Kurz & bündig

- Beim Kernobst werden die Schnittarbeiten von November bis April durchgeführt.
- Beim Steinobst (Kirschen, Aprikosen, Zwetschgen) beginnen die Schnittmassnahmen bereits nach der Ernte.
- Bei den Hochstämmern ist der Aufbau der Oeschbergkrone aufwändig, hat sich aber bewährt.
- Bei einem fachgerecht erzogenen und korrekt geschnitten Hochstamm-Obstbaum reicht ein Schnitt alle zwei bis drei Jahre.

«Obstgehölze sind genetisch betrachtet Waldrand-Pflanzen», sagt Franco Weibel vom Ressort Spezialkulturen am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. «Deshalb wollen die Pflanzen ans Licht wachsen – wo es Schatten hat, dort verkahlen die Äste und tragen keine Früchte.» Ohne regelmässigen Schnitt, der Licht bis in die Kronenmitte von Obstbäumen bringt, bilden die Bäume also keine Fruchtäste mit Blütenknospen.

Hanna Waldmann ist am Inforama Oeschberg BE als Lehrerin und Beraterin für Obstbau tätig. Sie ergänzt, dass gerade bei jüngeren Bäumen Formierarbeiten («Baumerziehung») den Schnitt ergänzen soll.

Ausgeführt werden die Schnittarbeiten beim Kernobst (Apfel, Birne, Quitte) grundsätzlich im Winter, also von November bis April. Etwas anders ist es beim Steinobst (Kirschen, Aprikosen, Zwetschgen), dort beginnen die Schnittmassnahmen bereits nach der Ernte. Bei Hochstamm-Kirschbäumen empfiehlt Weibel den klassischen Winterschnitt.

Kirschbäume in Anlagen brauchen einen Sommerschnitt

In Steinobst-Anlagen sind sich Franco Weibel mit Hanna Waldmann einig, dass der Sommerschnitt nach der Ernte bis Mitte September zur Erhöhung des Lichteinfalls eigentlich obligatorisch für einen guten Ertrag im nächsten Jahr sei. Denn Kirschbäume tragen die schönsten Früchte an jungen, zwei- bis dreijährigen Trieben.

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Bekommen diese jungen Äste nicht genügend Licht, verkahlen oder verdorren sie und bilden folglich keine oder nur schwache Blütenknospen aus. Zudem können Steinobstbäume, die sehr stark gewachsen sind, durch den Sommerschnitt im Wachstum gebremst werden.

Beim Sommerschnitt – er kann auch maschinell erfolgen – gilt es mit wenigen groben Schnitten die obersten oder starke seitliche Baumpartien so freizuschneiden, dass wieder Licht ins Bauminnere kommt.

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«Bei jüngeren Bäumen sollten Formierarbeiten den Schnittt ergänzen.»

Hanna Waldmann, Inforama

 

Mit dem Sommerschnitt kann auch der beim Steinobst häufig verursachte «Harzfluss» (Pseudomonas-Bakterium) verringert werden, weil dann die Wundheilung viel schneller abläuft. Der Schnitt nach der Ernte (August/September) ist besonders bei stark wachsenden oder älteren Kirschbäumen wichtig. So werden die Bäume, die durch den Schnitt eine kleinere Assimilationsfläche haben, im kommenden Jahr weniger stark austreiben.

Franco Weibel weist darauf hin, dass es «hohe Schule» sei, langjährig gut tragende Kirschbäume zu erzielen. «Das erfordert eine gute Ausbildung und Beobachtungsgabe.»

Bei den Hochstämmer bewährt sich die Oeschbergkrone

Bei den Hochstämmern ist der Aufbau der traditionellen Rundkrone – Oeschbergkrone genannt – aufwändig. Der korrekte Aufbau einer tragfähigen Krone dauert rund 6 bis 15 Jahre, bei guter Pflege haben Hochstamm-Feldobstbäume dafür eine Lebenserwartung zwischen 50 und 100 Jahren.

Eine Oeschbergkrone besteht aus einem Mitteltrieb und bis zu vier Leitästen. An diesen Gerüst-Elementen werden dann die Fruchtäste mit dem Fruchtholz gezogen.

Weibel beschreibt die Oeschbergkrone in den «Schnittregeln» als fünf kleinere Bäume, die auf einem Stamm sitzen. Der Vorteil des Systems: Die Früchte der Hochstammbäume sind auf einer gewissen Höhe, auf der sie von weidenden Tieren nicht gefressen werden können und weder Maschinen noch Geräte stören. Beim Schnitt gibt es mehrere Phasen:

  • Pflanzschnitt im 1. Standjahr, erfolgt im späteren Frühjahr
  • Aufbauschnitt 2. Jahr
  • jährlicher Aufbauschnitt bis Beginn Vollertrag
  • Pflegeschnitt im Vollertrag

In der Ertragsphase soll der Schnitt die Fruchtqualität durch verbessern durch:

  • Gute Belichtung der Früchte
  • Jährlich gute Erträge bzw. Alternanz vorzubeugen (v.a. beim Kernobst)
  • Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen Triebwachstum und Blütenknospenbildung.

Ist der Hochstamm-Obstbaum fachgerecht erzogen und korrekt geschnitten, reicht gemäss Hanna Waldmann ein Schnitt alle zwei bis drei Jahre. Franco Weibel rät beim Steinobst zum jährlichen Schnitt – das gehe bei einer gut organisierten Krone schneller, als die meisten denken würden.

Beim Winterschnitt, sei es Nieder- oder Hochstamm, sollen primär Äste entfernt werden, die weder als Gerüstholz noch als Fruchtholz dienen bzw. Zukunft haben. Erkennbar sind diese Äste zum Beispiel dadurch:

  • dass sie einen zu steilen Ansatzwinkel haben (< 40° im Steinobst, < 20° im Kernobst)
  • wenn ihr Durchmesser grösser ist als ½ des Gerüstastes, an welchem sie angewachsen sind,
  • wenn sie länger oder stärker sind oder zu nahe über den darunterliegenden Ästen wachsen

Angeschnitten wird das verbleibende – jetzt gut positionierte – Fruchtholz in der Regel nicht. Das Gerüstholz (Leitäste) kann bei Bedarf durch Anschneiden auf eine starke Knospe am Endtrieb weiter im Wachstum angeregt werden.

Selber schneiden oder einen Profi engagieren?

Vorausgesetzt, die nötige Arbeitszeit ist vorhanden, lassen sich mit Erfahrung und der richtigen Anleitung auch Hochstämmer selber schneiden. Hanna Waldmann findet es nicht nötig, dass sich jährlich ein Profi um die Bäume kümmert – unter der Voraussetzung, dass diejenigen, die Bäume schneiden, ihr Wissen regelmässig auffrischen und von einem Profi lernen.

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«Gute Baumschneider sind selbstkritisch und lesen die Bäume.»

Franco Weibel, Ebenrain

Am Ebenrain arbeiten die Kursleiter (Obstproduzenten, die Schnittanleitungen geben) nach einheitlichen, gemeinsam mit der Fachstelle erarbeiteten Schnittregeln: Franco Weibel sagt, dass der Schnitt-Stil auch unter Leuten, die regelmässig Bäume schneiden, sehr variabel sei. Um die Variabilität etwas zu glätten, hat er mit seinen Kursleitern zusammen die Baumschnitt-Regeln kreiert.

«Gute Baumschneider sind stets auch etwas selbstkritisch und gute Beobachter: Sie können einen Baum und dessen Reaktion auf vergangene Schnitte ‹lesen› und das im anzusetzenden Schnitt einbeziehen.» Sinnvoll sei, dass diese guten Baumschneider regelmässig mit Kollegen zusammen schneiden und offen diskutieren.

Die Ebenrain-Baumschnitt-Regeln kommen als einfache A4-Blätter daher. Beim Hochstamm-Obstbaum wird mit vier Regeln die Krone strukturiert, mit weiteren fünf Regeln können Fruchtäste mit gutem Ertrag und hoher Fruchtqualität erzielt werden. Beim Niederstamm-Anbau werden sogar spezifische Regeln für einzelne Sorten beschrieben.

«Das Auge schulen und Regeln verinnerlichen»

Weibel steht Schnittkursen mit Produzenten etwas kritisch gegenüber: Der Lerneffekt für einen Betrieb sei wesentlich besser, wenn die Diskussion und Instruktion über die Schnittregeln direkt auf dem Betrieb an den eigenen Bäumen erfolgt.

Am Ebenrain (und neu auch an der Liebegg im Kanton Aargau) gibt es deshalb für ProduzentInnen das Angebot des «Baumschnitt-Support auf dem eigenen Betrieb»: Betriebe haben pro Jahr zwei Schnitt-Support-Stunden im Wert von Fr. 100.– gratis mit einem Kursleiter oder einem Mitarbeiter der Fachstelle zugute. Die Kosten übernimmt der Kanton Baselland beziehungsweise im Kanton Aargau der kantonale Obstverband. Das A und O beim Obstbau sei Fachwissen und stete Weiterbildung, betonen Weibel und Waldmann. In den Kursprogrammen der landwirtschaftlichen Zentren und den die vielfältigen Weiterbildungsangebote der kantonalen Obstproduzentenverbände erhalte man einen Überblick über ein reichhaltiges Ausbildungsangebot. «Vielleicht liegt der Wunsch-Kurs in einem anderen Kanton – aber eine kurze Reise sollte ja kein Problem sein», so Weibel.

Hanna Waldmann weist ebenfalls auf die Angebote der landwirtschaftlichen Schulen hin. Die LandwirtInnen bekommen von den BeraterInnen Unterstützung im Sinne von Kursen, Weiterbildungen, Beratungen, Merkblätter, Bulletins und Arbeitskreisen. «Weiter werden in vielen Kantonen Abklärungen in eigenen Obstanlagen gemacht», ergänzt sie.

 

So lohnt sich der Betriebszweig «Obstbau»

Franco Weibel vom Ressort Spezialkulturen am Ebenrain (BL) und Hanna Waldmann, Lehrerin und Beraterin Obstbau am Informa (BE) sind sich einig: Der Einstieg in den Obstbau muss gut überlegt sein und braucht Zeit und Engagement. Denn der Aufbau von Hochstammbäumen dauert 6 bis 15 Jahre, das Anlegen einer Obstanlage mit Spindelbäumen braucht drei bis vier Jahre.

In Niederstamm- oder Hochstammanlagen müsse ein Produzent heute definitiv mehr leisten als früher, um kostendeckend zu arbeiten, sagt Franco Weibel. Er führt drei Gründe an:
1. Die Produktionsfaktoren haben sich stärker verteuert, als die Verkaufspreise gestiegen sind.
2. Die extremeren Klimabedingungen wie Frost, Hitze, Hagel, Trockenheit, neue Schaderreger usw. reduzieren die Erntesicherheit erheblich.
3. Für die aufwändigen Arbeiten wie Formierung, Schnitt, Handausdünnung, Ernte und Mäusebekämpfung fehlt Personal.

Weibel rät den Hochstamm-ProduzentInnen, die Möglichkeiten der Direktzahlungen sowie weiterer Förderprogramme (z.B. von Gemeinden oder Naturschutz) voll auszuschöpfen.

Plant jemand, eine Obstanlage zu erstellen, sei es Niederstamm oder Hochstamm, braucht es gemäss Hanna Waldmann diese Abklärungen und Überlegungen:
- Sortenwahl in Absprache mit AbnehmerInnen und je nach Verwendungszweck (z.B. Verkauf im Hofladen)
- Standortwahl: Bodenzusammensetzung, keine Flächen in der Senke wegen Frostgefahr, Ausrichtung (Nord/Süd), Wärmeansprüche, Niederschlagsverhältnisse
- Witterungsschutz: Hagelnetz, Foliendach
- Bewässerung/Frostberegnung
- Mäusebekämpfung
- Besteht bereits Lagerraum für die Früchte oder muss er errichtet/gemietet werden?
- Fachwissen aufbauen, Mechanisierung optimal nutzen

Pflege- und Erntearbeiten müssen gut geplant sei, ebenso das Personal. Hanna Waldmann sagt, dass die Ernte deutlich einfacher sei, wenn immer die gleichen Saisonarbeiter kommen, die wissen, wie es laufe und nicht eingearbeitet werden müssten.

Eine optimale Mechanisierung unterstützt das effiziente Arbeiten: Eine Hebebühne etwa fürs Schliessen der Hagelnetze und der Foliendächer, je nach dem sind Hack- und Mulchgeräte für die Bodenbearbeitung der Anlage sinnvoll. Dazu kommen Erntemaschinen für das Auflesen und Schütteln oder selbstfahrende Leiterwagen.

Pflanzenschutz wird gemäss Franco Weibel je länger je anspruchsvoller, da einerseits der Krankheits- und Schädlingsdruck wachse, andererseits aber immer weniger Pflanzenschutzmittel bewilligt sind und für die verbleibenden Produkte mehr Auflagen dazu kommen. Als Beispiel einer erst seit kurzem Sorgen bereitenden Krankheit nennt er Marssonina, eine Pilzkrankheit, die bei Apfelbäumen zu vorzeitiger Entblätterung und somit nachhaltigen Schwächung der Bäume führt. In Bio- und IP-Suisse-Bewirtschaftung sei diese schwierig zu bekämpfen.