Abo Kartoffelpflanzen, die von Kraut- und Knollenfäule befallen sind. Pflanzenzüchtung & Gentechnologie Was CRISPR/Cas in der Pflanzenzüchtung möglich macht Monday, 15. January 2024 Der Einsatz von gewissen neuen genomischen Techniken soll künftig für die Pflanzenzüchtung erleichtert werden. Dafür hat sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments am 24. Januar 2024 ausgesprochen. Er stimmt damit einem Vorschlag der EU-Kommission zu. 

In diesem Vorschlag zur künftigen Deregulierung solcher neuen genomischen Techniken (NGT) werden die gentechnisch veränderten Organismen in zwei Kategorien eingeteilt:

  1. NGT-Pflanzen, welche auch auf natürliche Weise oder mittels herkömmlicher Züchtung entstehen könnten, sollen vom aktuell geltenden GVO-Gesetz ausgenommen werden. Konkret bedeutet das, dass solche Pflanzen zwar einem Prüfverfahren unterzogen werden, dass sie aber keine Risikobewertung mehr durchlaufen müssen. Bei Lebensmitteln, die aus solchen Pflanzen hergestellt werden, fällt ausserdem die GVO-Deklaration weg.
  2. Für alle anderen NGT-Pflanzen, die nicht auf natürlichem Weg entstehen könnten, gelten nach wie vor die Risikobewertungen und Deklarationspflichten nach dem geltenden GVO-Gesetz der EU.

Alle NGT-Pflanzen – also jene unter Punkt 1 und 2 – werden in einer öffentlichen Datenbank erfasst. So soll die Transparenz und Wahlfreiheit für die Landwirte gewährleistet sein, heisst es auf der Website der EU-Kommission. Saatgut und anderes Pflanzenvermehrungsmaterial werde ausserdem gekennzeichnet.

Glossar

CRISPR/Cas: umgangssprachlich «Genschere» genannt. Damit lässt sich die Erbsubstanz an einer gewünschten Stelle verändern.
Genom: Gesamtheit des Erbguts (Gene) eines Organismus.
Genom-Editierung: gezielte Bearbeitung des Genoms durch Methoden der Molekularbiologie.
GVO: gentechnisch veränderte Organismen (englisch: GMO)
NGT: neue genomische Techniken. Darunter fällt auch CRISPR/Cas.

Abschaffung von Patenten

Der Umweltausschuss stimmte zu, dass NGT in der biologischen Produktion verboten bleiben sollten. 

In einem wichtigen Punkt änderten die Abgeordneten im Umweltausschuss den ursrpünglichen Vorschlag: Sie wollen ein vollständiges Verbot von Patenten einführen, das für alle NGT-Pflanzen, Pflanzenmaterial, genetische Informationen und Verfahrensmerkmale gilt. Das Ziel: «Rechtsunsicherheiten, erhöhte Kosten und neue Abhängigkeiten für Landwirte und Züchter vermeiden», wie es in der Mitteilung des Europäischen Parlaments heisst.

Die Abgeordneten fordern bis Juni 2025 einen Bericht über die Auswirkungen von Patenten auf den Zugang zu pflanzlichem Vermehrungsmaterial für Züchter und Landwirte. Ausserdem soll ein Vorschlag zur entsprechenden Aktualisierung der EU-Vorschriften über geistige Eigentumsrechte ausgearbeitet werden.

Das Geschäft geht nun an das EU-Parlament

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments ist eine Art vorbereitende Instanz. Er bereitet die Geschäfte vor, die dann im EU-Parlament diskutiert werden. Das EU-Parlament wiederum ist Teil der Legislative, vergleichbar mit unserem National- und Ständerat. Analog kann der Umweltausschuss verglichen werden mit der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie in Bundesbern.

Das Votum des Umweltausschusses ist daher kein Entscheid, der rechtlich bindend ist. Er ist eine Empfehlung an das EU-Parlament, welches nun voraussichtlich anfangs Februar 2024 darüber beraten wird, bevor dann die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Der Entscheid ist somit ein erstes Signal, in welche Richtung die Regulierung der NGT gehen wird. Die Diskussion ist eröffnet. 

In der Schweiz sind Antworten hängig

Abo Apfelpflanzen stehen in Töpfen im Gewächshaus. Pflanzenzüchtung & Gentechnologie «Genom-Editierung eröffnet neue Möglichkeiten in der Pflanzenzüchtung» Sunday, 14. January 2024 Bisher kennen die EU und die Schweiz ähnliche Auflagen für Gentechnologie. So ist die Anwendung von NGT aktuell nur der Forschung erlaubt, unter strengen Auflagen. Das ermöglicht es, Saatgut und Sorten mit der EU frei zu handeln.

Wird der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission angenommen, wäre die Zulassung von NGT-Pflanzen vereinfacht. Somit wäre auch die kommerzielle Nutzung von CRISPR/Cas möglich.

Das hätte verschiedenste Auswirkungen auf die Schweiz. Sie muss sich überlegen, wie sie die NGT und deren Produkte regulieren will. Eine Antwort auf diese Frage wird noch 2024 erwartet. Denn als das Parlament 2021 das «Gentech-Moratorium» um weitere vier Jahre verlängerte, gab es zugleich den Auftrag an den Bundesrat, sich Gedanken zu machen zur risikobasierten Zulassung von Pflanzen aus der Züchtung mit NGT.

Argumente von Befürwortern und Gegnern

Gentechnisch veränderte Organismen sind in der Europäischen Union und auch in der Schweiz bis anhin nur unter strengen Auflagen in der Forschung erlaubt. Davon betroffen ist auch die bekannteste Technik CRISPR/Cas, umgangssprachlich auch die «Genschere» genannt.

Befürworter des Moratoriums argumentieren, dass LandwirtInnen durch diese Technologien abhängiger werden von grossen Agrar-Konzernen, die das Saatgut liefern. Ausserdem werde die Vielfalt auf dem Acker abnehmen, heisst es. Einige haben auch Mühe damit, dass das Genom eines Organismus technisch verändert werde.

Gegner des Moratoriums argumentieren, dass solche Änderungen auch auf natürliche Weise oder durch herkömmliche Züchtung vorkommen können. Die NGT könnten die Pflanzenzüchtung beschleunigen, heisst es von ihrer Seite. NGT seien wichtige Werkzeuge für resistentere Sorten, die den künftigen klimatischen Herausforderungen gewachsen wären.