Kurz & bündig

- Auf 1 ha produziert Familie Müller in Steinmaur ZH 7 Tonnen frischen Ingwer und 9 Tonnen Ingwersaft.

- Die exotische Gewürzpflanze Ingwer aus heimischem Anbau ist in der Schweiz sehr beliebt.

- Schon alleine die Beschaffung starker Mutter-Rhizome ist allerdings eine Herausforderung.

- Die Bio-Suisse-Richtlinien machen es unmöglich, die Ingwer-Rhizome hierzulande erfolgreich zu überwintern.

- Die Weiterkultur ist daher weiterhin auf Importe aus Asien und Südamerika angewiesen.

Der Ingwer-Anbau hat wirklich eingeschlagen. Das war ein grosser Wurf», berichtet Stephan Müller über seinen Erfolg im Ingwer-Anbau. Der Bio-Gemüsebauer bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau Agnes im zürcherischen Steinmaur die betriebseigenen 65 ha Freiland, 2 ha Gewächshaus und 50 Aren Hochtunnel. Auf 1 ha baut Familie Müller auch sehr erfolgreich Ingwer an. Unterdessen ist der Betrieb an den Sohn Samuel übergegangen.

Doch wie kam er überhaupt dazu, eine solch exotische Kultur im Schweizerischen Flachland zu kultivieren?

«Vor zehn Jahren war ich anlässlich der Hochzeit meiner Tochter in Portland im US-Bundesstaat Oregon unterwegs. Als wir dort einen Bauernmarkt besuchten, fiel mir der frische Ingwer auf: Dieses weiss-rosafarbene Ingwer-Rhizom mit den grünen Blättern. Ich war einfach begeistert von diesem Bild», erzählt Stephan Müller.

Seiner Tüftler-Natur entsprechend war ihm sofort klar: Wenn er wieder zurück in der Schweiz ist, versucht er sich am Ingwer-Anbau. Denn allzu sehr unterscheidet sich das milde Klima in Portland nicht vom dem in Steinmaur ZH.

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Ingwer-Pflanzmaterial ist schwierig zu beschaffen

Schwierig war nur die Beschaffung von triebfähigem Pflanzmaterial. «Aus den USA konnten wir wegen den sehr komplizierten Ausfuhrbewilligungen nichts beziehen», berichtet Müller.

Auf Ware aus dem Handel konnte der Gemüsebauer ebenfalls nur sehr eingeschränkt zurückgreifen, da der Ingwer vor dem Verkauf intensiv getrocknet wird und somit nicht mehr triebfähig ist.

Dieser Ingwer kommt zumeist per Schiffs-Container aus Asien oder Südamerika nach Europa. Während dem 30-tägigen Transport im Container darf der Ingwer nicht schimmeln, sonst wäre er nicht mehr verkaufsfähig, daher die Notwendigkeit der intensiven Trocknung.

Mittlerweile haben sich Stephan Müller und seine Söhne selbst gute Kontakte nach Asien und Südamerika aufgebaut. «Zusätzlich zur eigenen Weitervermehrung beziehen wir dort biologischen Ingwer, der nicht zu Tode getrocknet ist», erzählt der Gemüsebauer.

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Komplette eigene Weitervermehrung ist nicht möglich

Aber warum setzt Familie Müller nicht komplett auf die eigene Weitervermehrung, um von der Importware unabhängig zu sein? «Die Anforderungen von Bio Suisse, deren Zertifizierung unser Ingwer unterliegt, sind sehr hoch.»

«Wir dürfen zum Beispiel im Winter nicht heizen. Von Anfang Dezember bis Anfang März dürfen wir unsere Räume nur bis maximal 10 Grad temperieren. Das überlebt der Ingwer meist nicht.»

«Wir versuchen zwar, möglichst viele gesunde Ingwer-Rhizome ins nächste Jahr zu überwintern. Aber das geht nicht immer gut. Da hatten wir auch schon komplette Ausfälle», berichtet Müller.

Deshalb sei es notwendig, immer wieder einen gewissen Anteil der biologischen Ingwer-Rhizome zuzukaufen, die in die heimische Produktion integriert werden.

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Geschmacksunterschied zwischen den Ingwer-Typen

Der von Stephan Müller angebaute frische Ingwer unterscheidet sich stark vom getrockneten aus dem Supermarkt. Und dies nicht nur wegen der Trocknung.

Vor allem Südamerika sei für biologischen Ingwer eine gute Adresse. «Manchmal bekommt man von dort auch noch im Urwald geerntete Wildsammlungen. Das ist sehr interessant, weil die Wildsammlungen noch einmal aromatischer sind.»

Grundsätzlich unterscheide sich der asiatische Ingwer stark vom südamerikanischen Typ. Letzterer sei feiner im Aufbau der Pflanze, während der asiatische gröbere Knollen habe.

Auch im Geschmack gibt es Unterschiede: Südamerikanischer Ingwer ist fruchtiger und etwas milder. Er eignet sich gut für weiterverarbeitete Produkte wie zum Beispiel Ingwersaft.

Keine direkte Sonnenbestrahlung und mittlere Bodenfeuchte

Ob nun die asiatische oder die südamerikanische Variante: Beim Anbau des frischen Ingwers gibt es einiges zu beachten. Temperatur sei hier ein wichtiges Stichwort, so Müller. Das ideale Temperatur-Band liegt für diese Kultur zwischen 15 und 25 Grad.

Direkte Sonnenbestrahlung sollte man vermeiden. Der Ingwer gedeiht am besten in mittelschweren Böden bei mittlerer Bodenfeuchte. «Wenn man in die Erde greift, sollte diese erdfeucht sein. Es darf nicht kleben, aber auch nicht trocken rieseln», erklärt Stephan Müller.

Ingwer ist eine langsam wachsende Kultur und er ist ein schlechter Bodendecker. Da kommt eine Menge Unkraut nicht überraschend und man müsse sich der Jätarbeit durchaus bewusst sein, so Müller. Auch zwischendurch zu mulchen oder mit einer Vlies-Abdeckung zu arbeiten, ist beim Ingwer-Anbau sehr wichtig.

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Aktuell wächst Ingwer in der Schweiz noch nicht im Freiland

Wenn sich das Klima weiter erwärme, könne man den Ingwer eventuell in fünf bis zehn Jahren auch im Freiland anbauen. «Aktuell ist das aber noch nicht möglich.»

«Eine erfolgreiche Kultivierung gelingt bislang nur im geschützten Anbau im Folientunnel. Unter der Folie wird der Lichteinfall um 40 Prozent abgeschwächt. Im Glashaus ist das einfallende Sonnenlicht zu hart ist. Tomaten mögen das, für den Ingwer ist es aber zu hell», erklärt Stephan Müller. Was die Erntemenge betrifft, kann man sich am Faktor 1:3 bis 1:4 orientieren. Das bedeutet, dass ein Mutter-Rhizom die drei- bis vierfache Menge an Ertrag liefert, wenn alle Bedingungen für die exotischen Pflanzen stimmen.

Schwierig wird es, wie überall im Gemüsebau, wenn die Knollen von Schaderregern angegriffen werden. Mit Sorgen beobachten die Ingwer-Bauern in diesem Zusammenhang die momentane Verbreitung des Bakteriums Ralstonia pseudosolanacearum, welches die sogenannte Bakterienwelke verursacht, für die Ingwerpflanzen sehr anfällig sind.

Drastische Massnahmen, um Bakterium zu stoppen

Der Befall des Bakteriums, das an über 200 Pflanzenarten zu massiven Schädigungen führen kann, sorgt für welke Blätter und Fäulnis des Wurzelstocks. Gemäss dem Eidgenössischen Pflanzenschutzdienst waren 2023 erstmals aus Deutschland gelieferte Ingwerpflanzen davon befallen. Das Bakterium hatte sich auf zwölf Betrieben in den Kantonen Bern, Luzern, Thurgau, Zürich, Schwyz, Zug undSt. Gallen ausgebreitet.

Um die Ausbreitung zu stoppen, waren drastische Bekämpfungsmassnahmen notwendig. Positiv getestete Pflanzen mussten vernichtet werden, betroffene Gewächshäuser oder Anlagen inklusive Bewässerungsanlagen wurden dekontaminiert.

Unter Einhaltung strenger Hygienemassnahmen dürfen auf den betroffenen Flächen bis Frühling 2024 keine Pflanzen angebaut werden. Um den Bakterien Luft- und Nahrungszufuhr zu entziehen, muss der Boden luftdicht mit Folie abgedeckt werden. Für die betroffenen Betriebe ist dies ein bedeutender Einschnitt in den Ertrag.

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Müllers Ingwer landet im Grossverteiler und im Hofladen

Stephan Müller ist nicht betroffen, erzählt er erleichtert. Auf dem Hektar, auf dem er Ingwer anbaut, produziert er etwa 7 Tonnen frischen Ingwer und 9 Tonnen Ingwersaft.

Damit beliefert Müller Grossverteiler wie Alnatura sowie Händler, die auf Wochenmärkten verkaufen und Hofläden.

Unter anderem auch den eigenen Hofladen. «Ingwer aus Schweizer Produktion ist sehr gefragt und auch das mediale Interesse ist sehr gross», berichtet Stephan Müller.

Den Preisunterschied zwischen seinem frischen Ingwer und dem getrockneten, Import-Ingwer aus dem Supermarkt ist gross. «Der Preisunterschied liegt wahrscheinlich bei Faktor drei», so Müller, «aber die beiden Produkte sind auch schwer miteinander zu vergleichen, denn der frische Ingwer wird nicht gehandelt».

Und das macht wohl auch die Faszination aus, die dem Schweizer Ingwer-Boom zugrunde liegt. «Mit seinen grossen Knollen und den grünen Blättern ist der Ingwer einfach eine wunderschöne Kultur.»

Betriebsspiegel der Familie Müller

Samuel und Stephan Müller, Steinmaur ZH

LN: 67 ha, davon 2,5 ha geschützter Anbau (Glas und Folie)
Kulturen: Ingwer, Kurkuma, Galgant, Tomaten (24 Sorten), Gurken (4 Sorten), Peperoni, Aubergine, Salate (14 Sorten), Kartoffel (20 Sorten), komplettes Kohlwaren-Sortiment (inkl. Blumenkohl, Broccoli, Kohlrabi), Lauch, Knoblauch, Zwiebeln
Weitere Betriebszweige: Hofladen, Verarbeitung, Gärtnerei, Events
Arbeitskräfte: 45 in der Produktion, 4 im Hofladen, 5 in der Verarbeitung, 25 in der Gärtnerei und der sozialen Arbeit (davon 10 bis 12 Lernende), 20 im Eventbereich.

www.mueller-steinmaur.ch