Kurz & bündig
- Das Neonatale Atemnotsyndrom (NANS) ist eine der häufigsten Ursachen von Lämmer- bzw. Gitzisterben in den ersten 72 Lebensstunden.
- Ein Kopfüberhalten oder Schwenken/Schleudern des Lammes oder Gitzi, um die Atmung anzuregen, kann zum Tod des Tieres führen.
- Eine angepasste Fütterung der Muttertiere in der Trächtigkeit trägt massgeblich dazu bei, die Entstehung eines NANS zu vermeiden.
Einer der häufigsten Gründe für das Versterben von Lämmern bzw. Gitzi innerhalb der ersten 72 Lebensstunden ist eine gestörte Atemfunktion, die bereits unmittelbar nach der Geburt vorliegt. Betroffene Jungtiere zeigen nach der Geburt Schnappatmung und es sind nur flache Atembewegungen erkennbar. Sie befinden sich in Seitenlage und ihre Schleimhäute sind bläulich verfärbt. Ihr Herz schlägt unregelmässig, schnell und pochend. Sie können den Kopf nicht heben.
Diese Symptome sind charakteristisch für das Neonatale Atemnotsyndrom (NANS). Sie entstehen durch die Übersäuerung des Blutes der Neugeborenen, hervorgerufen durch einen Überschuss von CO2 (Kohlensäure) im Blut. Der CO2-Überschuss entsteht durch einen beeinträchtigten Gasaustausch zwischen Muttertier und Fötus über die Plazenta – mit dem fatalen Ergebnis, dass das Blut des Fötus zu wenig Sauerstoff erhält.
Je schwerer eine Geburt ist, desto höher ist die Gefahr für ein NANS
Schwergeburten sind die Hauptursache für die Entstehung eines NANS. Denn je länger eine Geburt dauert beziehungsweise je komplikationsreicher eine Geburt ist, umso schlechter ist der Gasaustausch über die Plazenta. Das hängt damit zusammen, dass zum einen jede Wehe eine Kompression von Blutgefässen bedingt, die zu einer Minderversorgung des Fötus führt. Zum anderen kommt es mit dem Voranschreiten der Geburt zu Ablösungsprozessen der Plazenta, die den Gasaustausch ebenfalls negativ beeinflussen.
Die Entstehung eines NANS beim Neugeborenen kann aber auch durch Krankheiten beim trächtigen Muttertier ausgelöst werden. Jede Infektion des Muttertieres in der Trächtigkeit kann zu einer Plazentainsuffizienz führen oder den Fötus direkt schwächen und auf diese Weise zu einem NANS nach der Geburt führen.
Eine Plazentainsuffizienz bedeutet, dass der Stoffaustausch durch die Plazenta derart mangelhaft ist, dass der Fötus nicht ausreichend versorgt wird. Sie kann unter anderem auch durch eine fehlerhafte Fütterung bedingt sein.
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Der Fütterung besonders hohe Aufmerksamkeit schenken
Häufiger führen Fütterungsfehler in der Trächtigkeit aber zu einer Trächtigkeitstoxikose. Bei der Trächtigkeitstoxikose wird dem Muttertier im letzten Trächtigkeitsdrittel zu wenig Energie zugeführt, um die Föten und sich selber ausreichend versorgen zu können, sodass der Stoffwechsel der Muttertiere entgleist. Wie sieht nun die korrekte Fütterung der Muttertiere insbesondere im letzten Trächtigkeitsdrittel aus?
In der Hochträchtigkeit, das heisst während der letzten 60 Tage vor der Geburt, müssen die Muttertiere zugefüttert werden, um dem wachsenden Energie- und Nährstoffbedarf sowohl der Föten als auch des Muttertieres gerecht zu werden. Das Ziel ist, dass die trächtigen Tiere zur Geburt einen Body Condition Score (BCS) von 3 bis 3,5 haben.
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Je weniger gut genährt das Tier zu Beginn der Hochträchtigkeit ist, desto mehr muss zugefüttert werden. Dies bedeutet, dass die Tiere neben gutem Raufutter (Gras, Heu, Emd bzw. Silage) zusätzlich mit einer je nach Rasse und Nährzustand unterschiedlichen Menge an Kraftfutter versorgt werden sollten. Je nach eingesetztem Kraftfutter sind das 200 bis 500 g/Tag/Tier. Das Kraftfutter darf nur schrittweise hinzugegeben werden, damit sich die Pansenflora an das neue Futter anpassen kann. Das bedeutet, dass erst nach 14 Tagen die vollständig gewünschte Menge an Kraftfutter gegeben werden sollte.
Eine Erhöhung lediglich der Futtermenge ist keine Option, da die Muttertiere aufgrund des Platzes, den die wachsenden Föten im Mutterleib einnehmen, in der Futteraufnahme mit fortschreitender Trächtigkeit mehr und mehr eingeschränkt sind.
Die Versorgung der Tiere mit einem für die Tierart geeigneten Mineralstoff ist ebenfalls unabdingbar, um den Neugeborenen einen guten Start ins Leben zu geben. Dabei ist zu beachten, dass Schafe und Ziegen nicht mit dem gleichen Mineralstoff versorgt werden dürfen.
Bei Atemnot von Neugeborenen helfen diese Massnahmen
Was kann der Tierhalter tun, wenn ein Neugeborenes Symptome für ein NANS zeigt? Folgende Massnahmen sollten in dieser Reihenfolge angewendet werden:
Absaugen des Schleims aus den Nasengängen und dem Mund-Rachen-Bereich. Es können besondere Saugpumpen dafür verwendet werden (Funktionsweise vor dem Ernstfall testen), aber eine Mund-zu-Nase- oder Mund-zu-Mund-Absaugtechnik ist ebenfalls möglich. Ein Ausstreifen des Schleimes aus der Nase in Richtung Nasenlöcher ist auch hilfreich. Die Neugeborenen dürfen bei all diesen Hilfestellungen nach heutigem Wissensstand niemals kopfüber gehalten oder geschleudert werden! Dabei können grosse Schäden am Gehirn entstehen und der Druck auf die Lunge und das Zwerchfell kann zum totalen Atemstillstand führen.
Beatmung des Neugeborenen (mit Beatmungsgerät oder «klassische» Mund-zu-Nase-Beatmung). Dabei das andere Nasenloch und das Maul zuhalten, damit die Luft nicht durch dieses wieder austritt, sondern bis in die Lunge gelangt.
Kaltes Wasser über den Kopf schütten. Nicht den ganzen Körper mit kaltem Wasser übergiessen, da dadurch die Körpertemperatur zu stark absinkt.
Stimulation der Atmung durch Reizung der Nasenscheidewand: zum Beispiel mit einem stabilen Strohhalm in das Nasenloch in Richtung Nasenscheidewand pieksen.
Trocknung des Lamms (erst, wenn eine stabile Atmung erreicht worden ist). Die Trocknung sollte mit einem sauberen Tuch und im Rhythmus der Atmung erfolgen. (Kein Rubbeln: bringt Rhythmus wieder durcheinander.)
Rotlichtbestrahlung aus zirka 70 cm Höhe, damit die geschwächten Tiere nicht zusätzlich kostbare Energiereserven für die Temperaturregulation aufwenden müssen.
Tierarzt/Tierärztin hinzuziehen, damit diese die Übersäuerung im Blut durch eine Infusion korrigieren und weitere Medikamente verabreichen können.
Kolostrumaufnahme unterstützen. Falls das Tier nicht selbstständig schlucken kann, was bei einem hochgradigen NANS immer der Fall ist, sollte dem betroffenen Tier innerhalb der ersten vier Stunden nach der Geburt mit einer Magensonde eine erste Portion von 20 bis 50 ml Kolostrum (je nach Gewicht des Neugeborenen) verabreicht werden. Auf 24 Stunden sollten die Tiere 10 bis 15 % ihres Körpergewichtes als Kolostrum aufnehmen (Fütterung alle 2 bis 3 Stunden).
Regelmässiges Fiebermessen (Normaltemperatur Jungtiere: 39,4 bis 40,2) und Beobachtung der Atemtätigkeit.
Leider können viele Neugeborene trotz intensiver Therapie nach der Geburt nicht gerettet werden.
Ab dieser Ausgabe erweitern wir die Serie der Gesundheitsdienste mit Beiträgen zu Kleinwiederkäuern. Teresa von Geymüller ist Tierärztin und arbeitet in der Sektion Ziegen des Beratungs- und Gesundheitsdienstes für Kleinwiederkäuer (BGK/SSPR).