Kurz & bündig

- Familie Stucki mästet seit acht Jahren Poulets für Bell (Coop).
- Sie produzieren nach BTS und RAUS. Das bedeutet unter anderem, dass ihre Tiere im Stall und im Aussenklimabereich mehr Platz haben. Ausserdem haben sie Weidezugang.
- Ruedi Stucki muss das Geflügel mit verschiedenen Massnahmen vor Greifvögeln und Füchsen schützen.
- Gegen die Vogelgrippe musste er glücklicherweise noch nichts unternehmen, da der Betrieb nicht im näheren Umkreis der positiv getesteten Tiere liegt.

Kein einziges Huhn traut sich an diesem Nachmittag nach draussen auf die Weide. Lieber sonnen sich die Tiere im Aussenklimabereich, in dem die Sonne den Stallboden aufwärmt. Oder sie bleiben gleich im Stall, bei angenehmen 22 Grad.[IMG 2]

Die Törchen zur Weide sind offen, daran kann es nicht liegen. «Es ist ihnen wohl noch zu kalt. Sie frieren nicht gerne an die Füsse», erklärt Ruedi Stucki und lacht. Stucki ist Landwirt und Geflügelproduzent. Mit seiner Frau Yolanda führt er den Betrieb in Eggiwil BE. Vor acht Jahren begannen sie mit der Geflügelfleischproduktion, vor zwei Jahren bauten sie einen neuen Stall.

Stuckis produzieren für die Bell Schweiz AG Poulets, für das Label Coop Naturafarm, das unter anderem vorsieht, dass Geflügel einen Aussenklimabereich sowie Weidezugang hat.

Anfangs wäre es draussen zu kalt für die frisch Geschlüpften

«Bei warmen Temperaturen um 20 Grad ist die Weide beliebt. Dann verteilen sich die Hühner den ganzen Hang hinauf, picken nach Würmern und wollen abends gar nicht hineinkommen», erzählt Ruedi Stucki.

Zahlen zu Familie Stuckis Geflügelproduktion
Familie Stucki produziert Geflügel für das Label Coop Naturaplan. Eine der Vorschriften lautet, dass sie ihrem Geflügel Weidezugang ermöglichen müssen. Hier ein paar Zahlen zur Produktion im Eggiwiler Geflügelstall, die zeigen, was die Label-Produktion für Stuckis konkret bedeutet:

- Familie Stucki hat in ihrem Stall Platz für 4800 Tiere.
- Pro Jahr machen sie durchschnittlich 5,8 Umtriebe.
- Die Küken werden an ihrem 1. Lebenstag auf den Betrieb geliefert.
- Sie bleiben, bis sie 56 Tage alt sind. Dann werden sie verladen und an den Schlachthof geliefert.
- Zu diesem Zeitpunkt wiegen sie durchschnittlich 2 kg.
- Ab dem 21. Tag können sie in den Aussenklimabereich, welcher 40 % der Stallfläche misst, und auf die Weide – ausser bei schlechtem/kaltem Wetter. Damit kann bis zum 35. Tag gewartet werden.
- Jedes Masthuhn hat mindestens 2 Quadratmeter Weide zur Verfügung.
- Die maximale Bestandesdichte richtet sich nach dem Gewicht am Schlachttermin: Bei Stuckis beträgt sie max. 25 kg/m2.

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Ab dem 21. Lebenstag öffnet Stucki die Klappen zum Aussenklimabereich und zur Weide. Vorher, als frisch geschlüpfte Küken, sind die Tiere besonders wärmebedürftig. Der Stall ist dann auf 34 Grad aufgeheizt und der Zugang zu den Aussenbereichen bleibt geschlossen. Aktuell sind die Hühner 44 Tage alt. Seit mehreren Tagen dürfen sie auf die Weide.

Dabei lauern allerdings einige Gefahren. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich Greifvögel auf die Geflügelgruppe «einschiessen» und regelmässig ein Huhn holen kommen.

«Er kommt zurück, um ein nächstes, frisches Huhn zu schnappen»

Ruedi Stucki, Geflügelproduzent

Auch Stuckis kennen dieses Problem. Die Geflügelhalle und die Weide sind nahe am Wald gelegen. Der Habicht sei ein regelmässiger Besucher. Wenn er beim Stall Arbeiten erledige, habe er ihn auch schon gehört und beobachtet, erzählt Ruedi Stucki.

Den Habicht ja nicht beim Fressen stören

Die Hühner sind zu gross für den Habicht, er kann sie nicht einfach mit sich davontragen. Er löst das Problem, indem er vor Ort, auf dem Boden der umzäunten Weide, zu fressen beginnt. Er hüte sich, den Habicht dabei zu stören, sagt Stucki: «Wenn der Habicht erschrickt, fliegt er davon. Später kehrt er zurück – aber nicht, um an der erlegten Beute weiter zu fressen, sondern um ein nächstes, frisches Huhn zu schnappen», erklärt der Landwirt. Wenn der Habicht jeden zweiten Tag ein Huhn hole, dann könne er das verkraften, so Stucki. Unter dieser Grenze sei es in gewisser Weise ein Überlassen und Akzeptieren.

Oder ein Resignieren? Nein, widerspricht Stucki, das nicht. Er setze einige Massnahmen um, mit denen er den Habicht fernhält:

  • Bäume und Büsche setzen. Zurzeit sind die Pflanzen noch klein, sollen aber künftig den Hühnern Schutz bieten.
  • Kleine zeltartige Unterschlupfe sind auf der Weide verteilt.
  • Vom Stall zum Boden hinunter ist ein Netz gespannt, ähnlich einem Sonnensegel auf den Gartensitzplätzen. Das dient im Sommer als Schattenspender und soll ausserdem die Angreifer aus der Luft abhalten.
  • Abschreckungstaktiken: Abwechslungsweise lässt Ruedi Stucki Radio laufen, hängt CDs in den Baum oder stellt eine Vogelscheuche auf.

«Bei der Abschreckung muss ich ziemlich kreativ sein. Denn nach einigen Tagen haben sich die Habichte daran gewöhnt und lassen sich damit nicht mehr vertreiben», sagt Stucki.

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Hähne, Ziegen oder Alpakas als Wächter

Erika Bigler, Beraterin am Aviforum, kennt das Problem Greifvogel: «Helfen können Hähne, da sie eine gewisse «Wächterfunktion» einnehmen und die Hennen warnen», rät sie. Allerdings richtet sich dieser Tipp eher an Eierproduzenten, bei denen die Tiere älter werden. Bei Stuckis Geflügel sind die Männchen zu klein für die Verteidigung.

Betriebe haben gute Erfahrungen mit der Haltung von Ziegen oder Alpakas im Hühnerauslauf gemacht, fügt Bigler hinzu. Wichtig sei dabei, deren artgerechte Haltung und die potenzielle Einschleppung von Krankheitserregern zu beachten.

Nebst der Gefahr aus der Luft kann auch der Fuchs den Geflügelbestand dezimieren. Damit habe er zum Glück keine grossen Probleme, sagt Ruedi Stucki. Er umzäunt die Geflügelweide mit einem Weidenetz, gut einen Meter hoch, und leitet Strom darauf, um Räuber abzuhalten.

Einmal hätte sich ein Fuchs unter dem Zaun durchgegraben und einen ziemlichen Schaden angerichtet, erinnert sich Stucki. Seither sei aber wieder Ruhe. Den Zaun einzugraben komme nicht infrage. Denn er passe die Weidefläche und -grösse laufend an, müsse flexibel und schnell reagieren und wolle daher keinen permanenten Zaun installieren, so der Geflügelhalter.

Betriebsspiegel der Familie Stucki
Yolanda und Ruedi Stucki, Eggiwil BE

LN: 29 ha
Kulturen: Roggen, Sommerweizen, Kunst- und Naturwiese, Weide, Wald
Tierbestand: 30 Mutterkühe, 4800 Mastplätze für Geflügel
Weitere Betriebszweige: 40 % bei der Spitex (Yolanda)
Arbeitskräfte: Yolanda und Ruedi Stucki, Sohn Pascal (20 %), Sohn Markus bei Arbeitsspitzen

Abnahmevertrag gibt Sicherheit, schränkt aber auch etwas ein

Mit der Weidehaltung bieten Stuckis ein Plus an Tierwohl. Das ist mit Aufwand verbunden: Weidepflege, höhere Futterkosten bei längerer weil extensiverer Mast, Schutz vor Wildtieren. Er werde dafür fair entlöhnt, sagt Ruedi Stucki.

«Die Geflügelpreiskalkulation ist sowohl für den Produzenten und den Abnehmer bekannt. Steigen die Produktionskosten für uns GeflügelhalterInnen wird das weitergegeben, bis in den Laden zu den KonsumentInnen», erklärt Stucki.

ProduzentInnen produzieren ihre Poulets im Vertrag mit Lieferung und Abnahme für die fünf verschiedenen Schweizer Abnehmer:

Im Gegenzug sei man in der unternehmerischen Freiheit, etwa bei der Wahl des Futter- oder Kükenlieferanten, eingeschränkt, sagt Ruedi Stucki. Die ProduzentInnen vernetzen sich aber untereinander und können so vereint mit dem Abnehmer verhandeln. «Es ist eine gute und zufriedenstellende Zusammenarbeit», so Stucki.

Zurück zum Tierwohl: Wenn die Weide dem Geflügel einen Mehrwert bietet, wieso werden dann nicht mehr als die aktuell acht Prozent der Schweizer Mastpoulets im Freiland gehalten?

«Produktion entspricht genau der Nachfrage im Laden»

Das RAUS-Programm, dessen Anforderungen auch Ruedi Stucki erfüllt, fordert beim Mastgeflügel eine Mindestmastdauer von 56 Tagen. Daher muss mit langsam wachsenden Hybriden gearbeitet werden, die deutlich höhere Produktionskosten verursachen, da sie länger und mit einem höheren Futteraufwand gemästet werden müssen.

«Freiland- und Bio-Poulets werden in einem höherpreisigen Produktesegment vermarktet. Der Anteil solcher Poulets an der Produktion entspricht genau der Nachfrage im Laden», erklärt Erika Bigler. Dies ist dank der oben beschrieben Organisation der Geflügelproduktion möglich. Bigler ergänzt: «Die Nachfrage nach Bio-Poulets steigt tendenziell, weshalb auch neue Bio-Mäster gesucht werden.»

Vogelgrippe (Aviäre Influenza)
Auf der Weide kommt das Geflügel unweigerlich mit Wildvögeln in Kontakt. Da besteht die Gefahr einer Ansteckung mit der Aviären Influenza AI, auch Vogelgrippe genannt. Sie seien bisher glücklicherweise nicht davon betroffen gewesen, sagt Ruedi Stucki.

Keine Körner oder Beeren
Den besten Schutz vor AI bietet eine komplette Fernhaltung des Hausgeflügels vor jeglichen Wildvögeln und deren Ausscheidungen, sagt Erika Bigler vom Aviforum: «Das bedeutet eine Beschränkung der Haltung auf den Stall und den gedeckten, vor Wildvögeln geschützten Aussenklimabereich.»
Bei Freilandhaltung dürfe keinesfalls auf der Weide gefüttert respektive Körner gestreut werden, ergänzt die Expertin. Dies würde Wildvögel anziehen. Auch Büsche mit für Wildvögel interessanten Beeren oder Früchten sind aus diesem Grund auf der Weide zu vermeiden.

Verbreitung in der Schweiz
Im November 2021 wurde im Kanton Zürich der erste Vogelgrippe-Fall bei Schweizer Nutzgeflügel gemeldet. Im Februar 2022 testete man Wildvögel im Berner Tierpark Dählhölzli positiv.

Im ersten Fall wurden Kontroll- (3 km) sowie Überwachungs-Zonen (10 km) um den Seuchenherd herum errichtet. In den Kontroll-Zonen wird der Auslauf für Nutzgeflügel auf den Wintergarten beschränkt. Nur unter speziellen, vom Veterinäramt erlaubten Auflagen darf Hausgeflügel noch ins Freie.

Im ersten wie auch im zweiten Fall wurden vom Veterinäramt entlang der grossen Seen und Flüsse Schutz- und Beobachtungsgebiete eingerichtet. Betroffene Betriebe wurden direkt informiert.

www.blv.admin.ch