Kurz & bündig
- Die Mehrkosten fallen bei der Brüterei an, werden an den Aufzüchter weitergegeben und landen vorübergehend beim Produzenten.
- Die Mehrkosten werden über die Eier rückvergütet.
- LandwirtInnen müssen eine Vorfinanzierung tätigen, die erst später rückvergütet wird.
Ende August 2024 hat die Schweizer Eierbranche den Ausstieg aus dem Kükentöten bekannt gegeben. Der Weg zur Branchenlösung ist ein Prozess, dessen Entwicklung bereits im Jahr 2020 durch den Entscheid der Gallosuisse- Delegiertenversammlung gestartet hat. Von Anfang an wurden alle Akteure der Schweizer Eierbranche involviert.
Eine sinnvolle Branchenlösung zu finden war ein langjähriges Ziel der Schweizer Eierbranche. Umso wichtiger war es, eine gut durchdachte Lösung zu erarbeiten, die auch längerfristig funktionieren kann. «Wir haben unser Vorhaben immer sehr ernst genommen und haben keine Verzögerungstaktik betrieben», sagt Daniel Würgler, Präsident von Gallosuisse. Zusammen mit der Firma Orbem wurde der Weg mittels In-ovo-Methode, der Geschlechtsbestimmung im Ei, als Branchenlösung erarbeitet.
Ein Betriebszweig über mehrere Generationen hinweg
Marc Keller führt zusammen mit seiner Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb in Freimettigen BE. Bei der Familie Keller ist die Geflügel-haltung seit mehreren Generationen ein wichtiger Betriebszweig. «Mein Grossvater hat bereits in den 70er-Jahren mit der Legehennenhaltung angefangen und stetig vergrössert», erzählt Marc Keller.
Durch den Stallneubau werden auf dem Betrieb seit 2014 12 000 Legehennen in zwei Gruppen à 6000 Tieren gehalten. Im Jahr 2015 ist zudem die Junghennenaufzucht dazugekommen. So können auf dem Betrieb alle Legehennen selbst remontiert werden.
Die Küken und die Junghennen werden mehr kosten
Die Mehrkosten, die durch die Geschlechtsbestimmung im Ei anfallen, sollen in einem ersten Schritt an die Aufzüchter weitergegeben werden. Diese kaufen die Küken in Zukunft für 3 Franken (mit Mehrwertsteuer 3.08 Franken) mehr pro Tier ein. Dementsprechend werden die Junghennen für die Produzenten um den gleichen Betrag teurer. Dieser Betrag sollte alle anfallenden Mehrkosten decken.
Die zusätzlichen Kosten beinhalten die Lizenzgebühren für die Maschine, die Weiterentwicklung der Technologie, die Räumlichkeiten, die Personalkosten, die Automation sowie womöglich grössere Mengen an Brut-eiern. «Nach einem Jahr werden die Kosten überprüft, um zu sehen, ob sich diese bewahrheitet haben», so Daniel Würgler. Der Aufschlag für die Küken wird ab dem 1. November 2024 eingeführt. Die Vergütung über die Eier soll ab dem 1. Januar 2025 erfolgen.
Marc Keller zieht alle seine Junghennen selbst auf. Durchschnittlich kostet ein Küken in dieser Herdengrösse 4 Franken pro Tier. Durch die zusätzlichen Kosten bezahlt er in Zukunft fast doppelt so viel für seine Tiere. «Bei unserer Herde sind das rund 36 000 Franken pro Jahr, die wir zusätzlich investieren müssen», berechnet der Landwirt. Pro Tier, das stirbt, bedeutet das auch zusätzliche 3 Franken weniger.
Die Mehrkosten sollen über die Eier vergütet werden
Grundsätzlich sollen die anfallenden Mehrkosten ab dem 1. Januar 2025 auf den Eierpreis übertragen werden. Sowohl im Handel als auch in der Direktvermarktung ist zu überlegen, ob die Mehrkosten auf das gesamte Gelege oder nur auf einen Anteil davon verteilt werden.
Der mit Abstand grösste Teil des Geleges bilden Normaleier mit einem Gewicht von 53–72 g. Hinzu kommen Klein- (50–53 g) sowie Grosseier (>72 g) und sogenannte Nebensorten-Eier (<50 g, Knickeier, Schmutzeier). Normal- und Grosseier werden in der Regel zu einem deutlich höheren Preis als Klein- und Nebensorten-Eier vermarktet.
Die Tabelle «Mehrkosten pro Ei» gibt Auskunft, in welchem Rahmen sich mögliche Preisanpassungen bewegen. Die Rechenbeispiele definieren dabei den Normaleier-Anteil inkl. Grosseier, da die Preise für diese beiden Kategorien in der Regel vergleichbar sind. Weiter kann bei der Berechnung auch ein verlängerter Umtrieb miteinbezogen werden, wodurch sich das Gelege pro Anfangshenne vergrössert. Dementsprechend verteilen sich die Mehrkosten auf eine grössere Anzahl Eier.
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So werden die Eierpreise in der Praxis angepasst
Bei der Verkaufspreisgestaltung bleiben alle Akteure – wie bisher – unabhängig und frei. Momentan ist es noch unklar, ob der Handel die Preise anpassen oder die Margen senken wird.
Was die Direktvermarktung angeht, so bleibt es den Produzenten selbst überlassen, ob und wie sie die Preise anpassen werden. «Grundsätzlich wird empfohlen, rein durch den Ausstieg aus dem Kükentöten die Preise um 1 bis 1,5 Rappen zu erhöhen», erläutert Daniel Würgler.
Auch Marc Keller wird die Preise in der Direktvermarktung anpassen. «Ich habe in den letzten Jahren kaum Preisanpassungen vorgenommen. In der Direktvermarktung werde ich den Preis pro Ei um 2 Rappen erhöhen. So kann ich die Mehrkosten mit Sicherheit decken», sagt der Landwirt.
«Neben den Aufschlag durch den Ausstieg aus dem Kükentöten dürfen die vielen anderen Faktoren wie zum Beispiel Futter- und Energiepreise sowie Kapital- und Arbeitskosten, die die Eierpreise beeinflussen können, nicht vergessen werden», ergänzt Würgler. Wichtig dabei ist die transparente Kommunikation mit den Konsumierenden.
Die Frage eines verlängerten Umtriebs
Marc Keller hält seine Legehennen im Jahresumtrieb: «Grundsätzlich liegt das wirtschaftliche Optimum je Umtrieb bei 14 Monaten.» Dies würde für einen Umtriebsverlängerung von zwei Monaten je Umtrieb sprechen. Ein Tier, das so viel kostet, während einem längeren Zeitraum abzuschreiben, ist sicher sinnvoll.
Trotzdem muss die Legekurve beachtet werden. Diese verschiebt sich, wenn alle Betriebe eine Umtriebsdauer von 14 Monaten anstreben würden. Die Produktionsspitzen liegen im Frühling und im Winter. Sind die Eier nicht da, wenn sie gebraucht werden, muss importiert werden. Wenn im «Sommerloch» plötzlich eine Produktionsspitze erreicht wird, wird so der Markt destabilisiert. Die verlängerten Umtriebe bringen einen schwierigen Aspekt mit sich.
Eine verlängerte Umtriebsdauer sei zwar verlockend und für einen Teil der Produktion sinnvoll. «Es ist durchaus so, dass sich die Kosten bei einem längeren Umtrieb auf mehr Eier verteilen. Eine verlängerte Umtriebsdauer steht aber nicht in direkter Verbindung mit dem Ausstieg aus dem Kükentöten», verdeutlicht Daniel Würgler. Da die Risiken und Unsicherheiten bei längerer Haltungsdauer steigen, ist die Abgeltung dieser zusätzlichen Kosten auf eine Jahresmenge sicherer und nach den ersten Gesprächen wahrscheinlicher.
Die Gesamtwirtschaftlichkeit des Betriebs wird nicht beeinflusst
Produzenten müssen in Zukunft mehr für den Kauf ihrer Tiere investieren. «Für mich darf dieser Betrag als Betrieb finanziell nichts bedeuten, wenn ich die nähere Zukunft im Auge behalte», erklärt Marc Keller. Grundsätzlich wird die Gesamtwirtschaftlichkeit des Betriebs auch nicht beeinflusst.
Kurzfristig bedeuten die Mehrkosten aber einen höheren Einsatz von Liquidität und Kapital in das Tier, was später über das Ei rückvergütet wird. Bis es so weit ist, besteht jedoch diese Kapitaleinlage. Diese wird nicht verzinst. Aus finanzieller Sicht gibt es gewisse Punkte, die man als Produzent im Hinterkopf behalten sollte:
- Es muss eine Vorfinanzierung getätigt werden.
- Es muss Kapital vom Betriebskonto weggenommen werden und in etwas investiert werden, von dem noch kein Ertrag da ist.
- Das fehlende Kapital kann nicht verzinst werden.
«Beim Kapitalabschluss Ende 2025 sollten wir Produzenten sagen können, dass eine sinnvolle Branchenlösung gefunden wurde und der Produzent nicht darunter leidet. Bis dahin müssen noch einige Erfahrungen gesammelt werden», so Keller. Dies bestätigt auch Daniel Würgler. «Vor allem das erste Jahr ist eine grosse Herausforderung», sagt er.
Die Sicherheit muss für die Produzenten gewährleistet sein
Grundsätzlich unterstützen die Produzenten den Ausstieg aus dem Kükentöten und stehen hinter der Branche. Die höheren Kosten bereiten derzeit aber noch Sorgen. Es muss zunehmend mehr geleistet werden. Zudem steigt das Investitionsrisiko bei gleichbleibenden Resultaten. Aus diesen Gründen muss den Produzenten versichert werden, dass die zusätzlichen Kosten vergütet werden. «Man möchte vom Abnehmer und vom ganzen Markt eine Zahlungssicherheit. Diese Sicherheit muss gewährleistet werden. Auf der anderen Seite liegt es auch an uns Produzenten, entsprechend zu verhandeln», erläutert Marc Keller.
Am Ende dürfen die Mehrkosten nicht bei den Produzenten liegen bleiben. Alle Akteure der Wertschöpfungskette haben sich dazu verpflichtet, die Kosten aufzunehmen und entsprechend über das Ei zu vergüten. «Dies wurde unter anderem auch schriftlich vereinbart», versichert Daniel Würgler.
Die Entwicklung der Technik ist entscheidend
Gallossuisse hat sich mit der Firma Orbem auf eine Brückentechnologie geeinigt, die über fünf Jahre läuft. Von einer Brückentechnologie wird gesprochen, da davon ausgegangen wird, dass die technischen Mittel im Bereich der Geschlechtsbestimmung im Ei auch in Zukunft weiter Fortschritte machen werden.
So wird Gallosuisse die Weiterentwicklung mit den bestehenden Partnern und auch neue Technologien im Auge behalten. «Im ersten Jahr sollen Erfahrungen gesammelt werden und im zweiten Jahr soll optimiert werden. Ab dem dritten Jahr sollten die Prozesse vollständig konsolidiert sein», erklärt Daniel Würgler.
Für die Produzenten gibt es laut Marc Keller noch offene Fragen:
- Wie entwickelt sich die Technik weiter?
- Gibt es irgendwann eine schnellere In-ovo-Bestimmung, wobei die Kosten und der wirtschaftliche Druck gesenkt werden können?
Diese und weitere Fragen werden sich im Laufe der Zeit ergeben.
Betriebsspiegel der Familie Keller
Marc und Sandra Keller, Freimettigen BE
LN: 17 ha, davon 90 % Futterbau
Kulturen: Kunstwiese, Naturwiese, Weizen, Gerste
Tierbestand: 12 000 Legehennen, 6500 Junghennen, 44 Mastrinder
Weitere Betriebszweige: Kottrocknungsanlage zur Herstellung von NPK-Bio-Dünger, Photovoltaikanlage
Arbeitskräfte: Marc und Sandra Keller und diverse Angestellte (insgesamt 5 Vollzeitstellen)
www.keller-agrar.ch