Kurz & bündig
- Eine verlängerte Zwischenkalbezeit (ZKZ) ist im Ausland vermehrt ein Thema.
- Auch in der Schweiz verlängern einige Betriebe bewusst die Zeit zwischen Kalbungen. Sie entscheiden dies basierend auf individuellen Kriterien wie Milchleistung und Gesundheit der Kühe.
- Betriebswirtschaftliche Berechnungen zeigen, dass eine verlängerte ZKZ insbesondere für hochleistende Kühe wirtschaftlich vorteilhaft sein kann.
Ein Kalb pro Kuh und Jahr. Das gilt in vielen Milchviehställen als erfolgreich und erstrebenswert. Zum einen ist es ein Indiz für fruchtbare Kühe. Zum anderen ist es für manche Betriebsstrategien eine Voraussetzung: Etwa dann, wenn ein Betrieb saisonale Abkalbung umsetzt oder wenn die Kühe z Alp gehen.
Im nahen Ausland, beispielsweise in Deutschland, ist eine verlängerte Zwischenkalbezeit (ZKZ) vermehrt ein Thema. Die Rede ist dabei nicht von der unfreiwillig verlängerten ZKZ infolge erfolgloser Besamungen. Nein, es gibt etliche Betriebe, die bewusst die Rastzeit verlängern.
Agridea und Rindergesundheit Schweiz lancierten vor zwei Jahren ein Projekt zum Thema. Es sollte untersucht werden, ob eine verlängerte ZKZ heute bereits auf Schweizer Betrieben umgesetzt wird oder ob das künftig eine Möglichkeit sein könnte.
Dazu wurden unter anderem 30 Betriebe zu ihrer Strategie befragt – was eine Stichprobe ist, die einen Eindruck vermittelt, aber nicht repräsentativ ist für alle Schweizer Milchbetriebe.
«Kühe mit höherer Milchleistung werden später besamt»
Mittlerweile ist das Projekt fast abgeschlossen, wie Magdalena Keller von Agridea sagt. «Einzelne Betriebe, die wir befragt hatten, warten absichtlich länger mit der ersten Besamung», bestätigt sie. Ausserdem hätten 90 Prozent der befragten Betriebsleiter angegeben, dass sie den Zeitpunkt der ersten Besamung nach der Kalbung tierindividuell wählen.
Dahinter steht nicht unbedingt ein aktiver Entscheid für eine verlängerte ZKZ. Aber die Erfahrungen veranlassen die LandwirtInnen dennoch, mit der Besamung zu warten.
«Haupteinflussfaktor ist dabei die Milchleistung: Kühe mit höherer Milchleistung werden später besamt», berichtet Keller. Weitere Argumente, um mit der Besamung nach der Geburt zu warten, sind beispielsweise die Gesundheit oder auch die Körperkondition der Kuh.
Der Durchschnitt der 30 befragten Betriebe lag bei einer Rastzeit von 61 Tagen (bei Mehrlaktierenden) respektive 59 Tagen (bei Erstlaktierenden). Darin eingerechnet sind auch jene einzelnen Betriebe, die im Schnitt 100 Tage mit der Besamung warteten. Klar ist dabei, dass eine verlängerte ZKZ kein Herdenkonzept ist, sondern auf individuelle, geeignete Kühe angewendet wird.
Verlängerte ZKZ ist geeignet …
… für folgende Betriebe:
- Betriebe, auf denen es keine Rolle spielt, wenn sich die Geburt im Jahresverlauf verschiebt. In Systemen mit saisonaler Abkalbung oder Alpung macht eine verlängerte ZKZ hingegen wenig Sinn.
- Betriebe, bei denen die Kälber eine geringere wirtschaftliche Rolle spielen.
- Betriebe, die eine tierindividuelle Rationsgestaltung über Transponder, Roboter oder Futterschaufel praktizieren. So ist die Anpassung an eine verlängerte Laktation möglich.
… für folgende Kühe:
- Kühe mit einer hohen Milchleistung (> 9000 kg).
- Kühe mit einer guten Persistenz.
- Die Rasse ist zweitrangig. In der Tendenz sind aber die klassischen Milchrassen geeigneter.
- Erstlaktierende, weil sie oftmals eine flacher abfallende Persistenz-Kurve haben.
Bedingungen für eine verlängerte ZKZ
- Die Fütterung muss stimmen und im Verlauf der Laktation angepasst werden, wenn die Persistenz sinkt. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Kühe verfetten.
- Die Brunst muss gut dokumentiert werden, um den Überblick zu behalten.
- Es braucht Geduld und Mut, länger zu warten und nicht zu früh zu besamen.
Die Nachteile einer verlängerten Zwischenkalbezeit...
Doch wie geht man vor, um die ZKZ gezielt zu verlängern? Magdalena Keller empfiehlt, zuerst die aktuelle Situation zu analysieren: Wie gross ist die ökonomische Bedeutung der Kälber und wären weniger Kälber in Ordnung? Wie geht es meinen Kühen am Ende der Laktation und wie sind Milchleistung und Persistenz? Bin ich mit ihrer Körperkondition zufrieden?
Zur Umsetzung einer verlängerten ZKZ in der Praxis hat Keller einige Empfehlungen von Betriebsleitern im Projekt gesammelt. Letztendlich geht es darum, gezielt geeignete Tiere für eine verlängerte ZKZ zu selektieren:
- Ein Betrieb beispielsweise wählt nur Kühe aus dem Herdendrittel mit der höchsten Milchleistung aus, um bei ihnen die Laktation zu verlängern.
- Ein anderer besamt die Kühe erst wieder, wenn ihre Leistung unter 40 kg Milch am Tag fällt.
- Eine dritte Strategie ist, pro 1000 kg Jahresmilchmenge 10 Tage mit der Besamung zu warten.
Eine verlängerte ZKZ kann aber auch Nachteile mit sich bringen. Da die Kühe öfter brünstig werden, kann die Unruhe in der Herde zunehmen. Betriebe, die bereits eine verlängerte ZKZ umsetzen, hätten das aber nicht bestätigt, sagt Magdalena Keller.
Zudem können die Futterkosten zunehmen. Gleichzeitig nimmt der Zuchtfortschritt ab, wenn weniger Nachkommen auf die Welt kommen.
... und die Vorteile
Eine verlängerte ZKZ kann auch etliche Vorteile haben. Eine Kuh kalbert seltener – was für die Gesundheit von Vorteil ist. Denn eine Geburt ist immer auch ein Risiko für die Kuh. Rund um die Transitphase und die Geburt sind die Kühe ausserdem anfällig für Stoffwechselstörungen. Kann dies minimiert werden, können Tierarztkosten gespart werden.
Mit einer verlängerten ZKZ reduziert sich der Arbeitsaufwand durch seltenere Abkalbungen, weniger Kälber und Kühe in der Startphase. Auch im Hinblick auf die Fruchtbarkeit und den Besamungserfolg kann sich eine verlängerte ZKZ positiv auswirken.
Für einige Betriebe bedeutet eine gute Fruchtbarkeit, dass pro Kuh und Jahr ein Kalb auf die Welt kommt. Mit einer verlängerten ZKZ ist dieses Kriterium nicht erfüllt. Andere Betriebe definieren Fruchtbarkeit aber so: Es braucht möglichst wenige Besamungen (eine bis max. zwei Besamungen), damit eine Kuh trächtig wird.
In diesem Fall kann die verlängerte ZKZ sogar helfen. Denn insbesondere bei Hochleistungskühen kann der Besamungserfolg steigen, wenn nach der Geburt mit der Besamung gewartet wird. Gleichzeitig kann die Persistenz dadurch zusätzlich erhöht werden.
Es kann wirtschaftlich Sinn machen – muss aber nicht
Im Projekt von Agridea und Rindergesundheit Schweiz wurde auch der Deckungsbeitrag (DB) berechnet, um die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen einer verlängerten ZKZ abzubilden. Dabei mussten etliche Annahmen gemacht werden. So wurde beispielsweise bei allen Betrieben ein identisches Futter angenommen, damit die Berechnung möglich war.
Die Berechnung zeige daher nicht die «Wahrheit», schreibt Agridea. Es sei als Tendenz zu verstehen, die bei identischen Bedingungen zu beobachten ist.
Konkret zeigte sich, dass eine verlängerte Laktation bei Kühen mit hoher Milchleistung zu einem höheren DB führen. Wurde die Laktation von Kühen verlängert, die eine tiefere Milchleistung hatten (< 8000 kg), so blieb der DB stabil oder nahm sogar leicht ab – unter anderem aufgrund des fehlenden Erlöses durch das Kalb.
Deutsche Kühe zeigen ähnliche Tendenzen
Damit bestätigt die Betriebswirtschaft, was auch vom Herdenmanagement her sinnvoll ist: Hochleistende Kühe eignen sich für eine verlängerte ZKZ, andere Kühe hingegen nicht. Insgesamt sei der Effekt der Milchleistung auf die Erträge und den DB pro Jahr grösser als der Effekt der verlängerten Laktation, zeigen die Berechnungen von Agridea.
Eine deutsche Untersuchung mit über 26'000 Kühen zeigte ähnliche Tendenzen, wenn auch ausgeprägter. Kühe mit einer Milchleistung zwischen 10'000 und 11'000 kg Milch erzielten demnach den höchsten DB bei einer ZKZ von 400 bis 430 Tagen.
Eine verlängerte ZKZ kann also durchaus wirtschaftlich und zudem gesund für die Kuh sein. Nicht zuletzt ermöglicht sie nämlich dem Tier eine längere Erholung zwischen den Trächtigkeiten.