Kurz & bündig
- In den letzten drei Jahren ging der Antibiotika-Einsatz bei den Nutztieren stetig zurück. Besonders positiv ist der Rückgang der kritischen Antibiotika.
- Bei den Rindern werde noch genauer untersucht, weshalb die Zahlen stagnierten, erklärt GST-Tierärztin Patrizia Andina.
- Der dritte Bericht zum «Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin» IS ABV beruht auf Daten, die TierärztInnen 2022 erhoben haben.

Die gute Nachricht vorneweg: Die eingesetzte Menge an antibiotischen Wirkstoffen bei Nutztieren sinkt weiter – und zwar beträchtlich. War es im Vorjahr noch eine Reduktion von 3,3 Prozent, wurde die Menge im Jahr 2022 um weitere 12,7 Prozent gesenkt, verglichen mit 2021.

Das steht im dritten Bericht zum «Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin» IS ABV, den das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV Anfang Dezember 2023 präsentierte.

Diese absoluten Zahlen zeigen eine erfreuliche Entwicklung. Doch es lassen sich nicht viele Informationen daraus ablesen. Denn diese Zahl ist abhängig vom Total aller Nutztiere, von der Masse dieser Nutztiere (schwerere Tiere brauchen grössere Antibiotika-Mengen) und von den eingesetzten Antibiotika-Wirkstoffklassen (nicht alle Antibiotika AB müssen in gleicher Menge verschrieben werden).

Antibiotika für die Milchkühe wegen Eutererkrankungen

Aussagekräftiger ist die Anzahl Tierbehandlungen pro 1000 Tiere. Diese Zahl berücksichtigt die Anzahl gehaltener Nutztiere und setzt die Behandlungen ins Verhältnis dazu. Im IS ABV-Bericht wird deshalb sinnvollerweise jede Tierkategorie einzeln aufgeschlüsselt (siehe Grafik 1):

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  • Die Behandlungen pro 1000 Tiere sind bei den Rindern entweder stabil oder leicht zunehmend, je nach Nutzungskategorie. Mit Abstand am meisten AB werden bei den Milchkühen verabreicht. Laut dem Bericht sind altbekannte Gesundheitsprobleme der Grund dafür: «Mastitis» sowie «Trockenstellen» sind die häufigsten Behandlungsgründe bei den Milchkühen.
  • Bei allen Schweinekategorien sowie bei etlichen Geflügelkategorien ist ein Rückgang der Tierbehandlungen zu verzeichnen. Bei den Schweinen werden die meisten AB-Behandlungen bei Saug- und Mastferkeln gemacht, gegen Durchfall und Verdauungsstörungen.
  • Beim Geflügel sind «Erkrankungen der Haut, Schleimhaut, Nabel, Lymphe» mit Abstand die häufigsten Ursachen für AB. Es handelt sich um typische Jungtierkrankheiten, erklärt das BLV im Bericht. Aufgrund der grossen Tierzahl und der vielen Umtriebe sei dies die häufigste Indikation bei Mastpoulets, gefolgt von «Durchfall und Verdauungsstörungen».
  • Die hohen Zahlen bei den Lege- und Mastelterntieren sowie den Kaninchen müssen etwas relativiert werden: Von beiden Tierkategorien gibt es schweizweit nur wenige Bestände. Wenn in einem Bestand eine Krankheit ausbricht und deshalb AB braucht, betrifft das folglich einen grossen Anteil an der Gesamtzahl dieser Tiere. Die Zahlen schwanken daher stärker als bei anderen Kategorien.

Kritische Antibiotika ebenfalls seltener im Einsatz

Erfreulich ist, dass die Behandlungen mit kritischen Antibiotika bei fast allen Tierkategorien rückläufig sind (siehe Grafik 2).

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Ein Grossteil der Gesamtmenge kritischer AB wird bei den Rindern eingesetzt (über 90 Prozent). Innerhalb der Rinder werden Mastkälber und -Rinder mit Abstand am häufigsten und mit den grössten Mengen kritischer AB behandelt. Nichtsdestotrotz fand auch bei den Rindern eine Mengenreduktion der kritischen AB statt.

«Dass die Antibiotika-Menge nochmals so stark zurückging, ist erfreulich», sagt Patrizia Andina, Tierärztin und Fachverantwortliche für Tierarzneimittel bei der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST.

Was noch genauer angeschaut werden müsse, seien die Gründe für die stagnierenden Zahlen bei den Rindern. «Aus der Praxis hören wir, dass bei den Milchkühen wieder vermehrt antibiotische Trockensteller eingesetzt werden, seit Bismut-haltige Versiegler verboten wurden», nennt Andina einen möglichen Grund. 

Zur Berichterstattung der BauernZeitung rund um die Bismut-haltigen Zitzenversiegler: www.bauernzeitung.ch/zitzenversiegler

Geplante Massnahmen für Antibiotika-Vielverbraucher

Ein weiteres Anliegen der GST ist, dass das BLV gleichzeitig mit den AB-Zahlen auch Parameter der Tiergesundheit analysiert. «Wir wollen nicht, dass ein Druck zur Antibiotika-Reduktion entsteht, der dazu führt, dass die Tiergesundheit leidet», sagt Andina. Es sei daher wichtig, dass eine allfällige Abnahme der allgemeinen Tiergesundheit früh bemerkt würde, so die Tierärztin.

Die Daten aus dem IS ABV-Bericht dienen nicht nur zur Information, sondern sind auch die Grundlage für künftige Interventionen: Bei Nutztierhaltern oder Tierärztinnen, die am häufigsten Antibiotika einsetzen, soll genauer hingeschaut werden und allenfalls Massnahmen ergriffen werden.

In einem neuen Artikel in der Verordnung über die Tierarzneimittel sind bereits Massnahmen definiert, die umgesetzt werden, wenn NutztierhalterInnen oder TierärztInnen über drei Jahre hinweg öfter hohe AB-Mengen verwenden:

  • In einem ersten Schritt müssen die Halter und Tierärztinnen die Ursachen des erhöhten AB-Verbrauches abklären. Ausserdem erstellen sie einen schriftlichen Massnahmenplan zur Reduktion des Antibiotikaverbrauches, den sie dann umsetzen müssen.
  • Kommt es danach zu keiner Verbesserung, gibt es in einem zweiten Schritt weitere Massnahmen: Tierhalter erhalten Auflagen zur Fütterung, Hygiene, usw. Und den TierärztInnen kann in einigen Fällen der Bezug und die Abgabe von AB eingeschränkt werden.

Diese Massnahmen werden aktuell noch nicht umgesetzt, weil die Bedingungen noch diskutiert werden müssen. «Nehmen wir ein Beispiel bei den Pferden: Eine Osteopathie-Praxis wird den Pferden massiv weniger Antibiotika verschreiben als eine Pferdeklinik. Im direkten Vergleich sieht es für die Klinik schlecht aus – was aber nicht stimmt», so Andina. Die Herausforderung wird also sein, die richtigen schwarzen Schafe beim AB-Einsatz zu finden.

Hintergründe

IS ABV
IS ABV steht für «Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin». In der Datenbank des IS ABV müssen seit dem 1. Oktober 2019 alle TierärztInnen die Antibiotika erfassen, die sie an Heim- und Nutztiere verschreiben. Zu erwähnen ist, dass es diese Pflicht für Humanmediziner nicht gibt. Die Auswertungen dieser Daten ergeben ein genaueres Bild des Antibiotika-Einsatzes, als dies die reinen Verkaufszahlen der Veterinärpharma-Firmen an die Tierärzte vorher taten.

Kritische Antibiotika
Als kritisch werden Antibiotika angesehen, die in der Medizin unverzichtbar sind. Solche Wirkstoffe dürfen erst eingesetzt werden, wenn andere Antibiotika nicht zur Verfügung stehen oder nicht wirken.