Soll das Korn gar üppig stehen, so soll man es an St. Benedikt säen.» Viele Bauernregeln geben Rat zur optimalen Saat. Gibt es überhaupt noch den traditionellen Saatzeitpunkt und sollte er dem Klimawandel angepasst werden?
Fritz Leuenberger, Berater bei UFA Samen, beobachtet vermehrt konstante Bisenlagen im Frühling. Früher hätte eher wechselhaftes Aprilwetter geherrscht. Zudem werde es tendenziell zwei bis drei Wochen früher Frühling. Das merkt auch Lohnunternehmer und KWS-Berater Beat Wyss. Es werde tendenziell früher gesät, weil man früher in den Acker fahren kann und die Winterfeuchte ausnutzen möchte.
«Heute treten vermehrt Bisenlagen im Frühling auf, weniger wechselhaftes Aprilwetter wie früher»
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In dem Punkt sind sich die drei Experten einig. Der Saatzeitpunkt sollte nicht grundsätzlich aufgrund des Klimawandels angepasst werden. Zudem hält man schon lange nicht mehr an traditionellen Saatterminen aus dem Bauernkalender fest. Vielmehr bestimmen verschiedene Faktoren wie Bodenart, Bodentemperatur, Standort, Fruchtfolge, Wetter und Produktionsverfahren den optimalen Saatzeitpunkt.
«Wir müssen wieder vermehr mit der Natur arbeiten und darauf eingehen, was wir antreffen», meint Niklaus Althaus, Berater bei UFA-Samen. Worauf es sonst noch ankommt, erklären die drei Experten im Gespräch.
«Wir müssen wieder mehr mit der Natur arbeiten und auf das eingehen, was wir antreffen»
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Die Bodentemperatur ist ein entscheidender Faktor
Der wichtigste Faktor für gute Saatbedingungen ist der Boden, insbesondere die Bodentemperatur. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Boden sehr träge ist in der Reaktion.
«Es gibt Frühlingstage, da laufen wir bereits im T-Shirt rum, aber der Boden ist immer noch kalt. Wenn vor einer Woche noch Bodenfrost herrschte, aber der Boden in der Zwischenzeit abgetrocknet ist, heisst das noch nicht, dass man bereits säen kann», meinte Fritz Leuenberger.
Im Herbst behält der Boden noch lange die Wärme, währenddem er im Frühling länger kalt bleibt. Beispielsweise Zuckerrüben brauchen vier bis fünf Grad Bodentemperatur, während Mais mindestens zehn Grad braucht. «Der Boden muss bereit sein zur Saat, sonst muss ich Gewalt anwenden und das ist nicht gut», meint Beat Wyss.
«Der Boden muss Ja sagen zum Säen»
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Dabei gilt: Ein schwerer Boden erwärmt sich viel langsamer als ein leichter Boden. Das heisst, in einen leichten Boden kann früher, dafür tiefer gesät werden als in einen schweren. Das ist aber auch von der Bodenbearbeitung abhängig. Ein bewegter gepflügter Boden erwärmt sich schneller als ein Boden beim Direktsaatverfahren. Dafür trocknet er auch schneller bis in tiefe Bodenschichten aus. Gepflügte Böden sollten daher gerade im Sommer nicht über eine Woche offen gelassen werden, sondern möglichst rasch angesät werden.
«Saatzeitpunkte und Saattiefen sind immer ‹Von-bis-Empfehlungen›. Diese sollten ungefähr eingehalten, aber je nach Standort und Verfahren angepasst werden. Dann erreicht man den optimalen Saatzeitpunkt», meint Beat Wyss.
Frühe oder späte Saat: Was ist besser?
Trotz der empfohlenen Saatzeiträume kann es zu Zielkonflikten zwischen Ertrag und Schädlingsbefall kommen. Bei früher Saat kann zwar das Ertragspotenzial besser ausgeschöpft werden, da die Kultur länger auf der Fläche steht und assimilieren kann.
Dafür haben Schädlinge mehr Zeit, die Pflanze zu befallen. Hier gilt es abzuwägen, was man für Mittel zur Verfügung hat.
Gerade Bio-Landwirte sind gezwungen, den Schädlings- und Unkrautbefall möglichst auf natürliche Weise tief zu halten. Diese greifen daher oft auf späte Saattermine zurück. Möchte man das sortenspezifische Ertragspotenzial ausnutzen, wird eine frühe Saat empfohlen. Der Saatzeitpunkt sollte also auch dem Produktionssystem angepasst werden.
Kurz & bündig
- Bei der Saat auf die Bodentemperatur achten.
- Bei tiefer Bodenbearbeitung erwärmt sich der Boden schneller.
- Im Frühling bei leichten Böden früher und tiefer säen.
- Äugstlen ist nach wie vor sinnvoll.
- Walzen im Frühling hilftgegen Auswinterungsschäden.
Erhöhtes Risiko von Spätfrösten bei früher Saat
Bei Frühsaaten ist zudem in gewissen Kulturen das Risiko von Spätfrostschäden erhöht. Im Frühling 2021 war es lange kalt und nass. Es schien, als wäre der spät gesäte Mais nach kurzer Zeit gleich weit in der Entwicklung wie der früh gesäte Mais, der noch Frost erlitt.
«Das ist eine rein optische Wahrnehmung. Spät gesäter Mais entwickelt sich sehr schnell aufgrund höherer Bodentemperaturen. Jedoch lagert er viel Wasser ein und kann den Kolben weniger ausbilden, wegen der kürzeren Zeit im Feld. Bei der Ernte sieht man, dass der TS-Gehalt und der Kornertrag von spät gesätem Mais deutlich tiefer ist als von früh gesätem. Trotz dem kurzzeitigen Wachstumsstillstand bei Frost geht der Mais etablierter in den Sommer und kann das Ertragspotenzial ausschöpfen», meint Beat Wyss. Zudem sind die Maissorten heutzutage besser an das Schweizer Klima angepasst, weshalb sie auch Fröste besser ertragen.
Für Zuckerrüben ist es hingegen gravierender, wenn ein Frost kurz nach dem Auflaufen eintritt. «Bei der Zuckerrübe kann der dünne Keimschlauch schneller abreissen, wenn der Boden gefriert», erklärt Beat Wyss.
Raps wird mittlerweile tendenziell früher gesät
Bei Raps hingegen kann heutzutage eine frühe Saat sinnvoll sein. «Bei meinen Kunden säe ich den Raps bereits vermehrt Ende August und nicht erst Anfang September. Die Winter wurden etwas milder und man hat gemerkt, dass man den Raps mit stärkerem Wurzelhals in den Winter gehen lassen kann. Dann startet er im Frühling schneller und man hat einen höheren Ertrag», erklärt Beat Wyss.
Ist «Äugstlen» heutzutage noch zeitgemäss?
Bei Gras hingegen ist der «traditionelle» Saatzeitraum, das Äugstlen, immer noch aktuell. «Für langjährige Mischungen ist das auf jeden Fall sinnvoll», meint Beat Wyss.
Im August ist der Einstrahlungswinkel der Sonne anders und die Strahlung daher weniger stark. Zudem werden die Tage wieder kürzer und in der Nacht herrscht mehr Tau der Feuchtigkeit bringt. Deshalb ist die Grassaat im August bis Anfang September nach wie vor sinnvoll.
Je nach Fruchtfolge wird Kunstwiese auch direkt nach Gerste gesät. Mit dem Risiko, dass die Saat gleich nach dem Keimen vertrocknet. «Dunklere Böden erwärmen sich viel stärker. Dabei werden Graskeimlinge vielfach richtig gekocht », sagt Fritz Leuenberger. Auf diesen Böden sollte man erst Anfang September säen.
Der Vorteil der frühen Grassaat ist, dass bei optimalen Bedingungen der Boden schnell wieder begrünt und damit geschützt ist. Im Herbst kann somit bereits ein rechter Schnitt genutzt werden. Wenn man aber sieht, dass im Juli die nächsten Wochen trocken und heiss bleiben, kann man sich die Saat sparen und wartet besser zu, bis sich die Verhältnisse ändern.
Äugstlen kommt sprachgeschichtlich vom August – den unsere Vorfahren als idealen Saatzeitpunkt kannten.
Wichtig ist die Geduld nicht zu verlieren
Damit die Saat gelingt, ist es wichtig, seinen Acker individuell zu betrachten. Ist der Boden genügend warm? Habe ich einen leichten oder eher schweren Boden? Welches Bodenbearbeitungsverfahren wende ich an? Säe ich eine früh- oder spätreife Sorte? Welches Produktionssystem habe ich? Dementsprechend sollte der Saatzeitpunkt angepasst werden.
Das Wichtigste am ganzen Verfahren ist, die Geduld nicht zu verlieren. Nur weil das Nachbar bereits gesät hat, muss das nicht heissen, dass der eigene Acker schon bereit ist für die Saat. Das ist je nach Standort verschieden. Natürlich ist im Endeffekt auch das Wetter entscheidend. Je nach dem können manchmal nicht alle Faktoren berücksichtigt werden.
Mit Walzen den Auswinterungsschäden entgegenwirken
Auswinterungsschäden sind gerade im Wintergetreide immer wieder Thema. Um das zu verhindern, sollten die Landwirte wieder mehr die Walze einsetzen, sagen alle drei Experten. Durch die Wechselwirkung von Gefrieren und Auftauen bewegt sich der Boden stark. Dadurch können Pflanzentriebe abreissen oder ganze Pflanzen an die Bodenoberfläche getrieben werden. Um dem entgegen zu wirken, sollte vor allem im Frühling die Walze eingesetzt werden. Im Herbst ist es oft noch genügend feucht.
«Es lohnt sich, sorgfältig zu walzen und nicht mit 15 km/h über den Acker zu fahren», empfiehlt Niklaus Althaus. Somit wird der Boden wieder rückverfestigt, wobei die Oberfläche verkleinert wird und dadurch weniger Wasser verdunstet. Zudem wird die Bestockung angeregt und die Winterkruste gebrochen.
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