Kurz & bündig
- Etwa ein Prozent der Schweizer Mastschweine verendet an HIS.
- Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass die Herkunft der Ferkel sowie die Fütterung der Tiere Umweltfaktoren sind, die das Krankheitsgeschehen beeinflussen.
- Der höchste Risikofaktor scheint die Vaterrasse «Premo» zu sein. Die genetische Ursache für die höhere Anfälligkeit konnte bislang allerdings noch nicht identifiziert werden.

Gesunde Mastschweine morgens tot im Stall zu finden, ist für viele LandwirtInnen psychisch sehr belastend. Die Ursache solcher plötzlichen Todesfälle kann das Hämorrhagische Intestinal-Syndrom (HIS) sein.

Man geht davon aus, dass ein bis zwei Prozent aller Mastschweine jährlich in der Schweiz im Stall verenden. Bei rund der Hälfte der verendeten Mastschweine lautet die Diagnose des Tierarztes nach einer Sektion HIS. Jährlich sind etwa 20'000 Schweine zwischen Mittel- und Endmast von HIS betroffen. Wenn augenscheinlich gesunde Tiere plötzlich umstehen, entstehen LandwirtInnen erhebliche ökonomische Verluste.

Gemeinsames Projekt soll Klarheit zu HIS bringen

Vor diesem Hintergrund lancierte die Suisag gemeinsam mit der Uni Bern und der ETH Zürich ein Projekt, welches mehr Klarheit in das Krankheitsgeschehen HIS in der Schweiz bringen sollte. Dr. Negar Khayatzadeh ist bei der Suisag als Projektleiterin Genetik tätig. Sie erklärt, dass das Projekt zur Erforschung von HIS in der Schweiz in die beiden Teilprojekte (TP) Umwelt und Genomik aufgeteilt worden sei. Von Dr. Alexander Grahofer, Tierarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bern, wurde untersucht, welche Umwelteinflüsse das Auftreten von HIS begünstigen.

Das vom BLV geförderte TP Umwelt beinhaltet eine Risikofaktorenstudie, welche in Form einer Umfrage bei SchweinehalterInnen durchgeführt wurde. Im TP Umwelt wurden Haltungsbedingungen, Futtereigenschaften sowie Managementfaktoren in fast 50 Beständen mit hohen Verlusten durch HIS erhoben und mit denen in 50 Beständen mit niedrigen Verlusten durch HIS verglichen. Das TP Umwelt sei per März 2024 offiziell abgeschlossen, so Khayatzadeh. Die Ergebnisse von Alexander Grahofers Untersuchungen liegen vor.

Die Herkunft der Ferkel hat einen Einfluss auf HIS

«Das Auftreten von HIS ist sehr betriebsindividuell», erklärt der Tierarzt. Dies sei zunächst frustrierend. Jedoch gab es Umwelteinflüsse, die signifikante Effekte auf das Auftreten von HIS hatten. Ein Faktor, der in diesem Zusammenhang zu beachten ist und einen grossen Einfluss hat, ist die Herkunft der Ferkel. In der Umfrage der Uni Bern wurden LandwirtInnen gefragt, von wie vielen Herkunftsbetrieben sie ihre Ferkel zukaufen.

Wie sich zeigte, ist das Vorkommen von HIS deutlich höher, wenn die zugekauften Ferkel von unterschiedlichen Betrieben stammen. Daher sei es besser, Tiere aus nur einem Herkunftsbestand zu beziehen.

Der Hintergrund: Einige Studien deuten darauf hin, dass HIS auch infektiöse Ursachen haben kann und das Vorkommen bestimmter Erreger wie zum Beispiel Clostridium perfringens mit HIS in Zusammenhang steht. «Kaufe ich von mehreren Beständen Tiere zu, unabhängig davon, ob ich im Rein-Raus-Prinzip einstalle, ist das Risiko der Einschleppung von Krankheiten entsprechend grösser», berichtet Grahofer.

Negar Khayatzadeh von der Suisag betont diesbezüglich, dass der Kauf von Masttieren in der Schweiz zumeist durch Vermarkter getätigt werde und diese den LandwirtInnen Tiere aus mehreren Beständen anbieten. «So ist es den LandwirtInnen nur schwer möglich, ihre Masttiere nur von einem einzigen Herkunftsbetrieb zu beziehen», erklärt Khayatzadeh. «Dennoch können LandwirtInnen beim Zukauf mehr Aufmerksamkeit auf gesundheitliche Massnahmen lenken», so Khayatzadeh weiter. Aus Mästerkreisen ist zu hören, dass viele bereits einen oder zwei fix zugewiesene Züchter haben.

Hämorrhagisches Intestinal-Syndrom (HIS)
Schweine, die an HIS verenden, werden zumeist aufgebläht und mit blasser Haut tot im Stall gefunden. Ursache ist eine Darmdrehung, bei der sich der Darm um seine eigene Aufhängung im Bauchraum oder einzelne Darmschlingen um sich selbst drehen. Das Blut, welches in den Venen der Darmwand fliesst, kann dadurch nicht mehr ablaufen. Es kommt zunächst zu einem Blutstau in den Venen. Wird der Druck zu hoch, wird die Venenwand durchlässig und das Blut fliesst in den Bauchraum. Die Todesursache bei betroffenen Tieren ist ein Herz-Kreislauf-Versagen infolge des Blutverlustes. Quelle: Merkblatt Suisag, im Mitgliederbereich abrufbar

Ungekühlt und nicht angesäuert ist Schottenfütterung ein Risiko

Als weiteren Risikofaktor für HIS konnte Alexander Grahofer die Fütterung von Schotte identifizieren. Betriebe im Tal kaufen die Schotte für gewöhnlich einmal in der Woche zu. Steht diese dann ungekühlt und unangesäuert im Tank, vermehren sich Bakterien sehr rasch und das Risiko für HIS steigt, wenn die Schotte verfüttert wird.

Bei Alpschweinen sei das Risiko trotz vermehrter Schottenfütterung nicht höher, da die Schotte zum Zeitpunkt der Fütterung meist noch viel frischer sei, so Grahofer.

Auch die Häufigkeit der Reinigung der Futteranlagen spielt eine Rolle. Grundsätzlich ist eine gute Hygiene ausgesprochen wichtig. Werden die Anlagen allerdings zu oft gereinigt, kann dies eher einen negativen Effekt haben. Denn in den Futterleitungen herrscht auch eine bakterielle Flora, die den Tieren gesundheitlich zuträglich ist.

«Wir haben herausgefunden, dass das HIS-Risiko deutlich steigt, wenn die Anlagen wöchentlich gereinigt wurden. Besser ist es, die Anlagen in zeitlich etwas grösseren Abständen, zum Beispiel vor jedem neuen Einstallungszyklus, zu reinigen», sagt Alexander Grahofer. Dies habe einen protektiven Faktor, schützt also besser vor HIS als eine wöchentliche Reinigung.

Mehr Verluste durch HIS bei Premo-Vätern

Der hauptausschlaggebende Risikofaktor gemäss Grahofers Studie ist die Vaterrasse, die zur Erzeugung der Mastferkel genutzt wird. Zahlreiche Umfragen bei LandwirtInnen spiegeln wider, was in der Branche spürbar ist: Stammen die Mastschweine von Premo-Ebern ab, sind die Verluste durch HIS höher.

Viele Mäster setzen daher vermehrt auf Duroc als Vaterrasse und haben seitdem weniger HIS-Fälle. Im Jahresbericht der Suisag ist dieser Trend deutlich zu erkennen. Die Anzahl der Besamungen mit Duroc-Ebern sind massiv gestiegen, wohingegen Premo-Eber deutlich weniger nachgefragt werden.

In der Schweiz war es bislang üblich, Premo als Vaterrasse zu nutzen. Denn Premo wurde jahrelang entsprechend den Anforderungen der Schweizer KonsumentInnen gezüchtet. Die Uniformität der Fleischqualität und des Magerfleischanteils sei bei Premo besser, weil der züchterische Schwerpunkt dieser Vaterrasse viel intensiver auf der Fleischqualität liegt, so Grahofer.

Premo punktet weiterhin mit seiner Fleischqualität

Dies wird von Negar Khayatzadeh bestätigt: «Masttiere mit Premo-Vätern zeichnen sich durch ihre hohe Mast- und Schlachtleistung aus. Dies führt zu einer effizienten Produktion und zu kürzeren Mastzeiten, was sowohl ökonomisch wie auch ökologisch vorteilhaft ist. Ausserdem zeichnet sich die Fleischqualität von Premo durch hohes intramuskuläres Fett und weniger Tropfsaftverlust aus, weil die Fleischqualitätsmerkmale in unserem Zuchtprogramm für die Premo-Vaterlinie genau betrachtet werden.»

Premo bleibe trotz der Herausforderungen durch HIS weiterhin eine hervorragende Wahl für Mastbetriebe und habe immer noch einen bedeutenden Marktanteil in der Schweiz.

Der Wechsel hin zu Duroc ist in den Schlachtpartien hinsichtlich der Fleischqualität klar zu erkennen. «Dies ist auch ein Grund, warum manche LandwirtInnen doch wieder zu Premo zurückgekehrt sind. Die mentale Belastung der plötzlichen Verluste durch HIS untermauern jedoch für viele LandwirtInnen den Wechsel zu Duroc», erzählt Grahofer.

Risiko ist seit einer Pilotstudie von 2020 bekannt

Dass Premo zu den Risikofaktoren für HIS zählt, zeigte sich bereits in einer Pilotstudie der Suisag 2020. Alexander Grahofer konnte dies anhand der Ergebnisse im TP Umwelt nun bestätigen. «Leider konnte Prof. Pausch in seiner Arbeit bislang keine genetischen Ursachen für die höhere HIS-Anfälligkeit in Premo-Nachkommen finden», sagt Grahofer und leitet damit zum zweiten Teilprojekt der von der Suisag lancierten Studie über, dem TP Genomik.

«Im vier Jahre dauernden TP Genomik wurde der Einfluss des Erbguts auf die Entstehung des HIS erforscht. Gewebeproben von über 1200 an HIS verendeten Schweinen wurden gesammelt und ihre Gene analysiert. So haben wir etwa 45 Millionen genetische Varianten typisiert und mit gesunden Tieren verglichen», erklärt Negar Khayatzadeh den Aufbau der vom BLW geförderten Untersuchung.

Ausgeführt wurde diese von Prof. Dr. Hubert Pausch von der ETH Zürich. «Die hohe HIS-Anfälligkeit von Premo-Nachkommen aus der Suisag-Pilotstudie sowie der Studie Alexander Grahofers konnten wir aus genetischer Sicht nicht feststellen. Wir haben im Genom von Premo-Ebern und deren Nachkommen keine Hinweise für eine höhere genetische Prädisposition für HIS gefunden», erklärt Pausch.

Genetische Selektion gegen die Krankheit kaum möglich

Das macht Schlussfolgerungen schwierig. Gäbe es ein Hauptgen, welches massgeblich an der Ausprägung der Krankheit beteiligt ist, wäre es durch gezielte Selektion möglich, das genetische HIS-Risiko bei Premo zu reduzieren. «Unsere Befunde sprechen leider nicht dafür», so Hubert Pausch. «Unsere Stichprobe lag bei knapp über 1200 Mastschweinen, die an HIS gestorben sind. Wahrscheinlich ist diese Stichprobe, trotz der hohen Tierzahl, immer noch zu klein, um HIS-assoziierte Gene zu finden. Das bringt uns wiederum an eine Grenze zu dem überhaupt Machbaren hier in der Schweiz, weil der gesamte Mastschweinebestand vergleichsweise klein ist», erklärt der Genetiker.

Es ist also nicht ohne Weiteres möglich, die vorhandene Stichprobe zu vergrössern. Aber auch wenn man in einer grösseren Stichprobe Gene finden würde, die mit dem Krankheitsgeschehen assoziiert sind, wären dies keine Hauptgene. Diese hätten die Forschenden schon lange aufgespürt.

Eine genetische Selektion gegen das Krankheitsgeschehen ist also bislang nicht möglich. Dies sei ernüchternd, weil man aus genetischer Sicht kaum etwas machen könne, erzählt Pausch. Und doch sei der Rasse-Effekt nicht wegzudiskutieren.

Genetik und Umwelt: Beides hat Einflüsse

Es wurde bereits im Jahr 1976 in einer schottischen Publikation festgestellt, dass die Rasse das Auftreten von HIS beeinflussen kann. Da aber einerseits aus dem umfangreichen TP Genomik bis dato keine genetischen Risikofaktoren oder Resistenzen bekannt seien und andererseits das Leistungsniveau der einzelnen Tiere nicht mitberücksichtigt worden sei, hänge HIS auch stark von den identifizierten Umweltfaktoren ab, erklärt Negar Khayatzadeh.

«Die Experten an der ETH arbeiten noch intensiv daran und untersuchen weiterhin verschiedene Datensätze sowie statistische Methoden», so Khayatzadeh weiter. Das TP Genomik läuft bis Ende 2024 und die endgültigen Resultate stehen noch aus. Dann fällt die Entscheidung darüber, ob es noch weiteren Forschungsbedarf gibt.