Kurz & bündig

- Präventionsmassnahmen wie gesundes Pflanzgut und eine durchdachte Standortwahl sind wichtige Strategien gegen die Krautfäule.
-Häufiges Spritzen ist mit hohen Kosten verbunden und schadet der Bodengesundheit.
- Krautfäuleresistente Neuzüchtungen sind eine gute Alternative, um den Spritzmitteleinsatz zu reduzieren.

Als Biobetrieb hatten wir bis zu 100 Prozent Ausfälle aufgrund der Kraut- und Knollenfäule», erzählt der Landwirt Heinz Höneisen, der in Andelfingen ZH einen biologischen Kartoffel- und Gemüsebaubetrieb führt. Vor allem in niederschlagsreichen Jahren spitzt sich die Situation schnell zu: Wenn es jeden zweiten Tag 20 Millimeter regnet, wie es im April und Mai 2023 der Fall war, muss immer wieder nachgespritzt werden.

Kupfer wirkt mässig gegen Kraut- und Knollenfäule

Im Biobereich ist das einzige zugelassene Mittel Kupfer, dessen Wirkung allenfalls mässig sei, so Höneisen. «Wenn sich die Wetterlage dann nicht ändert und es nicht zu regnen aufhört, kann die Kraut- und Knollenfäule quasi nicht gestoppt werden», erzählt der Kartoffelproduzent. Daraus ergibt sich, wenn überhaupt, nur wenig Ertrag mit kleinen Kartoffeln, deren Produktion mit enormem Arbeitsaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden war.

Zudem verdichtet jede Überfahrt den nassen Boden. Eine solche Situation wird schnell zum Nullsummenspiel und niemand ist zufrieden, erklärt Höneisen: «Ich habe nichts in der Kasse, mein Abnehmer hat keine Ware und auch der Grossverteiler hat nichts im Regal.»

Die soziale Komponente, die damit einhergeht, darf auch nicht unerwähnt bleiben, denn auch daraus entsteht Druck auf betroffene Landwirte. Heinz Höneisen erzählt: «Der Dorfbewohner, der sieht, wie der Biobauer jeden zweiten Tag über sein Feld fährt und Spritzmittel ausbringt, weiss in der Regel nicht, warum und was gespritzt wird. Das ist eine schwierige Situation. In unserem Umfeld gab es Menschen, die Strichlisten darüber geführt haben, wie oft ich gespritzt habe. Und dieses Problem bleibt bestehen, auch wenn ich nur ein Gesteinsmehl spritze, was absolut nicht belastend für die Umwelt ist. Aber derjenige, der zuschaut, weiss ja nicht, was in der Spritze ist. Das zieht dann auch unangenehme Diskussionen nach sich.»

«Krautfäule führt schnell zum Nullsummenspiel.»

Heinz Höneisen, Landwirt

Neuzüchtungen als Strategie gegen Kraut- und Knollenfäule

All diese Umstände haben Heinz Höneisen dazu bewogen, als Strategie gegen die Kraut- und Knollenfäule auf Neuzüchtungen zu setzen. Jedes Jahr im November reist Höneisen gemeinsam mit anderen Schweizer Grossproduzentenan die «Potato Open Days» nach Holland. Kartoffelzüchter aus ganz Europa stellen dort ihre neuen Sorten aus, die vor Ort angeschaut und gekauft werden können. «Dort können wir uns einen Überblick über die neuen Züchtungen verschaffen und entscheiden, welche wir gerne ausprobieren würden», erzählt Höneisen.

Zusammenarbeit mit Firmen, der Wissenschaft und den Züchtern

Um in die Schweiz importieren zu können, ist ein vorgeschriebenes Kontingent nötig. Zudem gibt es nur zwei Firmen, nämlich die Terralog AG und Inoverde (eine Tochterfirma der Fenaco), die Kartoffeln in grösserem Stil in die Schweiz importieren dürfen. «Die treffen wir dort auch, genauso wie Mitarbeitende von Agroscope und FiBL. Dann machen wir mit den Züchtern vor Ort direkt ab, welche Posten wir gerne im Versuch hätten. Und die bekommen wir dann auch über diese Importeure direkt auf die Höfe geliefert», berichtet der Landwirt.

Über die letzten Jahre konnte Heinz Höneisen auf diese Weise viele Sorten testen, die teilweise immer noch bei ihm im Anbau sind. Eine Sorte, die sich in Bezug auf Kraut- und Knollenfäule bewährt hat, ist zum Beispiel Vitabella. Zudem sei sie eine gute Speisekartoffel und daher auch schon lange auf dem Markt.

Ebenso sind in diesem Zusammenhang noch die Sorten Emanuelle, Simonetta oder die Frühkartoffel Acoustic zu nennen. Für den Industriebereich pflanzt Höneisen zum Beispiel auch die mittelspäten Sorten Nofy (mit hohem Stärkeertrag) und Ardeche an. Diese kommen ebenfalls aus den Niederlanden und werden durch die FFB Group der Migros an Höneisen vermittelt und von Terralog importiert. Alle diese Sorten sind pflegeleicht und von ihren Merkmalen her so, wie sich der Schweizer Konsument eine gute Kartoffel vorstellt: «Sie sollte länglich sein, gelbes Fruchtfleisch haben und nach Kartoffel schmecken», so Höneisen.

Die Krankheit zerstört die Pflanzen und das ganze Feld

Eine solche Kartoffel war auch in der Vergangenheit bereits die Idealvorstellung vieler Menschen. Während die Kraut- und Knollenfäule heute im schlimmsten Fall für knappe Kassen und leere Regale sorgt, war sie geschichtlich für so manche Hungersnot verantwortlich und entsprechend gefürchtet. Schon ihre lateinische Bezeichnung Phytophthora infestans ist bedeutungsvoll. Aus dem Griechischen übersetzt steht Phytophthora nämlich für «Pflanzenzerstörer» – und der Name ist Programm.

Nachdem bei feuchter Witterung zunächst das Kartoffelkraut abfault, wird als Nächstes das Gewebe der Knolle zerstört und die Krankheit breitet sich über das komplette Feld aus. Die befallenen Pflanzen sind an braunen Stellen am Stängelgrund oder einzelnen Stängelteilen erkennbar, schreibt Agroscope in einem Merkblatt zur Kraut- und Knollenfäule. Die gelblich grünen Flecken der unteren Blätter verfärben sich in kurzer Zeit schokoladenbraun und vergrössern sich schnell. Am Übergang von krankem zu gesundem Pflanzengewebe ist auf der Blattunterseite ein grau-weisslicher Film zu erkennen.

Doch womit haben betroffene Landwirte es hier eigentlich genau zu tun? «Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule ist ein Algenpilz. Er ist näher mit Braunalgen verwandt als mit den echten Pilzen. Im Gegensatz zu Pilzen bestehen seine Zellwände nicht aus Chitin, sondern vorwiegend aus Zellulose», erklärt die Phytopathologin Tomke Musa, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Agroscope tätig ist.

Prävention mit gesundem Pflanzgut ist die halbe Miete

Um die Kraut- und Knollenfäule in den Griff zu bekommen, können LandwirtInnen chemisch oder biologisch vorgehen. Allerdings sei eine gute Prävention bereits grundlegend, so Musa. Zu den wichtigsten Massnahmen in diesem Zusammenhang gehört, gesundes, vorgekeimtes Pflanzgut zu verwenden und in der Fruchtfolge eine Kartoffelanbaupause von vier Jahren zu berücksichtigen.

Eine gute Dammqualität und eine durchdachte Standortwahl seien wichtig. Zum Beispiel sollten Flächen, auf denen Nebel lange liegen bleibt, für den Kartoffelanbau eher gemieden werden. Die sorgfältige Beseitigung von Durchwuchskartoffeln trage ebenso zur Prävention bei.

Bei regelmässigen Feldkontrollen kann ein Befall frühzeitig festgestellt werden. «Wichtig ist auch, diesen Befall der kantonalen Zentralstelle für Pflanzenschutz oder direkt bei PhytoPRE, dem Prognosemodell von Agroscope, zu melden. Somit können die KartoffelproduzentInnen rechtzeitig über das Auftreten der Krautfäule informiert werden», berichtet Tomke Musa.

Bei Befall das chemisch-synthetische Mittel sorgfältig auswählen

Zur direkten Bekämpfung stehen konventionell wirtschaftenden Betrieben verschiedene chemisch-synthetische Mittel zur Verfügung. Dazu gehören zum Beispiel vorbeugend eingesetzte Kontaktmittel. Dies sind protektive Fungizide, welche nicht ins Blattgewebe eindringen, sondern die Blattoberfläche schützen und verhindern, dass es zu einer Infektion kommt.

Des Weiteren gibt es sogenannte teilsystemische beziehungsweise translaminare Mittel. Diese Präparate dringen in die Blätter ein, bleiben aber relativ lokal. Sie können eine Infektion, welche ein bis zwei Tage zurückliegt, abstoppen.

Systemische Mittel dringen ins Blatt ein und werden mit dem Saftstrom in der Pflanze transportiert, sodass auch der Neuzuwachs geschützt ist. Sie können bereits bestehende Infektionen abstoppen. Wenn ein Befall im Feld auftritt, müsse darauf geachtet werden, welches dieser Produkte eingesetzt wird, da bei gewissen systemischen Fungiziden eine Resistenzgefahr besteht, gibt Tomke Musa zu bedenken.

Bei der Bekämpfung die gesamte Situation berücksichtigen

Zudem rät die Phytopathologin, die gesamte Krautfäulesituation, die den Infektionsdruck, die Witterung und die Wachstumsphase der Kartoffeln beinhaltet, bei der Fungizid-Wahl zu berücksichtigen. Um Resistenzen zu vermeiden, sollten nicht immer Produkte mit dem gleichem Wirkmechanismus eingesetzt werden, sondern die Wirkstoffgruppe nach zwei bis drei Applikationen gewechselt werden. Im Bio-Anbau stehen zur Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule neben Kupfer bis anhin nur natürliche Mittel zur Verfügung. Tomke Musa nennt als Beispiel Produkte wie etwa Steinmehl oder Schachtelhalmbrühe. Diese mögen bei niedrigem bis mittlerem Infektionsdruck noch eine Wirkung haben. Unter sehr hohem Infektionsdruck nimmt ihre Effizienz allerdings sehr stark ab oder zeigt keine Wirkung mehr.

Musa berichtet zudem, dass bei Agroscope zahlreiche Alternativen getestet wurden. Obwohl diese jeweils eine gute bis sehr gute Wirkung im Labor zeigten, fiel ihre Wirkung unter Praxisbedingungen aber nur gering aus. Die Wirkung einer wässrigen Suspension der Faulbaumrinde (Frangula alnus) wurde weiterverfolgt, da sie auch unter mittlerem Infektionsdruck eine zu 200 g/ha Kupfer vergleichbare Wirkung aufwies.

Auch mit robusten Sorten nicht komplett auf Fungizide verzichten

«Um den Spritzmitteleinsatz zu reduzieren, berücksichtigen Bio- wie auch die konventionell wirtschaftenden Kartoffelproduzenten die präventiven Massnahmen und informieren sich über das Auftreten der Krautfäule sowie über die Wetterbedingungen. Das Prognosesystem PhytoPRE/Bio-PhytoPRE steht ihnen zur Verfügung, um die Fungizid-Applikationen gezielt und termingerecht auszubringen und somit die Menge der Spritzmittel auf das Nötigste zu reduzieren», erklärt Phytopathologin Tomke Musa.

Der Anbau von robusten Sorten sei auf jeden Fall eine förderliche Strategie, um den Fungizid-Einsatz zur Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule stark zu reduzieren. Jedoch könne auch mit dem Anbau von robusten Sorten nicht vollständig auf einen Fungizid-Einsatz verzichtet werden.

Durch den Fungizid-Einsatz wird nämlich verhindert, dass die Kraut- und Knollenfäule ihren vollen Zyklus, also die Infektion vom Kartoffelkraut zur Knolle, absolviert. Somit kann die Anpassung des Erregers an die pflanzeneigene Abwehr verzögert oder verhindert werden.

PhytoPRE
Das Informations- und Prognosesystem PhytoPRE soll zur gezielten Bekämpfung der Krautfäule im IP- und Biokartoffelanbau eingesetzt werden. Wichtig ist, dass LandwirtInnen einen Befall im Tool melden.

Webbasierte Prognose
LandwirtInnen steht das Programm online zur Verfügung und liefert allgemeine und regionale KrautfäuleInformationen sowie parzellenspezifische Beratung. Bioproduzenten können BIO-PhytoPRE nutzen.

Handlungsempfehlung per SMS
Zusätzlich bietet Agroscope LandwirtInnen einen SMS-Service an, der über aktuelle Befallsmeldungen informiert und basierend auf regionalen Wetterdaten Behandlungsempfehlungen gibt.www.phytopre.ch

Betriebsspiegel der Familie Höneisen

Heinz Höneisen, Andelfingen ZH

LN: 70 ha, davon 16 ha Kartoffeln
Kulturen: Rund 50 Kulturen, darunter Kartoffeln, Karotten, Salat, Kräuter, Erdbeeren und Kohl
Tierbestand: 80 Mutterschafe
Arbeitskräfte: In der Hochsaison 40 bis 50 Arbeitskräfte
www.thurlandbio.ch