Kurz & bündig
- Seit 2023 sind die beiden Kartoffelsorten Acoustic und Twinner auf der Sortenliste, welche eine Robustheit gegenüber Kraut- und Knollenfäule aufweisen.
- Die Branche fordert, dass der Fokus der Züchtung vermehrt auf robuste Sorten gesetzt werden sollte.
- Robuste Sorten müssen bis zu zwei Drittel weniger mit Fungizid behandelt werden als herkömmliche Sorten.
Für die Anbausaison 2023 kamen erstmals zwei Kartoffelsorten auf die Sortenliste, welche dank ihrer Robustheit gegenüber Kraut- und Knollenfäule KUK ausgewählt wurden. Nach etlichen Jahren der Entwicklung und drei Versuchsjahren im Feld unter Praxisbedingungen hat es die Speisekartoffelsorte Acoustic auf die Hauptsortenliste geschafft. Die Sorte Twinner ist auf der Nebensortenliste.
Kartoffel-Event an den Feldtagen in Kölliken
Am Freitag, 9. Juni 2023, findet um 11:30 Uhr im Event-Zelt an den Feldtagen in Kölliken ein Anlass zu den robusten Kartoffelsorten statt.
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Martin Uhlmann aus dem bernischen Seedorf hat mit diesen Sorten gute Erfahrungen gemacht. Während zweier Jahre baute er die Sorten auf seinem Betrieb in Streifenversuchen an. Er bewirtschaftet den Betrieb innerhalb der Betriebsgemeinschaft Löhr mit Ernst Bangerter zusammen. Die Versuche laufen in Zusammenarbeit mit Swisspatat, Agroscope und der HAFL, finanziell unterstützt durch das BLW.
Die Sorten Acoustic und Twinner erwiesen sich als sehr robust gegenüber KUK. Stefan Vogel von der HAFL, welcher die Versuche begleitete, konnte im nassen Jahr 2021 im Feld bei diesen beiden Sorten kaum KUK-Befall feststellen. Das, obwohl andere Sorten daneben befallen waren. «Und wenn doch einmal ein Befall festgestellt werden konnte, dann beschränkte er sich auf wenige Blattflecken, welche nicht sporulierend waren und sich somit kaum im Bestand weiterverbreitet hatten», erklärt Stefan Vogel.
Robuste Kartoffel-Sorten sind wirtschaftlich und gut fürs Image
So musste Uhlmann bei den robusten Sorten nur noch etwa ein Drittel der Fungizidbehandlungen durchführen im Vergleich zu herkömmlichen Sorten. «Mithilfe der Erfahrungen aus den Versuchen kann gesagt werden, dass die Sorten Acoustic und Twinner ohne grösseres Risiko mit 2 bis 3 Behandlungen pro Saison angebaut werden können», meint Stefan Vogel.
Videos zu KUK
Luftaufnahme Entwicklung KUK im Feld
KUK-Welke bei Kartoffelpflanze
Eine Reduktion der Fungizidbehandlungen ist nicht nur wirtschaftlich interessant, sondern auch wichtig fürs Image. «Die Vorgaben des Absenkpfades Pflanzenschutz darf nicht nur das Problem der Produzenten sein, sondern sollte das Problem der ganzen Branche sein. Wir von der Produzentenseite her setzen uns ganz klar für robustere Sorten ein», betont Martin Uhlmann, welcher auch in der Arbeitsgruppe Sortenprüfung von Swisspatat integriert ist.
Doch die Sortenentwicklung ist extrem anspruchsvoll.
Bei robusten Sorten musste ich nur noch 1/3 so viel spritzen
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Die «eierlegende Wollmilchsau» gibt es auch bei Kartoffeln nicht
Eine Sorte zu finden, welche den Ansprüchen der Industrie wie auch der Produktion entspricht, dauert lange. «Bisher wurde bei der Sortenwahl der Schwerpunkt aber zu stark nur auf die Qualität und zu wenig auf den Anbau gesetzt», meint Martin Uhlmann. «Was die Pflanze mit Resistenz-Genen gewinnt, verliert sie gewissermassen in einer anderen Eigenschaft», gibt Patrice de Werra von Agroscope zu bedenken.
Daher müssen die Gesamteigenschaften einer Sorte wie Krankheitsrobustheit, Ertragsstabilität, Wirtschaftlichkeit und Nutzungseigenschaften ausbalanciert sein. Die «eierlegende Wollmilchsau» bleibt also ein Wunschziel.
Die KUK-robuste Sorte Acoustic überzeugt nebst der Robustheit auch mit einem guten Ertragspotenzial, da sie spätreifer ist als die Sorte Twinner. Jedoch konnte Stefan Vogel in den Versuchen eine vermehrte Empfindlichkeit gegenüber Herbiziden beobachten. Daher sollte diese Sorte im Vorauflauf behandelt werden. Zudem verfügt Acoustic über eine dünne Schale, welche im Verkauf gewünscht ist, sich aber schlecht auf die Lagerfähigkeit auswirkt. So konnte nach dem Hitzesommer 2022 bei Acoustic im Lager ein deutlich früheres Auskeimen beobachtet werden.
Die Sorte Twinner hingegen ist deutlich frühreifer und weist daher ein etwas tieferes Ertragspotenzial auf. «Die Frühreife kommt ihr dafür im Hinblick auf Trockenheit zugute, da sie bereits vor der grossen Hitze Mitte Sommer reif ist», erklärt Patrice de Werra. Dafür konnte Stefan Vogel bei Twinner in begünstigten Sommern einen vermehrten Befall von Alternaria beobachten.
Trotzdem besteht grosses Potenzial für robuste Sorten.
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Die Krautfäule entwickelt sich unter der Folie
Jedes Jahr beginnt die Krautfäule-Epidemie mit ersten Befallsherden unter Folienkartoffeln, da dort die Bedingungen ideal sind. «Dies zeigte sich dieses Jahr wieder deutlich mit mehreren Befällen bei der Sorte Colomba bei Folienkartoffeln», erzählt Stefan Vogel. Diese hoch KUK-anfällige Sorte wurde 2022 auf Wunsch des Handels trotzdem auf die Sortenliste aufgenommen.
Würde man unter Folien nur KUK robuste Sorten wie z.B. die frühreife Twinner anbauen, könnte man den Epidemiebeginn deutlich nach hinten schieben. Dadurch könnten viele Behandlungen eingespart werden. «Hier muss der Handel die Verantwortung übernehmen und die Produzenten unterstützen», findet Stefan Vogel.
Industrie und Handel müssen am selben Strick ziehen
Natürlich müssen die neuen Sorten auch einen Absatz finden. Innerhalb der Branchenorganisation Swisspatat konnten die Produzenten die nachgelagerten Stufen über den Absenkpfad für Pflanzenschutzmittel sensibilisieren. Dabei konnte die Wichtigkeit von toleranten Sorten aufgezeigt werden.
Martin Uhlmann und Stefan Vogel denken, dass die Problematik jetzt auch vom Handel und der Industrie wahrgenommen wurde.
«Am Schluss bringt es der ganzen Branche nichts, wenn wir eine super Sorte bezüglich Qualität haben, diese aber zehn Mal spritzen müssen», meint Martin Uhlmann.
«Aktuell haben wir Produzenten noch genügend Wirkstoffe im Kampf gegen die KUK zur Verfügung. Doch der Absenkpfad wird Druck ausüben. Jetzt haben wir es noch in der Hand, uns selbst zu bewegen und Behandlungen zu reduzieren. Das ist wichtig. Denn sollte es so weit kommen, dass auch für den Kartoffelbau relevante Fungizide vom Bund verboten werden, wir aber mit der Sortenentwicklung noch nicht weit genug sind, dann haben wir ein Problem», gibt Martin Uhlmann zu bedenken.
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Ganz ohne Behandlung geht es bei den Kartoffeln nicht
Bei der Sortenentwicklung bezüglich KUK-Robustheit ist aber nicht das Ziel, vollständig auf Fungizidbehandlungen zu verzichten. «Bei den robusten Sorten sollten wir trotzdem zwei bis drei Fungizidbehandlungen durchführen, um bestehende Infektionen und Sporen zu bekämpfen», erklärt Patrice de Werra.
Damit werde verhindert, dass der KUK-auslösende Eipilz seinen vollen Zyklus absolvieren kann. Zudem hilft das, die Anpassung des Erregers an die pflanzeneigene Abwehr stark zu verzögern oder gar zu verhindern.
Zudem sind im Kartoffelbau aktuell immer noch zahlreiche verschiedene Wirkstoffe zur KUK-Behandlung zugelassen. Das vermindert die Selektion von resistenten KUK-Populationen. «Es ist natürlich ein Unterschied, ob wir die Kartoffeln zwei Mal oder acht Mal behandeln müssen», findet Martin Uhlmann.
Am Anfang noch vorsichtig mit weniger Behandlungen
«Der Landwirt muss sich aber zuerst an die Robustheit der neuen Sorten gewöhnen», meint Stefan Vogel. Er müsse gewillt sein, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Aber das brauche auch etwas Zeit und Erfahrung, um zu sehen, wie robust diese Sorten wirklich sind. Schliesslich ist die Krautfäule immer noch die wichtigste Kartoffelkrankheit, welche bei anfälligen Sorten im schlimmsten Fall zu Totalausfall führen kann. «Unsere Erfahrung mit den Projektbetrieben ist, dass die Landwirte anfänglich sehr vorsichtig sind und die robusten Sorten zu oft spritzen.
Mit zunehmender Erfahrung werden die Behandlungen aber immer weniger, wenn sie sehen, dass sich die Krankheit bei einem Befall von robusten Sorten nur sehr langsam weiterentwickelt.
Leider gibt es im Moment fast nur KUK-robuste Sorten für mehligkochende Speisekartoffeln. Wichtig sei daher, dass es bald auch robuste Sorten für festkochende Sorten und den Industriesektor gibt. In der Sortenprüfung der Schweiz seien aktuell verschiedene robuste Kandidatinnen dabei.
Der Landwirt muss sich zuerst an die Robustheit der neuen Sorten gewöhnen
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Die häufige Kartoffel-Sorte Agria ist schwierig zu ersetzen
Gerade die in der Schweiz am meisten angebaute Sorte Agria ist schwierig zu ersetzen. Sie kann sowohl in der Frites-Industrie aber auch als Speisekartoffel verwendet werden kann.
Im Anbau bringt die Sorte aber Schwächen mit sich, da sie anfällig auf Hohlherzigkeit und Trockenheit ist. Es wird qualitätsmässig an einem ebenbürtigen und anbaumässig robusteren Ersatz geforscht. Bislang ohne grossen Erfolg. Es gibt bereits etliche «Töchter», wobei Sorten durch Einkreuzung mit Agria weiterentwickelt wurden. Zum Beispiel die Sorten Fontane, Markies oder Lady Claire.
«Das ist allerdings für die genetische Vielfalt der in der Schweiz angebauten Kartoffeln nicht optimal. Man hat zu viel vom Agria-Genom (mit den Töchtern) in der Schweizer Kartoffel-Landschaft», bemängelt Patrice de Werra.
Ausserdem war bei der Zucht der Agria-Töchter nicht das Ziel, die Robustheit zu verbessern. Viel mehr wollte man die in der Industrie gefragten qualitativen Eigenschaften weitergeben.
Man hat zu viel vom Agria-Genom in der Schweizer Kartoffel-Landschaft
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Wo geht die Sortenentwicklung hin?
Aktuell seien 73 Sorten auf der Liste. Martin Uhlmann findet, das seien zu viele und die meisten davon anfällig auf Krankheiten. Der VSKP (Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten) ist daher bestrebt, dass die hochanfälligen Sorten von der Liste gestrichen werden.
Nebst der KUK ist auch die Trockenheitstoleranz ein Schwerpunkt der Sortenprüfung. Denn diese hat einen enormen negativen Einfluss auf den Ertrag und somit auch auf den Selbstversorgungsgrad. Daher werden auch dort Sorten mit Robustheit gegenüber Trockenheit getestet.
Die Züchtung einer Sorte kann aber bis zu 15 Jahre dauern und findet meistens in Zuchthäusern in der EU statt. Dort ist die Problematik bezüglich Pflanzenschutzmittelreduktion noch nicht so lange ein Thema, weshalb die Zucht nach robusten Sorten erst in den letzten Jahren begonnen hat. In den nächsten Jahren werden aber laufend neue robuste Sorten auf den Markt kommen.
Neue Krankheit im Anmarsch
«Seit dem letzten Jahr ist zudem der Pilz, der die Verticillium-Welke verursacht, eine neue Herausforderung», erklärt Patrice de Werra. Dieser Pilz wird durch Trockenheit- und Hitze begünstigt. Er lässt die Pflanzen vergilben und schliesslich absterben. Hier brauche es dringend mehr Wissen und Lösungen.
