Kurz & bündig
- Ein spezifisches Agrarmonitoring zur Evaluation von BFF läuft erst seit 2015.
- Extensive Wiesen in BFF mit Qualitätsstufe 2 sind für die Artenvielfalt deutlich wertvoller als Wiesen der Qualitätsstufe 1.
- Diverse Arten haben von Biodiversitätsfördermassnahmen profitiert, Kulturlandarten sind aber immer noch bedroht.
Im Jahre 1999 wurden die Direktzahlungsbeiträge an den ÖLN gekoppelt, mit welchem auch die obligatorischen 7 % BFF auf LN (Biodiversitätsförderflächen auf Landwirtschaftlicher Nutzfläche), bzw. 3,5 % bei Spezialkulturen eingeführt wurden. Seit mehr als zwanzig Jahren sind Schweizer LandwirtInnen bemüht, die Biodiversität auf ihrem Land zu fördern. Trotzdem hört man in den Medien oftmals nur die negativen Seiten: «Die intensive Landwirtschaft ist schuld am Artensterben. Wissenschaftler sprechen vom sechsten Massenaussterben.»
Haben bisherige biodiversitätsfördernde Massnahmen in der Landwirtschaft eigentlich nichts gebracht? Mit der geplanten Einführung von 3,5 % BFF auf offener Ackerfläche ist das eine wichtige Frage. «die grüne» hat bei der Schweizerischen Vogelwarte, Agroscope und dem Bundesamt für Umwelt BAFU nachgefragt.
[IMG 3]
Agrarmonitoring läuft erst seit 2015
Welche Pflanzen-, Insekten- und Vogelarten haben sich dank welcher biodiversitätsfördernden Massnahmen in der Landwirtschaft positiv entwickelt? Die Suche nach der Antwort auf diese Frage war gar nicht so einfach. Seit 2001 läuft zwar das Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM (siehe Infobox unten). Das BDM beschränkt sich nicht nur auf landwirtschaftliche Gebiete, sondern deckt die ganze Schweiz und alle Landnutzungen ab. Das erschwert spezifische Aussagen zu Biodiversitätsfördermassnahmen auf LN.
Besser geeignet ist das Agrarmonitoring ALL-EMA. Dieses läuft aber erst seit 2015, und der erste Erhebungszyklus wurde erst im Jahr 2019 abgeschlossen. Somit kann die Entwicklung der einzelnen Arten in der BFF noch kaum verglichen werden – und dies, obwohl biodiversitätsfördernde Massnahmen mindestens seit dem Jahre 1999 schweizweit im ÖLN umgesetzt werden.
Biodiversitätsmonitorings in der Schweiz
Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM
Im BDM wird die Artenvielfalt in der Schweiz seit 2001 mittels drei regelmässigen Messnetzen über die ganze Schweiz beobachtet. Dabei werden Brutvögel, Gefässpflanzen, Moose, Weichtiere, Tagfalter und Gewässerinsekten erfasst. Aufgrund des Aufnahmedesigns werden vor allem die häufigen und mittelhäufigen Arten erfasst. Die Untersuchungsgebiete konzentrieren sich jedoch nicht spezifisch auf die Agrarlandschaft. Durchgeführt wird das Monitoring von der Firma Hintermann & Weber, Beratungs- und Forschungsstelle für Ökologie, im Auftrag vom BAFU.
ALL-EMA
Das Agrarmonitoring heisst ALL-EMA «Arten und Lebensräume Landwirtschaft – Espèces et milieux agricoles». Es ist ein Programm zur Überwachung von Arten und Lebensräumen in der Schweizer Agrarlandschaft und zur Evaluation von Biodiversitätsförderflächen (BFF). Dafür wird eine Teilmenge der Untersuchungsquadrate aus dem BDM-Messnetz genommen. Die erfasste Biodiversität beinhaltet Lebensräume und Gefässpflanzenarten in der Agrarlandschaft. Es wird von Agroscope im Auftrag vom BLW und BAFU durchgeführt und läuft seit 2015. Damit soll erstmals der Zustand der Arten- und Lebensraumvielfalt in der Agrarlandschaft erfasst und der Zustand der BFF beurteilt werden. Eine erste Bestandesaufnahme wurde 2019 abgeschlossen.
Monitoring häufiger Brutvögel
Die Schweizerische Vogelwarte führt seit 1999 alljährlich ein «Monitoring häufiger Brutvögel» durch. Dabei handelt es sich oft auch um Vogelarten des Waldes und von Siedlungen.
Grosse Rückgänge fanden bereits in den 1950er-Jahren statt
Selbst wenn Daten seit 1999 vorhanden wären, wäre das Bild sehr unvollständig. Die Rückgänge der meisten Arten begann schon viel früher. Bereits ab den 1950er-Jahren hat die Biodiversität aufgrund der zunehmend intensiveren Landnutzung stark abgenommen. Um diesen Trend zu brechen, wurden in den 1990er-Jahren Massnahmen zur Biodiversitätsförderung ergriffen.
Bereits 2004 erfüllten 97 % der Betriebe den ÖLN, dies nur fünf Jahre nach dessen Einführung. Doch die Massnahmen waren leider nicht so effektiv wie erhofft.
BFF zeigen Wirkung, aber nicht genug
Gemäss dem Agrarbericht 2021 decken BFF heute 17,1% (ohne Anrechnung von Bäumen, sonst 19%) der LN in der Schweiz ab. Über zwei Drittel der BFF werden in Form von extensiv genutzten Wiesen, Weiden und Waldweiden angelegt. Da diese weder gedüngt noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden dürfen und später gemäht werden, hat das einen positiven Einfluss auf die Biodiversität.
Im Monitoring ALL-EMA wurde festgestellt, dass in BFF der Qualität 1 (Q1) mehr verschiedene Arten vorkommen als auf normal genutzten Vergleichsflächen. Allerdings ist der Mehrwert oft relativ bescheiden. Etwa 40% der BFF weisen gemäss BLW die Qualitätsstufe 2 auf. Q2-Flächen haben eine deutlich höhere Artenvielfalt als BFF Q1. Daher sind Q2-Flächen besonders wertvoll. Und nochmals besser schneiden die BFF ab, die im Rahmen von Vernetzungsprojekten gezielt angelegt werden.
«Wenn eine artenarme Q1-Wiese in eine hochwertige BFF auf Ackerfläche eingetauscht wird, kann dies ein Fortschritt sein», findet Hubert Schürmann, Leiter Ressort Kulturland bei der Schweizerischen Vogelwarte.
Der Bund hat festgelegt, für welche Umwelt-, Ziel- und Leitarten die Landwirtschaft besondere Verantwortung trägt. Zwar helfen auch BFF Q1 gewissen Arten, aber BFF Q2 sind wesentlich wirksamer. Wenn darauf geachtet wird, dass BFF eine hohe Qualität aufweisen, kann bereits viel zur Förderung der Artenvielfalt beigetragen werden.
[IMG 4]
Welche Arten profitierten von welchen Massnahmen?
Wiesen in BFF: Im Sonderheft zum BDM Schweiz 2022 steht, dass in als BFF angemeldeten extensiven Wiesen über ein Drittel mehr Tagfalterarten vorkommen als im übrigen Grünland. Trockenwiesen und -weiden sind noch wertvoller. Dort leben fast dreimal so viele Tagfalterarten wie in extensiven Wiesen. Dank BFF konnten sich auch einige Heuschrecken- und Spinnenarten wieder verbreiten.
Buntbrachen und artenreiche Säume: Zählungen der Vogelwarte zeigen, dass in Gebieten mit vielen Buntbrachen und artenreichen Säumen die Goldammer, die Dorngrasmücke und das Schwarzkehlchen häufiger vorkommen. Die Dorngrasmücke profitierte zudem von dornenstrauchreichen Hecken mit Krautsäumen als wertvollem Lebensraum. Es sind aber immer noch viele Arten bedroht und ihre Populationsgrösse ist rückläufig.
Erklärung zum
Brutbestandsindex
Die Zahlen entsprechen nicht den effektiven Brutzahlen, sondern sind, wie der Name sagt, ein Index. Der Wert 100 entspricht dem Durchschnittswert aller Jahre seit Zählungsbeginn (Zeitraum normalerweise 1990 - 2021). Ein Wert von 130 bedeuted also, dass der Brutbestand im entsprechenden Jahr 30% über dem Mittelwert der gesamten Zeitperiode lag. Dieser Wert gibt also keine Auskunft über die absoluten Zahlen zur Populationsgrösse der einzelnen Arten, sondern darüber, wie sich der Brutbestand entwickelt.
[IMG 5]
Welche Arten sind bedroht und wieso?
Gemäss Felix Herzog, Leiter der Forschungsgruppe Agrarlandschaft und Biodiversität bei Agroscope, sind in Ackerbaugebieten besonders Arten bedroht, die auf wechselfeuchte Standorte angewiesen sind. Dazu gehören Libellen und Amphibien sowie gewisse Pflanzen- und Laufkäferarten. Das Problem ist, dass zu Gunsten der Landwirtschaft viele Moor- und Feucht-gebiete trockengelegt wurden. Das ist auch für die Vogelarten der Feuchtgebiete ein Problem, wie Kiebitz, Be-kassine und Grosser Brachvogel. Es bestehen zwar diverse Naturschutzgebiete, in welchen diese bedrohten Arten gefördert werden. Problematisch ist aber, dass Naturschutzgebiete geografisch häufig isoliert von anderen Gebieten angelegt sind. Wenn deshalb der genetische Austausch zwischen den Populationen erschwert ist, sind diese langfristig nicht überlebensfähig.
In keinem Lebensraum so viele Brutvögel bedroht wie im Kulturland. Gemäss der Vogelwarte stehen 48 % der Arten auf der Roten Liste. Besonders stark betroffen sind Arten, die sich von Grossinsekten ernähren wie zum Beispiel Würger, aber auch Bodenbrüter wie Feldlerche oder Braunkehlchen.
Diese profitieren von lückigen Pflanzenbeständen in Wiesen. Viele intensiv bewirtschaftete Grünflächen oder auch Kulturflächen haben einen zu dichten Bestand. Das erschwert den Vögeln die Jagd nach Grossinsekten und Bodenbrütern die Brut. Denn Letztere legen ihr Nest am Boden an und profitieren daher besonders von hochwertigen extensiven BFF und Weitsaaten (wie Getreide in weiter Reihe).
[IMG 2]
Wie kann die Biodiversität weiter gefördert werden?
Zusätzlich zu wertvollen BFF gibt es eine Vielzahl an weiteren biodiversitätsfördernden Massnahmen in der Landwirtschaft, die besonders wirksam sind.
Gemäss der Vogelwarte konnte der Turmfalke von Nisthilfen profitieren. Ihm wurde mit der Anbringung von Nistkästen ein besseres Brutangebot geboten. Buntbrachen erhöhen zudem sein Nahrungsangebot.
Im Grünland können viele Insekten und Brutvögel gerettet werden durch den richtigen Einsatz des Mähaufbereiters, angepasster Schnitthöhe, Mährichtung oder den Einsatz eines Messerbalkenmähwerkes. Zudem werden durch den späten Schnitt der BFF die Bruten von Bodenbrütern nicht zerstört, da die Jungtiere vorher schlüpfen und ausfliegen können. Des weiteren können Pflanzenarten versamen und sich vermehren.
Als besonders effektiv gilt auch das Stehenlassen von 10 % Restfläche in der BFF beim Mähen. Somit bleibt ein grösserer Teil der Insekten erhalten, welcher sich wieder vermehren kann, was wiederum insektenfressenden Vögeln zugutekommt.
Ausserdem weisen viele intensiv bewirtschaftete Grünflächen oder Ackerkulturen zu dichten Pflanzenbestand auf. Das erschwert den Vögeln die Jagd nach Grossinsekten, und Bodenbrütern den Nestbau. Sie alle profitieren daher besonders von hochwertigen extensiven BFF und Weitsaaten (wie Getreide in weiter Reihe).
Gemäss ALL-EMA ist auch die extensivere Bewirtschaftung höher gelegener Gebiete wertvoll. Die Artenvielfalt im Berggebiet ist grösser als im Flachland. Wenn die Gebiete dort nicht extensiv bewirtschaftet werden, verbuschen sie und verwalden schliesslich. Die Arten- und Lebensraumvielfalt offener Flächen würde deutlich zurückgehen auf Kosten häufiger Waldarten.
Damit ist jedoch den Arten im Ackerland nicht geholfen. Für diese braucht es gezielte Massnahmen.
Warum braucht es 3,5 % BFF auf Ackerfläche?
«Das Grundproblem für Kulturlandartenverluste sind grosse Ackerbaugebiete ohne hochwertige biodiversitätsfördernde Strukturen. Bestehende Hecken und extensive Wiesen befinden sich häufig am Rand von Ackerbaugebieten», erklärt Hubert Schürmann. Aktuell bieten Ackerflächen und intensive Grünlandflächen den Kulturlandarten zu wenig Lebensraummöglichkeiten und Nahrung.
Kulturlandarten haben sich gezielt auf den Lebensraum im Ackerland spezialisiert, jedoch auf die ursprünglich extensivere Landnutzung mit kleineren Parzellen, lückigen Beständen und geringerem Einsatz von Hilfsstoffen. Mit den 3,5 % BFF auf Ackerfläche will der Bund nun gezielt diese auf Kulturland ausgerichteten Arten fördern.
«Mit 3,5 % BFF auf Ackerfläche, beispielsweise in Form von Blühstreifen, will man gezielt auch Nützlinge und Bestäuber fördern», erklärt Felix Herzog. Da können sich zum Beispiel Marienkäfer und Laufkäfer in Blühstreifen ansiedeln, welche wiederum nützlich sind für die Bekämpfung von Getreidehähnchen und Blattläusen in den angrenzenden Äckern. Agroscope konnte auch zeigen, dass Gehölzstrukturen wie Hecken, abgestufte Waldränder, Einzelbäume und Agroforstsysteme wichtig sind für die Förderung von Bestäubern und Nützlingen.
Videos zur Anlage von BFF und weiteren Massnahmen
Besser mehrjährig als einjährig
Dabei sind mehrjährige Blühstreifen wertvoller als einjährige. Denn erstere blühen bereits früh im Frühling und bringen wertvolle Nahrung auch für Wildbienen. «Wir brauchen Wildbienen nur ein paar Wochen im Jahr für die Bestäubung. Aber damit sie dann auch da sind müssen sie das ganze Jahr überleben können», erklärt Felix Herzog.
Ausserdem können auch die Nützlinge in mehrjährigen Blühstreifen überwintern. So sind sie Frühling bereits vor Ort, wenn die Schädlinge aktiv werden und können somit deren Entwicklung eindämmen. Agroscope konnte zeigen, dass dadurch die Anzahl der Insektizidbehandlungen im Getreide reduziert werden konnte.
Hubert Schürmann empfiehlt LandwirtInnen auch Säume auf Acker als hochwertige BFF auf Ackerfläche. Säume auf Acker können auf feuchten und trockenen Standorten angelegt werden. Da die Mischung etwa 30 Prozent Gräseranteil hat, können Beikräuter weniger auflaufen.
Gute Beratung und Ausbildung fehlt
Wichtig wäre das Anlegen einer mosaikartigen Struktur, wobei biodiversitätsfördernde Strukturen zwischen Produktionsflächen integriert werden. Jedoch ist es standorts-, bewirtschaftungs- und betriebsabhängig, welche Massnahme wo sinnvoll ist.
Auf einem Betrieb gibt es oftmals für jeden Betriebszweig eine Beratungsperson. Für die Fütterung, das Saatgut, den Pflanzenschutz und vieles mehr. Lediglich für die Biodiversität wird in den wenigsten Fällen eine Beratung beigezogen. In etlichen Studien konnte gezeigt werden, dass eine einzelbetriebliche Beratung sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich positive Folgen hat. «Die Landwirte werden alleine gelassen», sagt Felix Herzog. Viele Landwirte wären gewillt, die Biodiversität zu fördern. Oftmals wissen sie aber nicht, wie und wo sie das am besten auf ihrem Betrieb umsetzen. Viele Fragezeichen bestehen daher noch bei der Umsetzung der 3,5 % BFF auf Ackerfläche.
Aktuell gibt es auch noch keine Fördergelder für ökologische Beratungen. Die Mitfinanzierung einer Biodiversitätsberatung durch den Bund wäre sinnvoll. Wichtig wäre dabei, dass die Beratungen durch Fachpersonen durchgeführt werden, welche sowohl ein ökologisches als auch agronomisches Verständnis mitbringen. So könnte Biodiversität zielgerichtet nach Zielarten sowie standort- und betriebsangepasst gefördert werden.
Biodiversitätsförderung braucht Zeit
«Vor 30 Jahren war das Bewusstsein für Biodiversität noch nicht so gross. Damals war es eher ein nice to have, heute ist es ein need to have», meint Felix Herzog.
Die Förderung der Biodiversität ist eine Generationenaufgabe und wird jetzt in Hinblick auf die nächste Generation in Angriff genommen. Seit über siebzig Jahren besteht ein kontinuierlicher Artenverlust. Aber erst seit gut zwanzig Jahren werden gesamtschweizerisch Biodiversitätsfördermassnahmen umgesetzt, welche leider nicht so effektiv waren wie erhofft. Warum die Effektivität der Massnahmen nicht schon länger erhoben wurde, ist fraglich.
Die Erholung der Artenvielfalt braucht Zeit und noch mehr Handlungsbedarf. Deshalb soll mit der neuen AP22+ mehr Geld in die Förderung der Biodiversität fliessen.
