler an. Das Obst würde durch das Aufleseverfahren (Metallstifte) teils beschädigt und es bedürfe nach der Auflese trotzdem zwei bis drei Personen, die das Obst nochmals verlesen, um beschädigte Früchte herauszunehmen. Deshalb sei die Auflese von Hand viel effizienter.

Sauber gemähte Wiesen erleichtern das Obst auflesen

Dies bestätigt auch der Landschaftsarchitekt Roger Hodel, der zusammen mit Thomas Hunkeler 2012 das Projekt Hochgenuss Natur gestartet hat. Er geht regelmässig bei diversen Landwirten vorbei, um das gefallene Obst von Hand aufzulesen. «Gehe ich alleine das Obst auflesen, kann ich reifes und sauberes Obst sammeln», erklärt Hodel. Seine Frau ist für das Mosten zuständig. «Zu Anfang waren die Landwirte skeptisch», erzählt Roger Hodel.

Doch jetzt seien die Wiesen immer vorbereitet und gemäht, was die Auflese erheblich erleichtert, berichtet Roger Hofel weiter. Teils stellen die Landwirte auch einfach die Harassen mit dem gesammelten Obst hin.

Was zudem wichtig ist: Die Bezahlung der Landwirte, die das gefallene und aufgesammelte Obst abgeben. «Sie wissen, dass ich regelmässig einen guten Preis pro Kilo Fallobst zahle», erklärt Roger Hodel.

Für ihren Einsatz für den Erhalt der Hochstamm-Obstbäume wurden Susanne und Roger Hodel im April 2020 von der gemeinnützigen Albert Koechlin Stiftung aus Luzern mit dem Umweltpreis 2020 ausgezeichnet.

 

Das Projekt Hochgenuss Natur

Die Familien Hodel und Hunkeler haben sich 2012 zusammengetan, um gemeinsam die Hochgenuss-Säfte zu pressen.

Im Jahr 2018 stieg die Familie Hunkeler aus, um sich vermehrt wieder der eigenen Hof-Aktivitäten zuzuwenden. Unter anderem der Schweinezucht und einer Biogas-Anlage.

Seither beschäftigen sich Roger und Susanne Hodel selbst mit dem Pressen der sortenreinen Säfte. Auch Wildfrüchte wie Mispeln, Kornel-Kirschen oder Wacholder finden ihren Weg zu den Konsumenten.

Anzutreffen ist Hochgenuss Natur an Pro Specie Rara-Märkten und andern Spezial-Märkten.

Hochgenuss Natur

 

Kreative Verwendungsmöglichkeiten für Fallobst

Aus den Birnen und Äpfeln produziert die Familie Hodel zudem auch Dicksäfte. Die Birnen finden Verwendung in Birnenweggen. An Kreativität zu weiteren Verwendungsmöglichkeiten mangelt es nicht.

Sortenreine Apfelsäfte sind eine der Spezialitäten, die Hochgenuss Natur anbietet. Aber auch der «Hundertsorten-Saft» erzählt von der enormen Apfelsortenvielfalt, die hierzulande noch zu finden ist. Darin stecken die Apfelsorten Berlepsch, Berner Rosen, Blauacher, Bohnapfel, Boskoop, Chüsenrainer, Florina, Goldparmäne, Glockenapfel, Gravensteiner, Jonathan, Kasseler Renette, Oldenburg, Otava, Portugisische Lederrenette, Prinzenapfel und mindestens 84 weitere Sorten. Der Name ist also nicht übertrieben.

Schweizweit müssen sich die obstverarbeitenden Betriebe keine Sorgen machen. Mostobst ist genügend vorhanden. Die Mosterei Möhl im Thurgau verarbeitet das Obst aus der Region, wovon 80 Prozent von Hochstamm-Bäumen stammen. Auf ausländische Ware habe die Mosterei noch nie zurückgreifen müssen, erläutert Produktionsleiter Georges Möhl. Die Mosterei verarbeite «sauberes, reifes und auch gefallenes Obst», erklärt Georges Möhl weiter.

In der Verarbeitung von Fallobst liegt in kleinem Rahmen also grosses Potenzial, sei dies in den Verwendungs- oder Vermarktungs-Möglichkeiten. Doch gilt das Stichwort: «Qualität vor Quantität!».

 

Obstpressen für Äpfel und Birnen

Es gibt diverse Typen von Obstpressen:

  • Packpresse (für Kleinstmengen)
  • Korbpresse (für mittlere Mengen)
  • Bandpressen (für Grossmengen, ca. 3000 l)

Zudem gibt es Auflese-Maschinen, die das Fallobstauflesen erleichtern. Sie stechen z.B. mit Metallstiften das Obst an und sammeln es in einem Behältnis. Oder das Obst wird mit Rollen aufgehoben.
Allerdings haben Auflese-Maschinen den Nachteil, dass relativ viele Personen zum Nach-Auslesen benötigt werden.