Kurz & bündig

- In Europa fallen jährlich etwa 5 Mio Tonnen Former Food Products (FFPs) an.
- Würden diese vermehrt als Futtermittel verwertet werden, könnte dies zu einer drastischen Entlastung der Agrarressourcen führen.
- Vor allem Mastschweine eignen sich gut für die Fütterung mit FFPs.
- Die Fütterung von FFPs hat keine Auswirkungen auf die Gewichtszunahme oder den Gesundheitsstatus von Mastschweinen.

 

Lebensmittel, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet sind, werden im Grunde schon seit Jahrtausenden an Schweine verfüttert», sagt Dr. Marco Tretola, der sich bei der Agroscope wissenschaftlich mit der Fütterung dieser Art von Lebensmitteln in der Schweinehaltung beschäftigt.

Allerdings sei es in der modernen und hocheffizienten Lebensmittelproduktion wichtig, genau zu verstehen, inwiefern sich jeder Futterinhaltsstoff auf die Leistung und die Tiergesundheit auswirkt. Zunächst erklärt Marco Tretola, was Former Food Products (FFPs) von Lebensmittelabfällen unterscheidet.

Lebensmittelabfälle sindkeine Former Food Products

«Der in den letzten Jahren immer geläufiger werdende Begriff Food Waste bezeichnet weggeworfene Materialien, die eigentlich für den menschlichen Verzehr vorgesehen waren, wie zum Beispiel in Restaurants oder im Haushalt. Laut EU-Gesetz ist es verboten, Lebensmittelabfälle als Futtermittel zu nutzen», stellt Tretola klar.

Agroscope-Forschende untersuchten die Auswirkungen des Verfütterns von «Former Food Products» (FFP) auf Schweine. Agroscope Lebensmittelreste als Schweinefutter Friday, 12. July 2024 Former Food Products hingegen seien Materialien, die unter Berücksichtigung des europäischen Lebensmittelrechts produziert wurden, sich jedoch aus Gründen wie etwa Produktionsfehlern, Verpackungsdefekten oder logistischen Hindernissen nicht länger für den Humanverzehr eignen.

Zudem dürfen FFPs keinerlei Gesundheitsrisiken in der Fütterung darstellen und müssen als Futtermaterial im Katalog der EU-Kommission No 68/2013 gelistet sein. «Diese Unterscheidung stellt sicher, dass ausschliesslich sichere und qualitative hochwertige Materialien als Tierfutter genutzt werden», erklärt Marco Tretola.

Schokoriegel und Snacks landen bei Tierfutterproduzenten

Beispiele für Lebensmittel, die als FFPs im Futtertrog landen können, sind Kekse, Brot, Frühstücksmüesli, Schokoriegel, Teigwaren sowie herzhafte und süsse Snacks. Allen gemein ist der hohe Energieanteil durch Stoffe wie Zucker, Öle und Stärke.

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Kommt es bei deren Produktion zum Beispiel zu Fehlern, die die gewünschte Form, Farbe oder den Geschmack verändern, entscheiden Fabrikanten, dass das Produkt nicht mehr für den Humanverzehr geeignet ist. Auch durch Überproduktionen aufgrund saisonaler Angebote, Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums oder das Einstellen einer ganzen Produktionslinie können FFPs entstehen.

In der Landi Sursee werden Lebensmittel zu Tierfutter verwertet. Bild: Ruben Sprich Hofmanagement Food Recycling bei der Landi Sursee Monday, 3. June 2019 Ist deren Lebensmittelsicherheit und Rückverfolgbarkeit rechtlich gesichert, werden die FFPs von Tierfutterproduzenten aufgekauft, die Verpackung entfernt und je nach Nährstoffbedarf des Tierfutters in ihre Bestandteile aufgeteilt. So entsteht das Endprodukt «Pic-mix», welches anschliessend entweder zu Mischfutterproduzenten oder direkt an die tierhaltenden Betriebe geliefert wird.

Bisher waren die Informationen über den Effekt von FFPs auf die Tiergesundheit, Leistung und Fleischqualität noch begrenzt.

Dies sei wahrscheinlich der limitierende Faktor für die bisher nur begrenzte Aufwertung von FFPs als wertvolles Tierfutter, so Tretola. Er arbeitet gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe daran, Wissenslücken in diesem Bereich zu schliessen.

«Durch unsere Forschung generieren wir robuste wissenschaftliche Daten, die den sicheren und effektiven Einbezug von FFPs in ausgewogenem Schweinefutter beleuchten. Wir wollen dadurch das Potenzial von FFPs offenlegen und für deren breitere Anwendung im Nutztierfutter sensibilisieren. Dadurch können Lebensmittelkreisläufe nachhaltiger gestaltet, die Konkurrenz zwischen Lebensmitteln und Futtermitteln reduziert und einer Verschwendung entgegengewirkt werden», erklärt der Wissenschaftler.

In den letzten Jahren untersuchte Tretola, welchen Effekt ein 30-prozentiger Anteil von FFPs im Schweinefutter auf die Gesundheit von Schweinen nach dem Absetzen bis zur Endmast hat.

«Unsere Untersuchungen zeigten, dass alle zu 30 Prozent mit FFPs gefütterten Tiere während der Testphase bei guter Gesundheit waren. Gewichtszunahmen blieben durch die FFP-Fütterung unverändert. Auch die Fleischqualität und die Darmgesundheit der Testtiere unterschied sich nicht von derjenigen der Kontrolltiere mit konventionellem Fütterungsregime», erläutert Tretola seine Studienergebnisse.

Former Food Products könnte Weizen einsparen

In Europa werden jährlich fünf Mio Tonnen FFPs produziert. Etwa 100 Firmen haben sich auf deren Umwandlung zu Tierfutter spezialisiert. Marco Tretola veranschaulicht diese Zahlen wie folgt: «Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass die Nutzung von 3,5 Mio Tonnen FFPs als Tierfutter zur Einsparung von 350 000 bis 400 000 Hektaren Weizen führen könnte, der ansonsten für die Nutztierfütterung angebaut werden würde.»

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Diese Zahlen führen das Potenzial vor Augen, welches FFPs zur Entlastung der Agrarressourcen haben, während sie ebenfalls nachhaltige und kreislaufartige Produktionssysteme fördern. «Belastbare Zahlen zur Nutzung von FFPs in der Schweiz zu finden, ist schwer», so Tretola, «aber klar ist, dass bisher nur ein kleiner Anteil von FFPs der Futtermittelindustrie zugeführt wird.»

Stefan Buri füttert erfolgreich Nebenprodukte

Auf dem Betrieb von Stefan Buri ist die Fütterung von Lebensmittelnebenprodukten seit 25 Jahren Tagesgeschäft. Er führt in Hasle-Rüegsau einen Schweinemastbetrieb mit 1400 Mastplätzen. Bereits sein Vater begann mit der Fütterung von Molke und anderen Lebensmittelnebenprodukten.

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Aktuell füttert Buri Milchpulvernebenprodukte, die bei der Produktion von Babynahrung anfallen. «Die Firma Nestlé hat einen Abnehmer für diese Nebenprodukte gesucht, so sind wir dazu gekommen», erzählt der Landwirt.

Ein weiteres Lebensmittelnebenprodukt, das auf dem Betrieb Buri verfüttert wird, sind Kartoffeldampfschalen aus der Pommes-Frites-Industrie. Diese werden von der Firma Coting aus dem freiburgischen Arconciel mit der Abwärme ihrer Biogasanlage gekocht und dann im Tankwagen auf dem Betrieb in Hasle-Rüegsau angeliefert.

Auch die Molke wird den Mastschweinen nach wie vor gefüttert. Doch wie landet das vielseitige Futter im Trog? «Wir füttern flüssig», antwortet Stefan Buri und erklärt: «Jede Futterkomponente ist einem eigenen Tank oder Silo vorgelagert, wird separat zur Fütterungsanlage geführt und nach dem entsprechenden Rezept gemischt. Aus dem Anmischbehälter wird das Futter in die Tröge gepumpt.»

Dies setzt bestimmte betriebliche Strukturen voraus. Die Investition in die dafür notwendige Technik erfordere schon eine gewisse Betriebsgrösse, sagt der Mäster. Zudem sei es für die meisten Industriebetriebe interessanter, grosse Mengen abzusetzen.

Mehr Wertschöpfung auf dem Schweinemastbetrieb

In Sachen Wirtschaftlichkeit lohnt sich die Fütterung von Lebensmittelnebenprodukten für Stefan Buri. Der Mehraufwand durch die Aufbereitung, die Lagerung und die Logistik sei nicht zu bestreiten, aber man bringe auch mehr Wertschöpfung auf den Betrieb. «Die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit der Einbeziehung von FFPs im Futtermittel zu beurteilen, ist kompliziert. Der fluktuierende Getreidepreis und die Umwandlungskosten von FFPs zu Tierfutter sind nur zwei Punkte, auf die es vor diesem Hintergrund ankommt. Diese und weitere Variablen machen eine umfassende Marktanalyse sehr komplex», so Marco Tretola.

Ungeachtet dessen ist die Aufwertung natürlicher Ressourcen durch ihre Nutzung als Futtermittel wertvoller, nachhaltiger und ressourcenschonender als die Alternative: deren Entsorgung in der Müllverbrennung.

 

Betriebsspiegel von Stefan Buri

Stefan Buri, Hasle-Rüegsau BE
LN: 24 ha
Kulturen: Futterweizen, Gerste, Raps, Ackerbohnen-Hafer-Gemenge, Sojabohnen
Tierbestand: 1400 Mastschweine (25 bis 115 kg)
Weitere Betriebszweige: Kompostieranlage, Produktion von Kälbermilchpulver und Ferkelfutterkomponenten
Arbeitskräfte: Zwei Mitarbeiter 100 %, ein Mitarbeiter 40 %, Betriebsleiter