Kurz & bündig
- Eine konstante Brunstbeobachtung mit digitalen Hilfsmitteln erhöht den Anteil richtig erkannter Brunsten.
- Allein für die Brunsterkennung reicht ein einfaches System zur Messung der Bewegungsaktivität.
- Sollen weitere Parameter wie das Fressverhalten untersucht werden, kann sich die Investition in ein komplexeres System wie den Pansenbolus lohnen.
Ein zentraler Punkt zur Erreichung einer guten Herdenfruchtbarkeit ist die effiziente und genaue Erkennung der Brunst. Nur so kann die Besamung zeitlich korrekt durchgeführt werden. Auch bei der Brunsterkennung spielt die Digitalisierung heute eine entscheidende Rolle.
Weniger Zeit für die Brunstbeobachtung
Die empfohlene Zeit für die Brunstbeobachtung liegt auch heute noch bei dreimal 15 Minuten pro Tag, ausserhalb der Stallzeiten. In der Praxis wird dies aber häufig nicht umgesetzt, da die Zeit oder das Arbeitspersonal dafür fehlt. «Ich kenne kaum einen Betrieb, der tatsächlich so viel Zeit in die Brunstbeobachtung investiert», sagt Beat Berchtold.
Beat Berchtold hat sich auf die tierärztliche Bestandesbetreuung spezialisiert und ist Inhaber der TBB-Rind in Bargen BE.
Ursachen und finanzielle Folgen einer verpassten Brunst
Das Verpassen einer Brunst bleibt für LandwirtInnen nicht ohne Folgen. Eine verpasste Brunst kann laut Swissgenetics bis zu 350 Franken kosten. Laut Beat Berchtold können die Gründe, wieso eine Brunst verpasst wird, sehr vielseitig sein:
- Ungenügende/falsche Beobachtung
- Fruchtbarkeitsstörungen (z. B. Stille Brunst, Zysten, Azyklie)
- Brunsten werden kürzer (abhängig von Genetik und Milchleistung)
- Undeutliche Brunstanzeichen
- Unausgeglichene Fütterung, spezifischer Mangel
- Rutschige Böden
- Lahme/kranke Tiere
- Rangniedrige Tiere
Wie hoch der Anteil an verpassten Brunsten in der Schweiz tatsächlich ist, sei laut Berchtold kaum messbar. Was jedoch besteht, ist ein Zusammenhang zwischen der gewählten Beobachtungsmethode und dem Anteil richtig erkannter Brunsten. Dies wird in der Tabelle «Verschiedene Brunsterkennungsmethoden» aufgezeigt.
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Sensoren messen die Bewegungsaktivität der Tiere
Eine praktische Hilfe, um Brunsten zu erkennen, bietet die Messung der Bewegungsaktivität mithilfe von Sensortechnik. Dabei werden die «normalen» Bewegungsmuster sowie abweichende Bewegungsmuster durch die Brunst aufgezeichnet. Die Daten werden erfasst und können durch den Tierhalter oder den Tierarzt analysiert werden. «Die Verwendung von künstlicher Intelligenz hat insbesondere als Hilfsmittel bei der Datenauswertung an Bedeutung gewonnen», sagt Beat Berchtold. Im Bereich der digitalen Brunsterkennung haben sich in der Schweiz die folgenden Systeme durchgesetzt:
- Pedometer
- Halsbandsensor
- Digitale Ohrmarke
- Pansenbolus
Für diese Betriebe lohnt sich ein digitales Hilfsmittel
Hilfsmittel lohnen sich in erster Linie für Betriebe, welche Mühe mit der Brunsterkennung oder zu wenig Zeit für die Brunstbeobachtung haben. Aber auch in folgenden Situationen kann laut Beat Berchtold ein digitales System sehr sinnvoll sein:
- Ställe, welche verwinkelt und nicht offen sind und somit die Beobachtung der Tiere erschwert ist.
- Zweigeteilte Ställe mit angebautem Fress- oder Liegebereich.
- Erkennung der Brunstaktivität in der Nacht und zu Stallrandzeiten.
- Herde, bei der ein Muni mitläuft, um den Besamungszeitpunkt einzugrenzen.
- Generelle Managementunterstützung (Überwachung der Tier- und Herdengesundheit, Früherkennung von Erkrankungen wie Verdauungsstörung oder Euterentzündung).
Das passende System für den Betrieb finden
Ob und für welches Hilfsmittel sich ein Landwirt entscheidet, kann je nach Betriebsgrösse und -struktur unterschiedlich aussehen. Bei der Auswahl eines passenden Hilfsmittels gilt es, einiges zu berücksichtigen. «Für die Brunsterkennung allein reicht grundsätzlich ein einfaches Hilfsmittel mit einem Sensorsystem, welches die Bewegungsaktivität aufzeichnet», erklärt Tierarzt Beat Berchtold. Bei den Halsbandsensoren sind verschiedene Systeme auf dem Markt. Hier können Sensoren nur zur Brunsterkennung gewählt, aber auch weitere Parameter ergänzt werden. Der Preis ändert sich dementsprechend.
Nur für die Brunsterkennung sei der Bolus ein sehr teures System. Möchte ein Betrieb aber weitere Parameter wie zum Beispiel das Fressverhalten untersuchen, kann es durchaus Sinn machen, die Variante Bolus zu wählen. Grundsätzlich steigt der Preis eines digitalen Hilfsmittels mit der Anzahl an Parametern, welche aufgezeichnet werden können.
Die Preise variieren je nach System, Hersteller, Nutzungsdauer und Anzahl zu untersuchender Parameter stark. Neben dem Preis des digitalen Hilfsmittels müssen auch die Kosten für die Software, die Antenne und das Internet beachtet werden.
Bessere Fruchtbarkeit durch genaue Datenerfassung
Indem die Aktivitätsmuster mit der Zeit sehr individuell auf die Kuh abgestimmt werden, können digitale Hilfsmittel sehr gut helfen, die Fruchtbarkeit zu verbessern. Dazu gehören die folgenden Aspekte:
- Die erste Brunst wird früher erkannt.
- Es ist besser möglich, die Tiere nach der definierten Rastzeit zu besamen.
- Die Nachbesamungen werden häufiger nach 21 Tagen getätigt.
- Die Serviceperiode und die Rastzeit kommen enger zusammen, wodurch sich generell die Fruchtbarkeit verbessert.
- Der Besamungserfolg verbessert sich.
- Fruchtbarkeitsstörungen wie Stille Brunsten oder azyklische Kühe können erkannt werden.
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Brunsterkennung im Anbindestall nach wie vor eine Herausforderung
Eine Herausforderung, die bestehen bleibt, ist die Brunstbeobachtung im Anbindestall. «Betriebe, die sehr wenige Brunsten verpassen, sind in der Regel Betriebe, die einen Laufstall haben und zusätzlich ein digitales Brunsterkennungssystem nutzen», beobachtet Beat Berchtold. «Dazu kommt, dass die Brunstbeobachtung schon generell herausfordernder sein kann», ergänzt Berchtold.
Im Anbindestall gebe es bis heute noch kein zufriedenstellendes digitales Hilfsmittel für die Brunsterkennung, da die jetzigen Systeme alle auf der Bewegungsaktivität basieren.
Durch digitale Systeme werden nicht alle Probleme gelöst
Auch wenn digitale Hilfsmittel mittlerweile sehr zuverlässig sind, besteht trotzdem eine gewisse Fehlerquote. Ein gutes Beispiel stellt hier eine Mutterkuhherde dar, welche im Sommer Tag und Nacht auf der Weide verbringt.
«Wenn die Weide zu weit vom Stall und somit von der Antenne entfernt ist, kann es sein, dass die Sensordaten nicht aufgezeichnet werden», sagt Beat Berchtold. Hierbei müssen teilweise mobile Antennen aufgestellt werden.
Zudem müssen Ursachen einer nicht erkannten Brunst, welche auch mit digitalen Hilfsmitteln nicht gelöst werden können, behoben werden. Ein Beispiel dafür sind rutschige Böden im Stall. «Auch bei lahmen oder kranken Tieren wird ein digitales Hilfsmittel für die Brunsterkennung nicht sehr viel bringen», so Berchtold.
Weiter ist es auch entscheidend, wie die Informationen praktisch umgesetzt werden. «Diese Systeme sind nur so gut, wie sie letztlich auch genutzt werden. Informationen durch die Auswertungen müssen aufgenommen und in der Praxis weiterverwendet werden», fasst Berchtold zusammen. Wenn die Besamung nicht zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, lohnt sich die Investition am Ende auch nicht. Zudem besteht auch die Gefahr, dass man den Fokus verlieren könnte, wenn man sich zu stark auf die digitalen Systeme verlässt. «Deswegen gilt es weiterhin, die Fruchtbarkeitskennzahlen kritisch anzuschauen und auch mal zu hinterfragen», schlussfolgert der Tierarzt.
Übersicht verschiedener Systeme zur digitalen Brunstbeobachtung
Pedometer
Ein Pedometer wird am Bein der Kuh befestigt. Durch die Erfassung der Schrittzahl wird die Bewegungsaktivität gemessen. Erweiterte Systeme können auch Parameter wie Steh- und Liegezeiten und die Anzahl Aufsteh-Ereignisse erfassen.
- Alarme: Je nach System Brunst, Gesundheit, Kalben
- Nutzungsdauer (Batterielaufzeit): Je nach Hersteller 5 bis < 10 Jahre
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Halsbandsensor
Mithilfe der Anbringung von Sensoren am Halsband können neben der Bewegungsaktivität je nach System auch Parameter wie Steh- und Liegezeiten, Fresszeiten, Wiederkäuen und Temperatur erfasst werden.
- Alarme: Je nach System Brunst, Gesundheit, Kalben, Hitzestress
- Nutzungsdauer (Batterielaufzeit): Je nach Hersteller < 6 Monate bis < 10 Jahre
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Digitale Ohrmarke
Mithilfe der Anbringung von Sensoren am Ohr können neben der Bewegungsaktivität je nach System auch Parameter wie Steh- und Liegezeiten, Fresszeiten, Wiederkäuen und Temperatur erfasst werden.
- Alarme: Je nach System Brunst, Gesundheit, Kalben, Hitzestress
- Nutzungsdauer (Batterielaufzeit): Je nach Hersteller 2 bis < 10 Jahre
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Pansenbolus
Der Bolus wird der Kuh verabreicht und landet schlussendlich im Netzmagen. Neben der Bewegungsaktivität kann der Bolus auch weitere Informationen wie Abkalbezeitpunkt, Trink- und Fressverhalten, Temperatur/pH/Aktivität des Pansens messen.
- Alarme: Je nach System Brunst, Gesundheit, Kalben, Hitzestress
- Nutzungsdauer (Batterielaufzeit): Je nach Hersteller < 5 Jahre
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