Kurz & bündig
- Ist eine Kuh gesund und entspannt, gibt sie Milch von guter Qualität. Auch wenn die Zellzahlen im Sommer erhöht sind, ist das noch kein Grund zur Sorge.
- Laut Melkberater Andreas Salzmann ist es besonders wichtig, dass die Beziehung zwischen Mensch und Tier gut ist – um Stress zu reduzieren.
- Ausserdem zentral ist Sauberkeit in der Liegebox, im Melkstand, am Euter und im Melkgeschirr.

Der Zusammenhang ist bekannt: Steigen im Sommer die Temperaturen, geht das meist einher mit erhöhten Zellzahlen in der Milch. Das muss nicht zwingend heissen, dass die Kuh krank ist. Es ist in erster Linie ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem arbeitet – und vielleicht gerade eine Eutererkrankung abwendet (siehe Kasten).

Als LandwirtIn kann man dennoch einiges unternehmen, um die Zellzahlen zu senken. Damit tut man Gutes für das Tierwohl und auch für die Milchqualität.

Der Sommer: ideal für Erreger
Bakterien, Viren oder Pilze dringen in das Euter ein und werden vom Immunsystem abgewehrt. Die toten Abwehrzellen werden nach ihrem Einsatz gegen die Erreger über die Milch ausgeschieden. Im Sommer steigen diese Zellzahlen. Ein Grund ist, dass das Klima optimal geeignet ist für das Wachstum und die Verbreitung der Erreger. Damit steigt auch der Infektionsdruck und das Immunsystem muss vermehrt reagieren.

Das muss nicht bedeuten, dass die Kuh richtig krank ist. Unter Umständen fehlen Symptome wie Fressunlust oder Fieber. Kann das Immunsystem jedoch nicht genügend abwehren, kann eine Euterentzündung (Mastitis) entstehen. In solchen Fällen sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden, um die Kuh richtig zu behandeln.

Neutrale Aussensicht für Tipps zum Melken

Wobei Letztere in der Schweiz bereits einzigartig gut sei, wie Andreas Salzmann sagt: «Die Käser können die gewünschte Bakterienkultur hinzugeben, ohne vorher die unerwünschten Bakterien abtöten zu müssen. Während im Ausland die Milch erhitzt werden muss, können die Schweizer Käser das volle Aroma und die Feinstoffe aus der Gräser- und Kräuterflora aus der Milch mitnehmen.»

Salzmann unterrichtet am Melkforum in Zollikofen angehende LandwirtInnen im Melken. Ausserdem ist er seit 13 Jahren als Melkberater bei der Firma Casei tätig. In dieser Funktion besucht er Betriebe, die von ihm gerne Tipps zum Melken möchten. Oftmals gehe es dabei darum, dass er eine neutrale Aussensicht in den Betriebszweig Milch einbringe, so Salzmann.

Hektik und Lärm vermeiden

«Die Mensch-Tier-Beziehung ist so wichtig: Der Landwirt sollte nur gut sein für sein Tier.» Diese Aussage von Salzmann gilt für alle Bereiche der Tierhaltung – auch für die Milchqualität. Geht es der Kuh gut, ist auch die Milch gut. Im Melkstand müsse der Melker ruhig hantieren, erklärt er. Hektik oder Lärm bedeuten Stress für die Kühe, die doch eigentlich gerne hineinkommen sollten, um die Milch gut abzugeben. «Der Melkstand sollte für sie eine Wellnessoase sein», sagt Salzmann.

Die Auswertung der Tankmilch gibt erste Anhaltspunkte, wie es um die Qualität der Milch steht. Wenn die Zellzahlen darin erhöht sind, kann es sich lohnen, von einzelnen Tieren eine Milchprobe an das Labor von Suisselab zu schicken, um die Zellzahlen bestimmen zu lassen.

Aus den Daten der monatlichen Milchleistungsprüfung kann ausserdem abgelesen werden, ob die Kuh mit dem Futterangebot auf dem Betrieb gut umgeht oder ob sie Stoffwechselprobleme hat – was wiederum eine Erklärung für erhöhte Zellzahlen sein kann.

«Schaue ich mir alle diese verschiedenen Informationen an und kann ich zudem die Situation im Stall beobachten, kann ich daraus Tipps ableiten, um die Milchqualität zu verbessern», erklärt Salzmann.

Er macht ein Beispiel: Haben nur zwei Kühe hohe Zellzahlen, zeigt sich auf den zweiten Blick, dass die eine Kuh eine schwere Geburt hinter sich hat und die andere ein akutes Klauenleiden hat. Die Probleme sind bei den einzelnen Kühen anzugehen. Ist hingegen ein Drittel der Herde in den Zellzahlen hoch, müssen mögliche Ursachen im Stall gesucht werden:

  • Ist die Wasserqualität in Ordnung?
  • Stimmt die Qualität des Futters oder ist es vielleicht unter den sommerlichen Temperaturen verdorben?
  • Ist das Stallklima angenehm oder leiden die Kühe unter Hitzestress?

Vernebelung gegen Hitzestress – aber auch ideal für Erreger

Der Frühling 2024 sei für die Kühe durchaus angenehm, sagt Salzmann: «Alle paar Tage werden sie vom Regen geduscht, sodass ihre Haut atmen kann und sie wieder sauber sind.» In heissen, trockenen Sommern lohne es sich, den Kühen ab und zu den Staub herunterzuwaschen.

Denn saubere Kühe sind das A und O für eine gute Milchqualität: «Damit wird verhindert, dass die Milch ausserhalb des Euters verunreinigt wird. Saubere Kühe und eine saubere Umgebung verhindern ausserdem, dass sich Erreger von Euterkrankheiten wohlfühlen und sich vermehren.»

Was aber laut Salzmann unterlassen werden sollte, ist die Vernebelung zur Kühlung des Stalls. «Diese Methode schafft eine ideale Ausgangslage für allerlei Keime», gibt der Berater zu bedenken. Für ein angenehmes Stallklima empfiehlt er stattdessen, Stallfenster zu entfernen und Ventilatoren einzusetzen.

Infektion beim Liegen, Übertragung beim Melken

Nebst dem sauberen Tier müssen auch die Orte sauber sein, an denen die Kühe liegen. Das reduziert das Risiko für eine Infektion des Euters. Eine erste Infektion mit einem Mastitis-Erreger geschieht während des Liegens. Übertragen wird der Erreger anschliessend über das Melkzeug.

Eine saubere Umgebung ist besonders wichtig bei Roboter-Melkanlagen. «An diesem Ort gehen täglich alle Kühe mehrmals durch und könnten sich gegenseitig anstecken. Es lohnt sich hier, täglich zweimal zu reinigen», sagt Andreas Salzmann.

Der zweite Punkt: Die Kühe sollten alle acht bis zwölf Stunden zum Melken gehen. Andernfalls führt die viele Milch im Euter zu Druckstellen. Das kann zu Verletzungen im Innern des Euters führen und wiederum zu einem erhöhten Zellzahlausstoss.

Checkliste zur Melkhygiene und zur Eutergesundheit

Faktor Kuh

  • Ein Grossteil der Eutererkrankungen hat ihren Ursprung in der Galtzeit. Sinnvoll ist, dass sich jemand um die trockengestellten Kühe kümmert, beobachtet und reagiert, falls die Milch nachtropft oder das Euter sich entzündet.
  • Erkrankte Tiere werden vom Tierarzt behandelt.
  • Kühe mit hohen Zellzahlen werden in den folgenden Monaten überwacht und im Notfall wieder behandelt.
  • Verläuft die Mastitisbehandlung nicht erfolgreich, müssen die Kühe meistens den Milchviehstall verlassen.
  • Haben Kühe erhöhte Zellzahlen, aber keine akute Euterentzündung, empfiehlt sich die Entnahme einer Milchprobe. Die Tiere müssen aber nicht zwingend behandelt werden. Es lohnt sich, nach anderen Ursachen zu suchen. Nebst sommerlichen Temperaturen können die Genetik, das Alter der Kuh oder der Laktationsabschnitt einen Einfluss haben.

Faktor Umwelt

  • Saubere Umgebung: Die Liegeboxen zweimal täglich putzen. Bevorzugte Liegeplätze auf der Weide, die meist stark verkotet sind, auszäunen. Melkroboter, Futterautomat und weitere Knotenpunkte im Stall besonders sauber halten, um eine Verschleppung von Erregern zu verhindern.
  • Kühe leistungsgerecht füttern, um Stoffwechselstörungen und damit eine Schwächung des Immunsystems zu verhindern.

Faktor Melkarbeit

  • Idealerweise eine Melkreihenfolge einhalten: gesunde Erstlaktierende, dann die eutergesunden Kühe der Herde und am Ende die bekannt euterkranken Tiere.
  • Empfehlenswert ist das Tragen von Handschuhen (v. a. bei ansteckenden Keimen). Durch die glatte Oberfläche der Handschuhe sinkt die Keimbelastung an den Händen.
  • Zur Zitzenreinigung vor dem Melken Einwegpapiertücher feucht oder trocken verwenden. Auch Holzwolle zur Grobreinigung des Euters ist zu empfehlen. Es kann auch ein Reinigungsschaum vor der Reinigung verwendet werden.
  • Stark verschmutzte Zitzen mit warmem Wasser waschen und danach mit Einwegpapier reinigen und nachtrocknen. Um das Klettern der Zitzen-becher und den Keimeintrag während des Melkens zu verhindern, dürfen die Melkbecher nicht auf die noch nassen Zitzen angesetzt werden.
  • Die visuelle Kontrolle des Euters und der Einsatz des Vormelkbechers ist ein Muss. Zwei bis drei Spritzer pro Zitze werden in den Vormelkbecher gemolken.
  • Bei Unregelmässigkeiten wird die Milch separiert und kommt nicht in den Milchtank. Dann wird ein Schalm-Test gemacht. Bei deutlich positivem Ausfall wird eine bakteriologische Milchuntersuchung veranlasst.
  • Ist beim Vormelken alles in Ordnung, sollten eine Minute nach der ersten Berührung des Euters alle vier Zitzen am Melken sein. Verfügt die Melkanlage über eine Anrüst- und Abnahmeautomatik, reichen 20 Sekunden vom ersten Kontakt bis zum angehängten Melkgeschirr.
  • Gegen Ende des Melkens darauf achten, dass nicht «blind» gemolken wird. Fliesst die Milch nicht mehr, wird auch die Zitze nicht mehr gekühlt, es kommt zu Reibung und Hautreizungen. Ausserdem beginnt der Zitzenbecher nach oben zu wandern. Das alles beansprucht die Zitze und macht sie anfällig auf Infektionen.
  • Nach dem Melken wird jede Zitze gedippt.
  • Die Kühe sollten gerne und stressfrei in den Melkstand kommen. Schwänze waschen oder Behandlungen sollten unterlassen werden.

Faktor Melktechnik

  • Der Melkstand wird nach dem Melken sauber heruntergewaschen. Anschliessend wird die Anlage mittels Waschautomatik gespült. Bei den meisten Anlagen wird alternierend ein basisches und ein saures Reinigungsmittel verwendet.
  • Einmal im Jahr muss nach Branchenstandard der Service an der Melkanlage durchgeführt werden.
  • Die Zitzengummi müssen regelmässig gewechselt werden. Die schwarzen Exemplare halbjährlich und die Silikongummi jährlich.

Quellen: Andreas Salzmann; Agrarheute (2018); Wiederkäuerklinik Universität Bern; Rindergesundheit Schweiz