Der 50jährige Martin Keller ist seit 2012 Vorsitzender (CEO) der Geschäftsleitung der Fenaco. Im Kreuzverhör mit «die grüne»-Chefredaktor Jürg Vollmer nimmt Keller Stellung zur Mitbestimmung der Landwirte, zu den Aufgaben von Volg und Landi sowie zu den künftigen Investitionen in der Lebensmittelindustrie, Forschung und High Tech.

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Herr Keller, die  Fenaco  wurde 1993 als Genossenschaft gegründet und hat heute 44'000 Einzelmitglieder in den Landi-Genossenschaften, davon 23'000 aktive Landwirte. Wo können die Landwirte in der Fenaco mitbestimmen?

Martin Keller: Die Mitbestimmung findet erstens auf der lokalen Ebene der Landi Genossenschaften statt: An den Generalversammlungen stimmen die Mitglieder einer Landi zum Beispiel über Kredite ab und wählen ihre Verwaltung. Aus dieser werden die Delegierten für die Delegiertenversammlung bestimmt, dem obersten Gremium der Fenaco-Genossenschaft.

Zweitens nehmen die Landwirte über die Verwaltung der Fenaco Einfluss, dem strategischen Führungsgremium. Von den neunzehn Mitgliedern in der Verwaltung der Fenaco Genossenschaft führen zwölf eigene Landwirtschafts-Betriebe. Die Mitglieder der Verwaltung nehmen direkt Einfluss auf das Geschäft. Sie kennen jede Monats-Kennzahl jeder Geschäftseinheit und entscheiden über das Budget, über Investitionen von mehr als 500'000 Franken und Landgeschäfte von mehr als 50'000 Franken. Das sind tiefe Eingriffe in die Steuerung des Unternehmens.

Drittens haben die Landwirte als Landi-Mitglieder und Miteigentümer der Fenaco-Landi Gruppe eine direkte Einflussnahme als Kunden. Ein Beispiel: Jahrelang wurde darüber diskutiert, warum wir im Landi-Laden kein Handwerker-Sortiment für Profis anbieten. In der Zwischenzeit haben wir erste solche Handwerker-Geräte für Profis eingeführt.

Woher kommt dann das Gefühl der Landwirte, sie können bei der Fenaco nicht mitreden?

Die Fenaco ist ein grosses Unternehmen. Vielleicht entsteht manchmal deswegen der Eindruck, dass man zu wenig mitbestimmen kann. Trotz der Grösse kann sich aber jeder in seiner Landi engagieren und an unseren Prozessen beteiligen. Als Mitglied einer Landi-Verwaltung lernt man übrigens viel darüber, wie man ein KMU führt. Da kann man auch etwas mitnehmen für den eigenen Betrieb.

Welche Vorteile hat aber ein Landwirt, der nicht aktiv in der Landi-Verwaltung mitmacht?

Jedes Mitglied kann an der Generalversammlung mitbestimmen, zum Beispiel über die Neuausrichtung seiner Landi im Bereich erneuerbarer Energien. Landi-Mitglieder haben aber auch monetäre Vorteile. Sie profitieren von Rückvergütungen und seit 2018 von einer Erfolgsbeteiligung für Landwirte, welche die Fenaco direkt entrichtet.

Sie sagen, die Fenaco Landi-Gruppe sei nicht gewinnmaximierend unterwegs. Trotzdem machen sie jährlichüber 100 Millionen Franken Gewinn. Das landwirtschaftliche Einkommen liegt gleichzeitig bei sehr tiefen 70'000 Franken pro Betrieb ...

Mit Anteilsscheinverzinsungen, Rückvergütungen und der Erfolgsbeteiligung zahlen wir wesentliche Anteile dieses Gewinns an die Mitglieder unserer Agrar-Genossenschaft aus, über 30 Millionen Franken pro Jahr. Wir sind also kein gewinnmaximierendes Unternehmen – aber gewinnorientiert. Als Genossenschaft müssen wir profitabel arbeiten und Mittel erwirtschaften, um diese in zukünftige Infrastrukturen zu reinvestieren.

Innerhalb der Fenaco-Landi Gruppe gibt es 80 Firmen, vom Düngerhandel bis zum Futtermittelhersteller, vom Nutztierhandel bis zur Fleischverarbeitung, dazu noch der Detailhandel mit Volg und Landi. Verzettelt sich die Fenaco nicht mit diesen vielen Geschäftsfeldern?

Wir fokussieren uns eher, als dass wir uns verzetteln. Und wir sind mit vier strategischen Geschäftsfeldern sehr klar strukturiert:

  • Agrar
  • Lebensmittelindustrie
  • Detailhandel
  • Energie

Innerhalb dieser vier strategischen Geschäftsfelder haben wir 30 Geschäftseinheiten. Dazu haben wir 15 Dienstleistungseinheiten wie Personalwesen, Informatik, Finanzen und Controlling. Das ist überschaubar.

Und wir haben seit 2013 drei strategische Stossrichtungen, die wir konsequent verfolgen:

  • Innovation
  • Nachhaltigkeit
  • compétence internationale

Die Klammer über dem Ganzen ist unser Genossenschaftszweck. Wir unterstützen die Landwirte bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen.

Volg und Landi prägen das Geschäftsfeld Detailhandel der Fenaco

Im Geschäftsfeld Detailhandel erzielen Volg und Landi 2 Milliarden Franken pro Jahr oder 29 Prozent des Gruppen-Umsatzes. Trotzdem sind Volg und Landi im Vergleich zu Migros und Coop mit je 30 Milliarden Umsatz relativ kleine Unternehmen. Wie können Sie sich gegen die Giganten Migros und Coop behaupten?

Wir haben im Fenaco Geschäftsfeld Detailhandel nicht die Ambition, ein Coop oder eine Migros zu werden. Unser Detailhandel hat sich in den letzten Jahren erfreulich entwickelt. Er konnte kontinuierlich wachsen. Unter anderem, weil wir einen klaren Fokus auf Nischen haben.

Volg ist der kleinflächige Detailhändler im Dorf mit einem Sortiment, das den täglichen Bedarf abdeckt. In dieser Nische sind wir die Nummer 1 in der Schweiz.

Landi wiederum hat als Haus- und Gartenladen mit Getränken und Überraschungen im Sortiment eine erfolgreiche Nische gefunden.

Bei beiden gleich ist, dass sie im ländlichen Raum tätig sind. Wir fahren in Dörfer, um Volg-Läden zu beliefern, wo sonst niemand hinfährt. Und wir schaffen viele Arbeitsplätze in den ländlichen Gebieten.

Einen Grössenunterschied gibt es nicht nur zu Migros und Coop, sondern auch innerhalb von Volg und Landi. Die kleineren und finanziell schwächeren Landi-Genossenschaften sollen im Vergleich zu den grossen und wirtschaftlich starken Landi-Genossenschaften ungleich behandelt werden.

In unserer Strategie haben kleine, mittlere und grosse Landi-Genossenschaften Platz. Es gibt keine Ungleichbehandlung.

Seit der Fenaco-Gründung 1993 hat sich die Zahl der Landi-Genossenschaften von über 600 auf 180 konzentriert. Durch diesen Strukturwandel sind die Landi-Genossenschaften grösser geworden und professioneller im Umgang mit den Landwirten.

Eine kleine Landi unter 10 Millionen Franken Umsatz pro Jahr kann nicht die gleichen strukturellen Investitionen tätigen wie eine durchschnittliche Landi mit 30 Millionen Umsatz. Aber es gibt auch kleine Landi, die exzellent unterwegs sind.

Volg und Landi positionieren sich als Schweizer Detailhändler. Gleichzeitig aber importiert die Landi Billigprodukte aus dem Ausland, zum Beispiel Christbäume und Brennholz aus Osteuropa. Das ist doch ein Widerspruch?

Der Anteil Schweizer Produkte bei Volg beträgt 70 Prozent. Damit nimmt Volg im Schweizer Detailhandel eine Spitzenposition ein.

Die Landi ist bei den Lebensmitteln vergleichbar mit Volg. Zucker, Rapsöl, Kartoffeln und Obstsäfte zum Beispiel stammen zu 100 Prozent aus der Schweiz.

Einen Teil des Landi-Sortiments können wir aber gar nicht in der Schweiz beschaffen. Die umstrittene Ware aus Asien umfasst 16 Prozent des gesamten Sortimentes. Aber Rasenmäher und Haushaltsgeräte kommen heute auch bei den Mitbewerbern grösstenteils aus Asien.

Das Brennholz gehört wohl eher nicht zu den Produkten, die man nicht in der Schweiz findet ...

Beim Brennholz haben wir den Schweizer Anteil kontinuierlich gesteigert. Dieser liegt heute bei über zwei Dritteln, mit steigender Tendenz. Ein Beispiel: 2010 fanden wir keine Schweizer Anbieter für Ster-Holz. Heute bietet die Landi auch Ster-Holz aus der Schweiz an.

Die Landi verkauft aber weiterhin Fitness-Uhren, Bürostühle, Hundehütten, Bohrmaschinen und Hochdruckreiniger aus Asien zu Schleuderpreisen.

Ich würde nicht von Schleuderpreisen reden, sondern von Dauertiefpreisen. Das ist eine nachhaltige Strategie.

Das ist jetzt aber Schönsprech.

Nein, das ist ein Unterschied. Wir veranstalten in der Landi keine Rabatt-Schlachten. Unsere tiefen Preise sind möglich, weil wir ein beschränktes Sortiment haben, das wir direkt bei den Herstellern beschaffen. Und weil unsere Logistikprozesse effizient und die Margen moderat sind.

Volg und Landi setzen mit «Feins vom Dorf» und «Natürlich vom Hof» auf ein regionales und sogar lokales Sortiment. Ist die Zukunft der beiden Fenaco-Detailhändler eine Art Hofladen?

Es ist auf jeden Fall ein Wachstumsfeld, das sich erfolgreich entwickelt. Für «Feins vom Dorf» im Volg können Landwirte aus den umliegenden Dörfern ihre Produkte liefern. Konkret in Zahlen:

  • 2005 wurde «Feins vom Dorf» gegründet
  • 600 Volg-Läden bieten «Feins vom Dorf» an
  • 10'000 Spezialitäten von
  • 3000 Produzenten

Und für «Natürlich vom Hof» in der Landi können Landwirte aus dem Wirtschaftsgebiet der jeweiligen Landi ihre Produkte liefern:

  • 2016 wurde «Natürlich vom Hof» gegründet
  • Die Mehrheit der 270 Landi-Läden bieten «Natürlich vom Hof»-Produkte an

Das hat schon den Charakter eines Hofladens. Mit dem Unterschied, dass mehrere Bauernfamilien aus dem Einzugsgebiet ihre Produkte an einem Ort anbieten – und wir bringen über das klassische Sortiment die Kunden-Frequenz.

Im Geschäftsfeld Agrar kommt niemand um die Fenaco herum

Wechseln wir zum Geschäftsfeld Agrar. Dort stehen kleinere Mitbewerber in Konkurrenz zur Fenaco-Landi Gruppe, die oft nicht mit der geballten Markt-Macht der Fenaco-Landi mithalten und dann vom Markt weggedrängt werden. Das ist eher eine unschöne Geschäftsstrategie.

Wir verdrängen im Fenaco Geschäftsfeld Agrar niemanden vom Markt. Wir wollen den Schweizer Landwirten wettbewerbsfähige Preise bieten.

In der internationalen Agrarwelt gibt es sehr grosse Unternehmen, die unsere Geschäftspartner sind. Da verbessert unsere Grösse die Verhandlungsposition. Unter anderem darum haben wir unser internationales Engagement ausgebaut, etwa beim Futtergetreide, wo wir in Europa auch zur Händlerin geworden sind.

Umgekehrt hat die Fenaco mit dem MAXI-System für 100 Getreidesammelstellen ein nachhaltiges Modell zur Vermarktung von Getreide und Ölsaaten geschaffen. Ist es denkbar, dass das MAXI-Modell auf andere Produkte übertragen wird?

Ähnliche Ansätze wie im Fenaco MAXI-System haben wir auch schon bei den Kartoffeln sowie beim Obst und Gemüse umgesetzt. Auch dort setzen wir uns für starke Branchenorganisationen, für ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und für eine transparente Preisbildung. So dass die Produzenten im Wettbewerb abwägen können, welcher Abnehmer attraktiver ist. Dazu möchten wir nun auch beim Wein beitragen.

Wachstum im Geschäftsfeld Lebensmittelindustrie der Fenaco

Die Unternehmen der Fenaco-Landi-Gruppe in der Lebensmittelindustrie sind stark im Markt. Und sie werden immer stärker ...

Die Lebensmittelindustrie ist das Geschäftsfeld der Fenaco, das in den letzten fünf, sechs Jahren am wenigsten stark gewachsen ist. Die Preise sind unter Druck, die Qualitätsanforderungen sind hoch und die Anforderungen an die Nachhaltigkeit steigen.

Es gibt aber Wachstums-Felder. Zum Beispiel der Bio-Markt, in dem wir seit zehn Jahren stark engagiert sind und eine beachtliche Marktposition erreicht haben.

Ein anderes Wachstums-Feld ist der Ausbau der letzten Meile in die Gastronomie. Dort sind wir mit den Frigemo-Handelsfirmen erfolgreich tätig und haben in den letzten Jahren die grössten Akquisitionen getätigt. Zum Beispiel mit Culturefood in der Westschweiz.

Mit «Butcher & the Chef» haben  wir ein Fleischsortiment exklusiv für Gastronomen entwickelt.

Und natürlich haben wir auch noch Potenzial beim Wein. Nicht nur in der Gastronomie, sondern auch im Detailhandel. Dort liegt der Schweizer Anteil bei tiefen 35 Prozent. Wir möchten diesen steigern. In den Landi- und Volg-Läden liegt er heute schon bei rund 45 Prozent.

Schauen wir in die Zukunft. Agroline verteilt mit Multikoptern Trichogramma-Schlupfwespen über Maisfeldern, um den Maiszünsler biologisch zu bekämpfen. Ist das ein Zukunftsfeld der Fenaco?

Wir haben tatsächlich die Ambitionen, mit Agroline langfristig die führende Anbieterin von alternativen Pflanzenschutz-Methoden zu werden.

Wie definieren Sie langfristig?

Die Multikopter zeigen, was ich mit langfristig meine: Sie wurden vor zehn Jahren entwickelt als erste europäische Drohnen, welche Trichogramma-Schlupfwespen als den wichtigsten Mais-Schädling mit Drohnen aus der Luft biologisch bekämpfen. Heute werden in der Schweiz über 15 Prozent der Maisflächen schon so behandelt, mit steigender Tendenz. Die Kugeln mit den Trichogramma-Schlupfwespen werden am Agroline-Standort in Aesch BL produziert, wo wir die Infrastruktur massiv ausbauen.

Die Fenaco war schon immer ein Handels- und Produktions-Unternehmen. Nun werden wir immer mehr auch zu einem Technologietransfer-Unternehmen. So sind wir eine Partnerschaft mit crop.zone eingegangen, einem deutschen Start-up, das mit Strom Unkraut bekämpft. Wir werden schon diesen Sommer deren Maschinen auf Schweizer Kartoffel-Äckern testen.

Die Schweizer Landwirtschaft darf sich im internationalen Vergleich heute schon als nachhaltig bezeichnen. Der Status Quo wird in Zukunft aber nicht ausreichen. Wir müssen uns alle anstrengen, um mit den Landwirten zusammen noch nachhaltiger zu werden – und gleichzeitig die Produktivität zu erhalten. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von ökologischer Intensivierung.

Die Zukunft findet digital statt. Ihr bekanntestes Digitalisierungs-Projekt ist der digitale Hofmanager Barto. Viele Landwirte sind aber skeptisch, weil sie ihre Daten nicht bei der Fenaco-Landi haben wollen.

Wer sich bei der Hersteller-unabhängigen Smart-Farming-Plattform Barto registriert, um seinen Betrieb in Zukunft effizienter und nachhaltiger zu führen, behält seine Daten grundsätzlich bei sich. Barto gibt ihm aber vom Melkroboter über die Sämaschine bis zum Mähdrescher geeignete Schnittstellen in die Hand, um seine Daten auszuwerten.

Fenaco, die anderen acht Aktionäre (Identitas AG, AGRIDEA, Swissherdbook, Braunvieh Schweiz, Holstein Switzerland, Mutterkuh Genossenschaft, swissgenetics und Schweizer Milchproduzenten SMP) und auch Mitbewerber von uns können «Bausteine» für einen Datenaustausch mit den Bauern entwickeln. Jeder Landwirt entscheidet aber selbst, ob und mit wem er wie lange welche Daten austauscht.

 

Die Fenaco Genossenschaft

Die Fenaco Genossenschaft ist mit über 7 Milliarden Franken Umsatz eines der grössten Schweizer Unternehmen.

Indirekt ist die Fenaco im Besitz der 44'000 Landi-Genossenschafter (davon 23'000 Landwirte) in den 183 landwirtschaftlichen Genossenschaften (Landi).

Die Fenaco Genossenschaft beschäftigt 10'000 Mitarbeitende vor allem in ländlichen Regionen.

In den letzten Monaten haben Sie Kooperationen mit ungewöhnlichen Partnern bekannt gegeben: Mit der ETH Zürich und mit der Forschungsanstalt Agroscope. Und jetzt investiert Fenaco auch noch in Vertical Farming, in die Landwirtschaft mit Gewächshäusern in mehrstöckigen Gebäuden. Wohin führt das?

Diese Kooperationen machen die  Fenaco-Landi Gruppe zu einem innovativeren, nachhaltigeren, kompetenteren Unternehmen. Wir lernen sehr viel. Das Vertical Farming-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Mit dem Darlehen für das ETH-Spin-off Yasai beteiligen wir uns an einer Pilot-Anlage.

Dabei schauen wir uns vor allem die wirtschaftlichen Aspekte an. Ist es überhaupt rentabel, so zu produzieren? Mehrstöckig in beleuchteten Lagerhallen? Und ist es wirklich nachhaltiger als Freiland- oder Gewächshaus-Produktion? Diese Analyse machen wir zusammen mit interessierten Schweizer Gemüse-Landwirten.

Und wenn wir zum Schluss kommen, dass Vertical Farming interessant sein könnte, dann ermutigen wir die Schweizer Landwirte dazu. Wir werden aber nicht selber zu Landwirten, wir unterstützen sie bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Betriebe.

Im Sommer 2020 haben sie die Forschungs-Kooperation mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL bekannt gegeben. Wird die Fenaco jetzt zum Bio-Konzern?

Also ein Konzern sind wir nicht, aber Bio schon.

Mit 7 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr ist die Fenaco-Landi Gruppe ein Konzern.

Wir sind eine Agrar-Genossenschaft. Diese Unterscheidung ist mir wichtig. Eine Agrar-Genossenschaft, die seit 2010 im Bio-Bereich ein starkes Wachstum erlebt und auch mithilft, den Bio-Landbau in der Schweiz zu fördern. Da ist diese Forschungs-Kooperation mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL ein logischer Schritt.

Aus der Forschungs-Kooperation mit dem FiBL können Lösungen entstehen, die für die ganze Schweizer Landwirtschaft interessant sind. Als erstes ambitioniertes Ziel möchten wir ein marktfähiges Produkt aus pflanzlichen Extrakten gegen Pilzkrankheiten entwickeln. Dieses könnten das Kupfer ersetzen, das auch im Bio-Landbau unverzichtbar ist.

Gegen die Agrar-Initiativen geht die Fenaco erstmals in die Politik

Mit dem Stichwort Pflanzenschutz kommen wir zu der Trinkwasser-Initiative und der Pestizidverbots-Initiative, über die wir im Juni 2021 abstimmen. Fenaco äussert sich normalerweise nie zu politischen Themen. Jetzt haben Sie aber Stellung bezogen. Hat die Fenaco-Landi Gruppe eine neue politische Strategie?

Nein, aber wir haben es mit einer ausserordentlichen politischen und gesellschaftlichen Situation zu tun. Die beiden Volksinitiativen «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» und die «Trinkwasser-Initiative» verfolgen eine gute Absicht und bringen ein berechtigtes Anliegen auf den Tisch. Aber sie bedrohen die Existenz vieler Bauernfamilien in der Schweiz und führen zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland, wo weniger nachhaltig produziert wird.

Die Initiativen stellen damit den Zweckauftrag der Fenaco in Frage, mit unseren Schweizer Landwirten gesunde und qualitativ hochstehende Lebensmittel zu produzieren. Deshalb haben wir uns entschieden, dass sich die Fenaco ausnahmsweise mit einem hohen finanziellen Engagement – aber auch mit fachlich kompetenten Argumenten – gegen diese zwei Initiativen engagiert.

Wird es in den Volg- und Landi-Läden Plakate gegen die beiden Initiativen geben?

Nein, die Volg- und Landi-Läden bleiben neutral und offen für alle Kunden. Wir politisieren nicht im Detailhandel.

Eine letzte Frage: Die Fenaco-Landi Gruppe hat 2019 erstmals einen Umsatz von über 7 Milliarden Franken erzielt. Und sie haben 1,8 Milliarden Franken Eigenkapital. Damit können Sie sich einige Akquisitionen leisten. Was können wir von der Fenaco-Landi Gruppe in den nächsten Jahren erwarten?

Die Fenaco-Landi Gruppe erlebte seit 2010 ein kontinuierliches, aber mehrheitlich organisches Wachstum. Diesen Weg wollen wir weiter gehen.

Wir wachsen auch im Ausland. Zum Beispiel mit dem Ausbau der Groupe Serco in Frankreich, mit unserem Logistikzentrum im süddeutschen Lahr oder mit einem Garten-Center in Luxemburg, in dem wir die Akzeptanz des Landi-Sortiments auf dem europäischen Markt testen.

Der Fokus unseres Wachstums wird aber in der Schweiz bleiben, zum Beispiel mit weiteren Volg-Läden und erneuerbarer Energie von Agrola.

Alle Interviews für «die grüne» werden zunächst im Wortlaut transkribiert und danach – in Absprache mit den Gesprächspartnern – zur besseren Verständlichkeit bearbeitet und wenn notwendig gekürzt.

 

Martin Keller, CEO der Fenaco Genossenschaft

Dr. Martin Keller (1970) ist Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO) der Fenaco Genossenschaft.

Keller ist in Leimiswil BE geboren und in Thun BE aufgewachsen. Als Jugendlicher verbrachte er viel Zeit in Hindelbank BE auf dem Hof seiner Grosseltern.

Nach seinem Agronomie-Studium an der ETH Zürich arbeitete Keller in der Saatgut-Branche, u. a. leitete er das Corporate Marketing & Business Development des norddeutschen Pflanzenzüchtungs- und Biotechnologie-Unternehmens KWS Saat, dem weltweit viertgrössten Saatgut-Hersteller.

2010 trat Martin Keller in die Fenaco ein als Leiter des Departements Landesprodukte. Seit 2012 ist er Vorsitzender (CEO) der Geschäftsleitung der Fenaco und Leiter der Division Unternehmensentwicklung zu der die Departemente Kommunikation, Entwicklung, Personal sowie Energie gehören.

Der 50-jährige Martin Keller ist verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern und wohnt in der Nähe von Bern.