Kurz & bündig
- Die Anforderungen an die Fütterung der Wiederkäuer sind vielfältig.
- Hansueli Rüegsegger von der UFA und Florian Leiber vom FiBL diskutieren darüber, wie wir unsere Kühe am besten füttern – in Bezug auf die Tiergesundheit, die Milchleistung und die Nachhaltigkeit.
- Die beiden besprechen unter anderem, was wir in der Schweiz produzieren und was ergänzend importiert werden soll oder muss.

Die Fütterung beeinflusst die Kuh enorm: Ihre Leistung, ihr Wohlbefinden, ihre Akzeptanz in der Gesellschaft. Denn längst geht es nicht mehr nur um die Milchmenge. Zur Fütterung der Kuh werden auch ökologische und ethische Fragen gestellt.

Hansueli Rüegsegger von der UFA AG und Florian Leiber vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL diskutieren gemeinsam über die Herausforderungen und die Anforderungen einer «guten» Fütterung unserer Kühe.

Dabei wird klar: Es kommt nicht nur darauf an, was die Kühe fressen, sondern auch, was bei uns auf den Teller kommen soll.

Herr Rüegsegger, wie füttern wir unsere Kühe am besten, in Bezug auf ihre Bedürfnisse?

Hansueli Rüegsegger: Wichtig ist, dass man eine ausgewogene Fütterung zusammenstellt. Das gilt sowohl für die biologische wie auch für die konventionelle Produktion. Als Grasland ist in der Schweiz das Grundfutter – Gras und Heu, aber auch weitere Grundfutter wie Mais – die Basis der Fütterung.

Das Grundfutter alleine ist jedoch nie ausgeglichen. Energie oder Protein fehlen. Daher ist es wichtig, dass wir mit dem richtigen Ergänzungsfutter die Ration ausgleichen, damit die Kuh möglichst effizient produzieren kann. Einerseits, damit die Kühe eine gute Leistung erbringen. Andererseits auch aus ökologischer Sicht, um möglichst wenig Ressourcen zu verlieren.

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«Uns fehlt im Bio-Bereich ein Ergänzungsfutter mit 30 % oder 40 % Eiweiss.»

Hansueli Rüegsegger, UFA

Herr Leiber, wie füttern wir die Kühe am besten, wenn es um eine nachhaltige Tierproduktion geht?

Florian Leiber: Da stellen sich mehrere Fragen: Was bestimmt meine Ration? Wird sie durch ein Produktionsziel einer bestimmten Menge Milch definiert? Oder bestimmen meine verfügbaren Ressourcen, was ich in der Ration füttere?

Bio Suisse verlangt nun einen sehr tiefen Anteil an Konzentrat-Futtermittel. Wie können wir die Überlegung einer ausgeglichenen Ration in einer kraftfutterarmen oder kraftfutterfreien Fütterung umsetzen? Das ist meiner Meinung nach eine sehr wichtige Frage der Ressourcenverfügbarkeit, von der ich nicht behaupte, dass wir sie beantwortet haben.

Sie spielen auf die angepassten Fütterungsrichtlinien von Bio Suisse an (siehe Kasten). Herr Rüegsegger, wie wird das in der Praxis umgesetzt?

Rüegsegger: Die fünf Prozent Kraftfutter, die neu noch erlaubt sind, sind sicher eine Herausforderung. Das gibt noch wenige 100 Kilo Kraftfutter, die wir in der Rindvieh-Fütterung einsetzen dürfen. Hinzu kommen die 100 Prozent Schweizer Rohware.

Im Bio-Bereich haben wir sehr wenig eiweisshaltige Komponenten. Es gibt zwar Kampagnen, um den Soja-Anbau in der Schweiz zu erhöhen. Aber das reicht leider nicht. Ackerbohnen weisen zum Beispiel lediglich rund 25 % Rohprotein auf. Uns fehlt somit ein Ergänzungsfutter mit 30 % oder 40 % Eiweiss. Die Rationen auszugleichen ist daher eine riesige Herausforderung.

Den Erhaltungsbedarf können wir decken. Aber klar ist, die Milchleistung wird im Bio-Bereich zurückgehen. Mit den neuen Anforderungen kann man keine 8000er- oder 9000er-Kuh mehr füttern​.

Leiber: Da ist die Frage, welcher Kuh-Typ zu welchem Standort passt. Es ist klar: Ernähren wir eine Hochleistungskuh mit so wenig Kraftfutter, können wir nicht garantieren, dass sie gesund bleibt.

Fütterungsrichtlinien von Bio Suisse
Vor einem Jahr wurden die Fütterungsrichtlinien von Bio Suisse wie folgt angepasst: Seit dem 1. Januar 2022 besteht das gesamte Futter zu 100 Prozent aus Schweizer Knospe-Anbau. Ausgenommen sind Nebenprodukte aus Mühlen und der Zuckerindustrie. Zudem dürfen nur 5 Prozent Kraftfutter verfüttert werden.

Auf Anfang 2023 hat sich in den Fütterungsrichtlinien nichts verändert.

Herr Leiber, mittlerweile gelten die neuen Richtlinien ein Jahr lang. Für einige Biobetriebe wird die neue Vorschrift sicherlich einschneidend gewesen sein. Werden diese Betriebe langfristig aussteigen?

Leiber: Klar, einige werden aussteigen, wobei mir genaue Zahlen nicht bekannt sind. Aber ich glaube nicht, dass das die Bio-Milchproduktion ins Wanken bringt.

Anfang 2022 brach der Krieg in der Ukraine aus. Im Sommer 2022 kam Trockenheit dazu. Wie steht es denn um die Futterverfügbarkeit nach diesem ersten Jahr mit 100 Prozent Schweizer Futter?

Leiber: Sicher gab es regional Trockenheitsprobleme im Juli und August. Aber insgesamt war das Jahr nicht so schlecht. Zumindest im Norden der Schweiz sind die Heustöcke jetzt voll, weil das Gras im September noch einmal sehr stark gewachsen ist. Die Landwirte, mit denen ich in Kontakt war, sind optimistisch.

Andere Faktoren beeinflussen die Futterverfügbarkeit ebenfalls. Sei es ein Krieg wie derjenige in der Ukraine oder auch der Klimawandel. Wenn Knappheit auftritt, kann dies zu einem massiven Anstieg in den Futterpreisen führen. Es stellt sich dann die Frage, wo wir das grössere Problem haben: Beim Grundfutter oder beim Kraftfutter? Die Situation sieht dann anders aus.

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«... ob wir uns erlauben dürfen, das Ackerland für Tierfutter zu brauchen.»

Florian Leiber, FIBL

An der Stelle habe ich eine Frage an Herrn Rüegsegger. Der Klimawandel und andere Krisen bedeuten Unsicherheit bei der Versorgung. Gibt es eine Strategie, wie man damit umgeht, wenn grössere Mengen ackerbasierten Futters nicht verfügbar sind?

Rüegsegger: Ja, die Verfügbarkeit von Rohstoffen war 2022 tatsächlich ein grosses Thema. Dass wir immer lieferfähig blieben, war deshalb ein Highlight. Wir haben uns umgeschaut, um andere Märkte zu erschliessen und somit weniger aus Russland und der Ukraine importieren zu müssen. Es gibt andere Länder, die noch Potenzial haben.

Sollte es hart auf hart kommen, hat die Schweiz immer noch die Pflichtlager. Diese kann sie in einer Notlage freigeben. Von mir aus gesehen sind wir in einer komfortablen Lage. Die Schweiz ist ein reiches Land und kann es sich noch leisten, zu importieren – auch wenn die Preise höher sind.

Vom Import einmal abgesehen. Was ist denn das Potenzial der Schweiz? Wäre es eine Möglichkeit, das fehlende Futter für die Kühe in der Schweiz anzubauen?

Leiber: Hier kommen wir zurück zur Ressourcensituation der Schweiz. Die Schweiz hat beim Grasland den grössten Teil der Ressourcen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir uns überhaupt erlauben dürfen, das Ackerland zusätzlich für Tierfutter zu brauchen. Die Verantwortung auf der Wiederkäuerseite ist gross, um zu sagen:

  • Wir machen erstens das Bestmögliche aus dem Grasland, das wir haben. Da wäre zu hinterfragen, ob wir das bereits tun. Und ob zum Beispiel der Rückgang der Alpweide-Wirtschaft in diesem Zusammenhang ein schlechtes Zeichen ist.
  • Wir setzen zweitens so wenig ackerbasiertes Futter wie möglich bei den Wiederkäuern ein. Stattdessen «füttern» wir diese proteinreichen Produkte im besten Fall direkt an die Menschen. Oder aber an das Geflügel, welches diese Proteine viel effizienter nutzt als die Kuh.

Rüegsegger: Beim Grasland oder Grundfutter sind wir schon auf einem sehr guten Niveau. Was nicht heisst, dass wir schon das ganze Potenzial ausgeschöpft haben.

Doch für mich stellt sich nebst der Ressourcen-Frage sowieso eine andere Frage: Wollen wir Futtermittel importieren oder wollen wir tierische Nahrungsmittel importieren? Darüber haben wir im September 2022 abgestimmt: Mit dem Nein zur Massentierhaltungsinitiative haben die KonsumentInnen Ja gesagt zum Standort Schweiz.

Wir wollen tierische Nahrungsmittel möglichst in der Schweiz produzieren, wo der Tierhaltungsstandard hoch ist. Eine Konsequenz daraus ist, dass wir einen gewissen Anteil Futterrohstoffe importieren müssen.

Das heisst, Import braucht es in jedem Fall – die Frage ist bloss, von welchen Produkten.

Leiber: Die Abhängigkeit vom Ausland würde abnehmen, wenn mehr vegetarisches Speiseprotein für die menschliche Ernährung gefragt wäre. Wir bräuchten weniger Anbaufläche, um die jeweilige Produktmenge zu produzieren und könnten einen grösseren Anteil der Lebensmittel im Inland produzieren.

Rüegsegger: Aber es wird nun einmal tierisches Protein nachgefragt. Und die Schweizer Landwirtschaft produziert es, um die Nachfrage zu decken.

Leiber: Und ich glaube, darauf darf sich die Landwirtschaft nicht zurückziehen. Es ist meiner Meinung nach nicht richtig, zu sagen: Wir befriedigen nur eine Nachfrage. Es ist ein gemeinsames Problem, das zu lösen ist.

Für die biologische Produktion könnte beispielsweise ein Konsumkonzept Bio entworfen werden. Darin würden ProduzentInnen und KonsumentInnen gemeinsam klären, wie viele tierische Lebensmittel konsumiert werden können, damit es tatsächlich der Nachhaltigkeit entspricht, die wir bei Bio wollen.

Wir sind also von der Fütterung der Kühe über die Ressourcenfrage zu den KonsumentInnen gelangt. Dabei gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Wie schätzen Sie das ein: Wie wird die Fütterung der Rinder künftig verändert werden, um eben diese Herausforderungen anzupacken? Woher kommt der nächste grosse Wurf?

Leiber: Nicht, dass das alle Probleme lösen wird. Aber ich sehe noch grosses Potenzial in der Diversifizierung des Futters. Es geht darum, verschiedene Futterpflanzen in der Saatgut-Mischung zu haben. Über eine Vielfalt an Pflanzen gelangt auch eine Vielfalt an bioaktiven Substanzen zur Kuh. Diese Sekundär-Stoffe haben alle möglichen Wirkungen im Pansen. Die Methan-Bildung kann beeinflusst werden oder die Protein-Effizienz im Pansen.

Nicht zuletzt glaube ich, dass Diversifizierung im Futter auch einen Tierwohl-Aspekt hat.

Rüegsegger: Die Digitalisierung der Landwirtschaft hilft sicher und wird uns künftig noch weiterbringen. Smart Farming unterstützt bei einer noch gezielteren, effizienteren Fütterung der Nutztiere. Ob es allerdings den grossen Wurf geben wird… Ich denke, es werden vielmehr viele kleine Puzzle-Teilchen sein, welche die Fütterung und auch die Tierhaltung weiterentwickeln.

Wichtig ist dabei, dass man sich den ganzen Kreislauf anschaut. Deshalb mache ich den Spagat zum Ackerbau. Von dort kommen Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie, die für das Tierfutter verwendet werden. Für mich ist das eines der schönsten Beispiele für eine Schliessung von Kreisläufen – etwas, das wir zukünftig sicherlich vermehrt anstreben sollten.

Die Interviews für «die grüne» werden zunächst im Wortlaut transkribiert und danach – in Absprache mit den Gesprächspartnern – zur besseren Verständlichkeit bearbeitet und wenn notwendig gekürzt.

Zur Person: Florian Leiber
Co-Leitung Departement für Nutztierwissenschaften sowie Co-Leitung Gruppe Tierernährung am FIBL.

52 Jahre alt. Aufgewachsen auf einem kleinen Betrieb in Norddeutschland, studierte er Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Er promovierte an der ETH Zürich, in der Gruppe Tierernährung. Seit 10 Jahren am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL: Zuerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, seit 2016 in leitender Position.

Zur Person: Hansueli Rüegsegger
Departementsleiter Marketing bei der UFA AG.

40 Jahre alt. Gelernter Landwirt und Zimmermann. Seit 13 Jahren bei der UFA im Marketing, seit 2022 auch in der Geschäftsleitung. Er studierte Nutztierwissenschaften an der HAFL. Er wohnt mit seiner Familie neben einem Bauernhof, auf dem er selbst auch aktiv ist, wenn es die Zeit zulässt.