Kurz & bündig

- Die Einzelhaltung von Kälbern kann Vorteile hinsichtlich des Gesundheitsmanagements mit sich bringen.
- Wissenschaftlich gesehen sind die Nachteile einer Einzelhaltung, gerade im Bereich der Sozialisation, Kognition und Charakterentwicklung auch langfristig nicht zu unterschätzen.
- In der Schweiz werden Kälber üblicherweise in den ersten zwei Lebenswochen einzeln gehalten.
- Als Haltungssysteme haben sich flexibel platzierbare Kälberiglus oder Kälberhütten etabliert.

Die Haltungsumwelt, in der Kälber ihre ersten Lebenstage verbringen, hat weitreichende Folgen für deren langfristige Lebensentwicklung. Dies zeigt eine Studie aus England: Kühe, die als Kälber in sozialer Haltung aufwachsen, sind länger im Bestand und weisen eine höhere Milchleistung auf.

Kühe, die als Kälber hingegen ausschliesslich in Einzelhaltung aufgewachsen sind, verbringen später mehr Zeit in den Liegeboxen statt am Fressgitter, weil sie in Bezug auf ihre Artgenossen ängstlicher sind und sozialen Situationen eher ausweichen. Dies zeigt eine Studie aus dem Jahr 2021.

Einstige Randthemen wie die Sozialisierung, Emotion und Kognition von Kälbern rücken in den letzten Jahren verstärkt in den wissenschaftlichen Fokus. Drei weitere Studien (Meagher et al., Suchon et al. und Bučková et al.) zeigen vor diesem Hintergrund, dass Kälber aus Paarhaltungen kognitive Aufgaben schneller und korrekter lösen, konkurrenzfähiger und optimistischer sind als Kälber aus Einzelhaltun.

Mehr Platz und Arbeit, dafür Vorteile bei der Tiergesundheit

Matthias Schick, Bereichsleiter Tierhaltung und Milchwirtschaft am Kompetenzzentrum Strickhof in Lindau, ordnet weiterhin ein: «Je nach System brauchen Einzelhaltungen wie Iglus oder Hütten mehr Platz, zudem kann der Arbeitszeitaufwand bei Einzelhaltung grösser sein, weil jedes Tier einzeln eingestreut und getränkt werden muss. Auch die Investitionskosten für die Einzeltierhaltung von Kälbern in Kälberiglus oder Hütten sind höher als für die arbeitstechnisch effizientere Gruppenhaltung.»

Dennoch habe die Einzelhaltung einen entscheidenden Vorteil, und dieser liege vor allem in der Tiergesundheit und der Hygiene. «Durch die Einzelhaltung wird der Infektionsdruck reduziert. Die Tiere haben keinen direkten Kontakt zueinander, dies reduziert das Ansteckungsrisiko deutlich», erklärt Schick. Die Kontrollen der Einzeltier-Parameter wie etwa der getrunkenen Milchmenge und der Kotabsatz seien zudem einfacher.

Auch im Verhalten der Kälber kann die Einzelhaltung einen Vorteil bieten: Gegenseitiges Besaugen, was in der Gruppenhaltung bei Kälbern manchmal als Verhaltensstörung beobachtet werden kann, findet in der Einzelhaltung nicht statt.

Gesetzliche Grundlagen bei der Einzelhaltung von Kälbern

Zahlreiche Vor- und Nachteile zeigen: Die Einzelhaltung von Kälbern ist ein schmaler Grat. Wie sehen in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Vorgaben aus? Gemäss dem Tierschutzkontrollhandbuch des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) müssen unter anderem die folgenden Punkte bei der Einzelhaltung von Kälbern gegeben sein:

  • Für alle Kälber gilt, dass sie bis zum Alter von vier Monaten nicht angebunden gehalten werden dürfen und ab dem ersten Tag jederzeit Zugang zu Wasser und mindestens Sichtkontakt zu Artgenossen haben müssen.
  • Ab dem Alter von zwei Wochen sind entweder eine Gruppenhaltung oder Einzelhaltung mit dauerndem Zugang zu einem Auslauf im Freien vorgeschrieben (Iglu).
  • Kälberhütten für ein einzelnes Kalb müssen mindestens so breit sein, dass es sich ungehindert drehen kann.
  • Hinsichtlich der Fütterung gibt das Tierschutzkontrollhandbuch vor, dass über zwei Wochen alten Kälbern Heu, Mais oder ein anderes geeignetes Raufutter zur freien Aufnahme in einer geeigneten Raufe zur Verfügung stehen muss. Auf dem Boden darf das Raufutter nicht angeboten werden. Stroh ist als Einstreu einzuordnen und darf nicht als alleiniges Raufutter verwendet werden.

Die Gesetzgebung, basierend auf der Tierschutzverordnung sowie der Nutz- und Haustierverordnung, steckt also bereits wichtige Eckpfeiler in der Einzelhaltung von Kälbern ab. Ein komplettes Verbot der Einzelhaltung von Kälbern gibt es nicht – obwohl in der Schweiz teilweise politisch darüber diskutiert werde, sagt Matthias Schick. Er erklärt, dass die Einzelhaltung der Kälber in den ersten beiden Lebenswochen in der Schweiz üblich sei.

Vor- und Nachteile verschiedener Einzelhaltungssysteme

Haltungssysteme, die für die Einzelhaltung gängig genutzt werden, sind vor allem Iglus, Kälberboxen und Kälberhütten. «Es gibt auch selbst gebaute Systeme, die aber in der Art und Weise gleich funktionieren oder aufgebaut sind wie Iglus oder Hütten», ergänzt Schick.

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Während die aus Polyethylen oder glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigten Kälberiglus kostengünstig, mobil, leicht händelbar und gut zu reinigen sind, bieten sie ohne zusätzliche Massnahmen keinen Schutz bei höheren Temperaturen. Auch die Arbeitsbedingungen, zum Beispiel bei der Fütterung, sind für Arbeitskräfte nicht immer optimal, da man in den Kälberiglus nicht aufrecht stehen kann.

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Kälberhütten hingegen sind grösser strukturiert. Sie bieten mehr Platz, eine höhere Funktionalität und haben den Vorteil eines leichter zu regulierenden Stallklimas. Zudem wird keine entwässernde Bodenplatte benötigt, sofern der Urin über Auffangwannen gesammelt wird. Da Kälberhütten der Witterung nicht so stark ausgesetzt sind wie Iglus und über ein Drainagesystem verfügen, liegen die Tiere im Trockenen.

Arbeitswirtschaftlich bieten Kälberhütten einige Vorteile: Sie sind höher gebaut, sodass man darin bequem stehen und dadurch leichter entmisten und füttern kann. Auch die Umstellung von Einzel- auf Gruppenhaltung ist unkomplizierter, da dabei lediglich eine Trennwand entfernt werden muss. Kälberhütten sind im Vergleich zu Iglus allerdings teurer in der Anschaffung.

Stroh hat sich als Einstreu am meisten bewährt

Als Einstreu hat sich Stroh in allen Kälberhaltungssystemen bewährt. «Teilweise wird bei Iglus oder Hütten ohne Ablauf eine Unterschicht aus Strohpellets oder Sägemehl eingestreut, damit Harn und sonstige Flüssigkeiten besser aufgesogen werden. Oben wird mit normalem Stroh ergänzt, damit sich die Kälber einnisten können und sich ein gutes Mikroklima bildet», erklärt Matthias Schick. 

Können sich Kälber gut einnisten, werden sie vom Stroh warmgehalten und sind weniger anfällig für Krankheiten. Dafür muss das Stroh allerdings in ausreichendem Masse und in bester Qualität vorhanden sein. Die Devise lautet: Das Kalb sollte nicht auf dem Stroh liegen, sondern im Stroh. Zwischen jedem Umstallen sollte das System ausgemistet, gereinigt und an der Sonne getrocknet werden, um eine Keimverschleppung zu verhindern. Eine eventuelle Desinfektion ist zusätzlich hilfreich.

Den richtigen Standort für die Platzierung wählen

Bei der Platzierung der Kälberhaltungssysteme auf dem Betrieb ist es wichtig, die Gewässerschutzvorschriften zu erfüllen. Demnach müssen Haltungssysteme, mit Ausnahme der Hütten mit Auffangwannen, auf einem befestigten Platz mit Entwässerung in eine Güllegrube platziert sein. Ist dies nicht möglich, muss das Haltungssystem alle drei Monate verschoben werden. «Aktuell wird darüber diskutiert, ob ausschliesslich befestigte Böden mit Ableitung in die Güllegrube erlaubt werden sollen», sagt Schick.

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Weiterhin muss, egal, an welchem Standort, für ausreichend Witterungsschutz gesorgt werden. Aus diesem Grund werden Iglus häufig mittels eines Vordaches oder einer anderweitigen Überdachung vor starker Sonneneinstrahlung und Regen geschützt.

Wichtig, aber in der Gruppenhaltung nicht vorgeschrieben, ist ausserdem, dass Kälbern ein Gehege im Freien zur Verfügung steht, sodass die Tiere frische Luft haben, unterschiedlichen Klimareizen ausgesetzt sind und Kontakt zur Aussen- und Umwelt haben. Ein Dach zum Witterungsschutz erfülle diese Anforderung, sofern drei Seiten offen sind, erklärt Schick. Allerdings dürfe die Öffnung des Auslaufes nicht gegen eine Wand gerichtet sein. Fakt ist: Wie Kälber ihre ersten Lebenstage verbringen, ist massgeblich für ihr weiteres Leben. Vor dem Hintergrund ihrer evolutionsbiologischen Entwicklung zu einer Organisation im Herdenverband ist unter sozialen Aspekten eine frühere Gruppen- oder Paarhaltung im Sinne der Tiere. Dies brächte nicht nur eine höhere Arbeits- und Platzeffizienz mit sich, sondern würde sich ebenfalls positiv auf die Akzeptanz der KonsumentInnen auswirken.