Kurz & bündig
- Familie Fritz züchtet seit dem Jahr 2000 Simmental-Kühe für die Fleischproduktion.
- Ein Grossteil der Kälber wird aufgezogen. Einige Kühe behalten die Züchter für die Auffrischung der eigenen Herde. Etliche Mutterkühe und die Jungstiere werden verkauft.
- Das Ziel sind funktionale, langlebige und wirtschaftliche Mutterkühe.
- Rassereine Mutterkühe sind zwar teurer als Kreuzungstiere, die eine Milchkuh als Mutter und einen Fleischrasse-Muni als Vater haben. Sie weisen aber andere Vorteile auf.
- Simmental-Rassenkühe ermöglichen verschiedene Produkte: Natura-Veal, Natura-Beef, Simmentaler Original.
Die allermeisten Kälber von Mutterkühen werden mit rund zehn Monaten geschlachtet und zu diversen Fleischprodukten verarbeitet. Anders ergeht es den Kälbern auf dem Betrieb La Ferme de l’Hospice in Le Cerneux-Veusil BE in den Freibergen. Hier züchtet die Familie Fritz die Rasse Simmental für die Fleischproduktion. Aus den Kälbern wachsen die Mutterkühe und Stiere von morgen heran.
Die Eltern Jakob und Sabine Fritz bewirtschaften dem Betrieb seit 1990, Sohn Jean-Jacques hat den Betrieb am 1. Januar 2021 übernommen. Mit der Züchtung wird der Sohn weitermachen, wie er auf dem Weg zur Weide erzählt. Der Vater unterstützt ihn einen bis zwei Tage in der Woche bei der Arbeit.
Die Kühe haben breite Becken mit der richtigen Neigung
Auf der Weide grasen die Kühe, während die Kälber alle beieinander liegen. Sowohl die Kühe als auch ihr Nachwuchs sind gross, massig und fleischig – wie gewünscht. Die Mutterkühe sind ausserdem sehr aufmerksam, heben den Kopf und stellen die Ohren, sobald Besucher in Sichtweite sind. «Solche gute Muttereigenschaften sind uns ein Anliegen. Einen aggressiven Charakter wollen wir aber auf keinen Fall», sagt Jakob Fritz.
Zurück zum Exterieur der Gruppe: Besonderes Augenmerk legen Vater und Sohn Fritz auf die Becken der Kühe. «Die Mutterkühe müssen breite Becken haben. Die Neigung des Beckens muss dabei ebenfalls stimmen, damit die Geburten reibungslos ablaufen.» Angestrebt wird ein Becken, bei dem die Verbindungslinie vom Hüftbein- zum Sitzbeinhöcker um einige Zentimeter sinkt.
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Betriebsspiegel La Ferme de l’Hospice
Jean-Jacques Fritz, Le Cerneux-Veusil BE
LN: 45 ha
Kulturen: extensive, Dauer-und Waldweiden, Naturwiesen, teils aufgewertet, Ökowiesen, zusätzliche 5,8 ha Wald
Tierbestand: 36 Simmentaler Mutterkühe mit Kälbern, 20 bis 25 Aufzuchtrinder, 7 bis 10 Jungstiere
Vermarktung: Tiere werden vornehmlich als Zuchtstiere und Zuchtkühe oder als Natura-Beef und Simmentaler Original verkauft.
Arbeitskräfte: Jean-Jacques Fritz, Eltern Sabine und Jakob Fritz (je 20 Prozent)
Dem Becken misst Jakob Fritz grosse Bedeutung bei, während er den Zuchtwert zum Geburtsablauf differenziert beachtet. «Leichte Geburten können auch zustande kommen, wenn die Kälber kleiner sind. Aber solch kleine Kälber werden dereinst als Mutterkuh schmale Becken haben. Mit jeder Generation wird so die Kalbung schwerer. Das wollen wir verhindern», erklärt Jakob Fritz.
Es ist ein Beispiel, für die Überlegungen, die sich Fritz machen muss, weil er als Züchter nicht das Endprodukt – das Natura-Beef oder Natura-Veal – produziert, sondern deren Mütter und Väter.
Für die eigene Nachzucht sowie für den Verkauf
Ganz grundsätzlich wird in ihrer Simmental-Zucht eine funktionale, langlebige und wirtschaftliche Mutterkuh angestrebt, erklären Jean-Jacques und Jakob Fritz. Diese Mutterkühe werden alle aus der eigenen Nachzucht generiert.
Bei einem Remontierungsbedarf von 15 bis 20 Prozent braucht es also zwischen vier bis sechs junge Mutterkühe pro Jahr. Aufgezogen werden jedoch, die meisten weiblichen Jungtiere und die besten männlichen Jungstiere. Die Tiere, die nicht für die eigene Herde gebraucht werden, verkauft die Familie. Das heisst, dass die Selektion nicht nur auf der Stufe der Kälber geschieht, sondern einen Schritt vorher, bei der Auswahl und der Anpaarung der Elterntiere.
Natursprung und künstliche Besamung ergänzen sich
«Ich verfolge die Blutlinien der Kühe und Stiere seit über dreissig Jahren, seit ich ein junger Landwirt bin», sagt Jakob Fritz. Dementsprechend weiss er, welche genetische Vorgeschichte die Tiere haben, die er in seiner Zucht einsetzt. Diese Begeisterung und das Interesse für die Viehzucht hat Jean-Jacques Fritz von seinem Vater geerbt. Auch er studiert die Stierenkataloge und die Stammbäume möglicher Kandidaten, um seine Mutterkühe optimal zu besamen.
Denn nebst einem Stier, der mit den Mutterkühen auf der Weide steht, kommt künstliche Besamung zum Zuge. Dies unter anderem, um Genetik aus Deutschland, England oder Australien in die Herde zu bringen. So können sie die genetische Vielfalt erhöhen, erzählen die Züchter. Gleichzeitig konnte in den letzten Jahren die Fleischigkeit verbessert werden.
«Wir schauen darauf, dass die Milch nicht zu kurz kommt»
Müssen denn die künftigen Mutterkühe fleischig sein? Sollten sie nicht vielmehr eine ansprechende Milchleistung und gute Fruchtbarkeit aufweisen? Da aus Fritz’ Zucht auch Stiere hervorgehen, sind beide Merkmale, Fleisch und Milch, sehr wichtig.
«Wir schauen darauf, dass die Milch nicht zu kurz kommt. Der Stier Favorit, Grosssohn von Dirnanean Apostle, der aktuell auf unserer Weide steht, ist sehr geeignet, um Töchter für die Zucht zu erzeugen», erklärt Jakob Fritz. Dieser Stier sei lang und habe gute Zuchtwerte bei der Milch, dafür weniger beim Fleisch.
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Mit der Fruchtbarkeit ihrer Mutterkühe sind Jakob und Jean-Jacques Fritz zufrieden. Die durchschnittliche Zwischenkalbezeit beträgt 352 Tage. Und die Kälberformel liegt bei einem Wert von 1,26. In dieser Formel werden Erstkalbealter sowie Anzahl geborener Kälber berücksichtigt. Der Wert von Fritz liegt deutlich unter dem Simmentaler Durchschnitt von 1,57 im Fleischrinderherdebuch.
Nur wenige Kühe müssen wegen schlechter Fruchtbarkeit den Betrieb verlassen. Grundsätzlich zeigt sich die Herde langlebig: «Unsere Kühe werden regelmässig zehn und mehr Jahre alt», sagt Jean-Jacques Fritz zufrieden.
Aus drei Stammkühen die Herde aufgebaut
Zurück zur ausländischen Simmental-Genetik: Damit holte Jakob Fritz auch die Hornlos-Genetik in seine Herde. Er hatte 2001 damit angefangen, ein Jahr nachdem er damit begann, von Milch- auf Mutterkühe umzustellen. Seither hat er mit drei verschiedenen Blutlinien – mit den drei Stammkühen Dolores PP* (D-Linie), La Croisée Sina PS (M-Linie) und Seleri (S-Linie) – eine Herde mit 36 Mutterkühen und insgesamt 95 Stück aufgebaut.
«Mit dieser Linienzucht nimmt man zwar das Schlechte mit und kann es, wenn man nicht aufpasst, ver-stärken. Aber das Gleiche gilt auch für die guten Ausprägungen», sagt Jakob Fritz. Das ist auch der Hauptgrund für die eigene Nachzucht: «So weiss ich genau, welche Genetik ich habe und welche Tiere ich erwarten kann.»
Kälber müssen dem rauen Klima standhalten
Ist das Kalb auf der Welt, muss es eine gewisse Vitalität zeigen. «Es muss saufen, am liebsten zehn Minuten nach der Geburt», präzisiert Jakob Fritz und lacht. Die Waldweiden des Betriebs gehen bis auf 1150 m ü. M. den Jura hinauf. Hier herrsche ein raues Klima, erzählt Jakob Fritz. «Es kann ein frischer Wind wehen und im Winter fällt das Thermometer auch mal auf -30 Grad. Wir brauchen Tiere, die das überleben.»
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Die Kälber saugen rund neun bis zehn Monate bei ihrer Mutter. Zwei Monate, bevor diese wieder abkalbt, werden die Kälber abgesetzt, indem sie von der Herde getrennt auf eine andere Weide verstellt werden. Dabei bestehe die Gefahr eines Knicks in der Wachstums- und Entwicklungskurve, erklärt Jakob Fritz. «Deswegen füttern wir nach dem Absetzen für drei Monate 800 g Kraftfutter pro Tag.»
Eine Mutterkuh, die genügend Milch gibt, lässt die Kälber schnell wachsen, erklärt Jean-Jacques Fritz. «Aktuell haben die Kälber durchschnittliche Tageszunahmen zwischen 1400 und 1500 Gramm. Das freut mich sehr – insbesondere, wenn ich sehe, mit welchem Futter sie diesen Zuwachs erreichen.»
Das Futter der Mutterkühe besteht fast ausschliesslich aus Gras. Im Sommer von den Waldweiden um den Betrieb, im Winter in Form von Heu. Zusätzlich kauft Jean-Jacques Fritz etwas Mais zu. Kraftfutter (2 bis 3 Prozent der Gesamtration) gibt es für die Stiere und frisch abgesetzte Kälber.
Die reinrassigen Tiere sind gefragt
In der Schweiz gibt es zwischen 110'000 und 120'000 Mutterkühe. Diese grobe Schätzung kommt dadurch zustande, dass bei der Tierverkehrsdatenbank keine separate Kategorie für Mutterkühe existiert. Sie sind stattdessen unter «andere Kühe» mitgemeint.
Bekannt sind die gut 100'000 Mutterkühe, die 2022 bei Mutterkuh Schweiz registriert waren. Etliche davon sind keine reinrassigen Kühe, sondern Kreuzungstiere. Sie haben eine Milchkuh als Mutter, einen Fleischrassen-Stier als Vater, sind auf einem Milchviehbetrieb geboren und teils auch dort aufgezogen worden.
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Reine Simmentaler Mutterkühe sind gefragt
Diese Kreuzungstiere vereinen starke Milch- und Fleischleistungen in sich. Ausserdem sind sie billiger als Rasse-Mutterkühe. Finden die Simmentaler Mutterkühe von Jean-Jacques und Jakob Fritz überhaupt AbnehmerInnen? Ja, bestätigen die beiden. «Es gibt viele Produzenten, die gerne mehr zahlen für den Mehrwert, den wir mit einem Rassetier bieten», sagt Jakob Fritz. So seien die rassereinen Simmentaler langlebig. Ausserdem überzeugten sie mit breiteren Becken, nennt Fritz eines der für ihn wichtigsten Argumente.
Mit den rassereinen Tieren kann weitergezüchtet werden, während die F1-Kühe fast ausschliesslich für die Beef-Produktion genutzt werden. Eine reinrassige Simmentaler Kuh mit Kalb koste daher gut und gerne 4800 bis 5500 Franken, so Jakob Fritz.
Rassenkühe und Kreuzungskühe haben beide ihre Berechtigung
Rund 60 Prozent der bei Mutterkuh Schweiz registrierten Mutterkühe sind Rassenkühe, die restlichen sind Kreuzungskühe. «Beides hat seine Berechtigung. Es kommt einzig und allein darauf an, was für den jeweiligen Betriebsleiter ins Management passt», sagt Svenja Strasser, Leiterin des Fleischrinderherdebuchs bei Mutterkuh Schweiz.
Will ein Betrieb beispielsweise selbst den Nachwuchs remontieren, werden dessen Eltern Rassentiere sein. Aber die Eigenremontierung braucht Platz im Stall. «Der Produzent muss zwei Herden bilden können, um den Stier von den Kühen zu trennen, die wegen Inzucht nicht von ihm gedeckt werden sollten», nennt Strasser weitere Herausforderungen im Management.
«Für einige passt das. Für andere, zum Beispiel für Nebenerwerbsbetriebe, ist dieser Aufwand zu gross. Sie werden sich vielleicht lieber eine Kreuzungsmutterkuh kaufen. Bei der wissen sie, dass sie gute Schlachtendprodukte ergibt», so Strasser.
Bloss nicht das falsche Tier am falschen Ort
Familie Fritz verkauft ihre Simmentaler vornehmlich als Zuchtstiere und -Kühe oder als Natura-Beef und Simmentaler Original. Dies geschieht direkt ab Betrieb, am Stierenmarkt oder über die Auktionen in der Vianco Arena Brunegg. Von Letzteren ist Jakob Fritz übrigens OK-Präsident.
Seine Kunden seien teils selbst Züchter. Andere kaufen die Mutterkühe für die Fleischproduktion. «Wir fragen jeden potenziellen Käufer, welches Tier er suche und was auf seinen Betrieb passe», erzählt Jakob Fritz. Es sei nämlich nichts so verheerend, wie ein falsches Tier am falschen Ort. Das gilt insbesondere für die Stiere. «Wenn jemand grossen Respekt hat vor Munis, dann verkaufe ich ihm sicher nicht den Aktivsten.»
Bei diesem Betriebszweig geht es auch um Sentimentales
Für Familie Fritz ist der Verkauf dieser Zuchttiere die Haupteinnahmequelle. «Wenn wir ganz streng rechnen, dann müssten wir alle Tiere für die Fleischproduktion metzgen, statt sie teuer aufzuziehen», sagt Jakob Fritz.
«Bei diesem Betriebszweig ist auch sehr viel Sentimentales dabei. Aber es gibt klar auch Zeiten, in denen wir gutes Geld damit verdienen.» Das kommt immer auch auf die Marktlage an. «Da heisst es dann: Durchhalten und keine Angstverkäufe machen. Ich weiss schliesslich, welchen Wert unsere Tiere haben», sagt Jakob Fritz.