Kurz & bündig
- Die Betriebsgemeinschaft Muff/Kretz/Rosenberg in Schongau LU verfüttert ihren Milchkühen den Futtermittelzusatz Bovaer.
- Damit können die Methan-Emissionen reduziert werden, was im Rahmen des Projekts Klimastar abgegolten wird.
- Der Haken dabei: Bovaer kann nur auf Betrieben eingesetzt werden, die einen Grossteil des Futters als Mischung im Stall anbieten, wie Landwirt Markus Kretz erklärt.

Die Totalmischration, die Landwirt Markus Kretz seinen Kühen vorlegt, sieht ganz normal aus: Die Grundration besteht aus einem Drittel Grassilage, einem Drittel Maissilage und einem Drittel Heu respektive Gras vom Weidegang im Sommer. Das beigefügte Kraftfutter besteht aus Soja, Raps und einem Leistungsfutter.

Das Besondere an dieser TMR steckt im Mineralfutter: Dem wurde ein Futtermittelzusatz beigemischt, der die Methanproduktion der Kühe reduziert.

Die Betriebsgemeinschaft BG Muff/Kretz/Rosenberg aus Schongau LU macht beim Ressourcenprojekt Klimastar mit. Das Ziel dahinter: Eine klimafreundliche, standortangepasste und ressourcenschonende Milchproduktion auszutesten.

Weniger Konkurrenz zur menschlichen Ernährung

Die 230 teilnehmenden Milchviehbetriebe mit einer Produktion von rund 60 Millionen Kilogramm Milch setzen seit 2022 Massnahmen um, welche:

  • die Treibhausgas-Emissionen reduzieren.
  • die Nahrungsmittelkonkurrenz verkleinern, indem beispielsweise vermehrt Nebenprodukte aus der Müllerei als Kraftfutterkomponenten verwendet werden.
  • die Flächenkonkurrenz verkleinern, indem das Futter auf nicht ackerfähiger Fläche angebaut wird(von einer Teilgruppe von 86 Betrieben umgesetzt).

In der Praxis soll dies mit Massnahmen in verschiedenen Bereichen erreicht werden, zum Beispiel bei der Fütterung der Milchkühe. Es ist der Bereich, in dem Markus Kretz (48) in erster Linie eine Emissionsreduktion erzielen will.

«Ich hatte mich zur Projektteilnahme gemeldet, weil ich sehe, dass von der Politik und der Gesellschaft die Erwartung zunimmt, dass wir den ökologischen Fussabdruck verkleinern», erklärt Kretz, der auch Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands ist.

Das Soja-/Rapsschrot-Verhältnis angepasst

«Anfangs war ich aber frustriert.» Der Frust kam daher, dass Kretz und sein Arbeitskollege Andi Hartmann die Fütterung schon vorher optimiert hatten: «Wir setzen das Kraftfutter effizient ein und erwarteten, dass wir so ein Optimum zwischen Nahrungsmittelkonkurrenz und gesteigerter Milchleistung bereits erreicht hatten», erklärt Kretz. «Und dann haben wir uns trotzdem hingesetzt und begonnen, die einzelnen Futtermittelkomponenten zu hinterfragen und ihre Nahrungsmittelkonkurrenz anzuschauen.»

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Eine Folge davon ist, dass sie das Soja-/Rapsschrotverhältnis verändert haben, erklärt Andi Hartmann: «Jede Kraftfutterkomponente hat einen ‹verwertbaren Anteil Humanernährung›. Bei Rapsschrot ist dieser Anteil tiefer, weil er nicht für die menschliche Ernährung verwendet werden kann.»

Eine Reduktion des Methans um knapp 30 Prozent

Nebst diesen Anpassungen ist insbesondere der eingangs erwähnte Futtermittelzusatz entscheidend. Dabei handelt es sich um Bovaer (siehe Kasten), einer synthetisch hergestellten Substanz. Werden am Tag mindestens 60 mg Bovaer/kg Trockensubstanz verfüttert, wird das Methan aus dem Verdauungsprozess der Kühe um knapp 30 Prozent reduziert.

Wenn die Emissionen der Hofdüngerlagerung, Futterproduktion und Stromerzeugung dazugerechnet werden, macht die Reduktion durch Bovaer noch 15 Prozent der gesamten Emissionen aus.

Welche Futtermittelzusätze senken den Methan-Ausstoss?
Auf dem Markt gibt es verschiedene Futtermittelzusätze, die im Beschrieb auf die Methanreduktion verweisen. Hier eine Auswahl (nicht vollständig):

Bovaer wird von der niederländischen Firma DSM aus zwei Inhaltsstoffen in einer chemischen Reaktion hergestellt: Aus Nitrat und einem Alkohol. Das Produkt bindet im Pansen an ein Enzym, welches dadurch an der Methanbildung gehindert wird. Für die Herstellung von Bovaer braucht es Energie, da die Ausgangsstoffe erhitzt werden müssen. Laut Hersteller wird der CO2-Ausstoss durch die späteren Einsparungen bei weitem kompensiert. Die amtliche Futtermittelkontrolle der Schweiz hat Bovaer zugelassen als «Futtermittel, das die Umwelt günstig beeinflusst».

Agolin ist eine in der Schweiz gegründete Firma, die Futtermittelzusätze entwickelt und herstellt. Über die Produkte «Agolin Ruminant» und «Agolin Nature» gibt es kontroverse Diskussionen. Während die einen eine Methan-senkende Wirkung attestieren, sehen andere ungenügende wissenschaftliche Hinweise dafür. Die amtliche Futtermittelkontrolle hat Agolin zwar zur Fütterung in der Schweiz zugelassen, allerdings nicht als «Futtermittel, das die Umwelt günstig beeinflusst». Im Klimastar-Projekt kann daher keine direkte Methan-mindernde Wirkung durch die Verfütterung von Agolin angerechnet werden. Wenn dank Agolin bei gleicher Fütterung mehr Milch produziert wird, wird dies im Klima-rechner KLIR jedoch abgebildet.

Mootral ist ein schweizerisch-britisches Unternehmen, welches einen Futtermittelzusatz auf pflanzlicher Basis entwickelt hat. Die patentierte Kombination aus Knoblauch-Pulver und Zitrus-Extrakt soll die Methanemissionen um bis zu 30 Prozent senken. Gleichzeitig habe man in Versuchen einen positiven Effekt auf die Milchleistung festgestellt, heisst es auf der Firmen-Website. Aber auch Mootrals Futtermittel wird von der amtlichen Futtermittelkontrolle nicht als Methan-senkend anerkannt, aufgrund fehlender wissenschaftlicher Klarheit.

Was heisst das jetzt für den Praktiker? Alle aufgeführten Futtermittel sind zur Fütterung in der Schweiz zugelassen. Mit Ausnahme von Bovaer wurde bei ihnen aber keine direkte Methan-senkende Wirkung nachgewiesen. Wer bei einem Klimaprojekt mitmacht, sollte abklären, welche Futtermittel als emissionssenkend anerkennt werden.

Den Zusatz im Mineralfutter verpacken

Es bietet sich an, den Futtermittelzusatz dem Mineralfutter beizumischen, wie dies Kretz und Hartmann von ihrem Mischfutterhersteller machen lassen. Denn in reiner Form kann man Bovaer nicht verwenden. Es ist flüssig, hochflüchtig und ätzend. Es muss in einem anderen Futter «verpackt» und so verfüttert werden.

Der Haken dabei: Bovaer kann aktuell nur auf Betrieben eingesetzt werden, die einen Grossteil des Futters als Mischung im Stall anbieten. Denn die Methan-senkende Wirkung hält nur solange, wie die Kuh den Zusatz frisst. Danach lässt die Wirkung schnell nach.

Im Projekt Klimastar gibt es daher folgende Restriktion: Die Kuh darf nicht länger als drei Stunden auf der Weide sein – sonst wirkt Bovaer nicht, der ganze Tag zählt nicht und es werden entsprechend weniger Prämien ausgezahlt.

Bei Markus Kretz, der seine Kühe beim RAUS-Programm angemeldet hat, geht die erste Gruppe am Morgen gleich auf die Weide. Die zweite Gruppe geht zum Melkroboter und danach auf die Weide. Nach drei Stunden kommt die erste Gruppe nach drinnen zum Melken.

«Bei uns in der Region ist die Halbtagesweide verbreitet»

Es sei nicht die Idee, dass nun alle Kühe drinnen bleiben müssten, sagt Raphael Albisser: «Bei uns in der Region ist die Halbtagesweide verbreitet. Was auch gut ist und auch gesellschaftlich und politisch gewünscht ist.» Albisser ist Berater am Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung Luzern BBZN, einer der kantonalen Beratungsstellen, die im Klimastar-Projekt die erste Anlaufstelle für die TeilnehmerInnen sind. Er hilft den LandwirtInnen bei der Datenerfassung und berät bei Bedarf zu möglichen Massnahmen.

Zentral in Albissers Tätigkeit ist, dass jeder Betrieb individuelle Massnahmen umsetzen muss, um klimaschonender, standortangepasster und ressourceneffizienter zu werden. Ein intensiver Betrieb wie derjenige der BG Muff/Kretz/Rosenberg hat durch die Effizienz bereits relativ tiefe Emissionswerte pro kg Milch. In diesem Haltungssystem macht Bovaer Sinn und die BG konnte den Zusatz ohne grosse Umstellungen integrieren.

Nahrungsmittelkonkurrenz darf nicht steigen, sonst gibt es keine Prämie

Eine andere Frage ist, ob er überhaupt eine Verbesserung bei der Nahrungsmittelkonkurrenz schafft – ohne an Effizienz einzubüssen. Verschlechtern darf er sich auf jeden Fall nicht: Wenn ein Betrieb die Treibhausgas-Emissionen senkt, indem er die Fütterung intensiviert, steigt auch die Nahrungsmittelkonkurrenz. Vorgabe bei Klimastar ist allerdings, dass die Nahrungsmittelkonkurrenz mindestens stagniert, besser abnimmt. Wenn sie steigt, gibt es keine Prämie.

Auch deshalb ist für Markus Kretz Bovaer eine Lösung – weil das synthetische Produkt keinen Konkurrenzwert aufweist.

Betriebsspiegel der BG Muff/Kretz/Rosenberg
Schongau LU

LN: 59,9 ha
Kulturen: Naturwiese, Kunstwiese, Silomais, Winterweizen, Futterweizen, Wintergerste, Raps, BFF
Tierbestand: 72 Milchkühe, 30 Aufzuchtrinder, 3 Pensionspferde, 138 Muttersauen (Kernzucht AR1) mit Remontenaufzucht
Arbeitskräfte: Betriebsleiterfamilien und zwei Angestellte (ein Betriebsleiter Vollzeit, zwei Betriebsleiter Teilzeit, zwei Angestellte Vollzeit)

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Stagnierende Milchleistung, steigende Futterkosten

Nebst der Methan-Minderung sind bei Bovaer keine weiteren Effekte bekannt – weder negative noch positive. Das bedeutet auch, dass die Milchleistung auf einem ähnlichen Niveau bleibt. Oder wie Markus Kretz sagt: «Die Milchleistung unserer Kühe schwankt irgendwo zwischen 9500 und 10 000 Liter Milch. Diese Leistung ist sicher nicht schlechter geworden, seit ich bei Klimastar mitmache.» Hinzuzufügen ist hier, dass es für das Produkt jedoch noch keine Langzeitstudien gibt.

Während die Milchleistung stagniert, steigen die Futterkosten: «Je nach Milchleistung der Kuh kostet mich Bovaer zwischen 1 bis 1,5 Rappen mehr pro kg Milch. Auf den ganzen Betrieb ausgerechnet ergibt dies Mehrkosten von 7300 Franken pro Jahr», rechnet Kretz vor.

«Der Einsatz von Bovaer funktioniert nur, wenn die Mehrkosten abgegolten werden. Im Projekt Klimastar ist das der Fall», so Kretz. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine Entschädigung wegfallen und anderweitig, etwa über das Produkt, nicht abgegolten werden, würden die Landwirte die Massnahme auch nicht umsetzen, ist für Kretz klar.

Die Verdauung der Kuh hat Vor- und Nachteile

Die Verdauung der Kuh ist schuld daran, dass sie als Klimakillerin betitelt wird: Beim Abbau von Gras, Klee und Heu sind Mikroorganismen im Pansen beteiligt. Sie spalten Kohlenhydrate und Proteine auf und machen gewisse Nährstoffe so erst für die Kuh verdaulich. Als Nebenprodukt produzieren einige der Mikroorganismen Methan. Dieses Gas stösst die Kuh aus – und belastet damit das Klima. Denn Methan ist ein Treibhausgas, das zwar schneller abgebaut wird, aber während seiner Lebensdauer 80 Mal klimawirksamer ist als CO2.

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Gleichzeitig ermöglicht die Verdauung der Kuh, dass auf Grasland-Flächen Nahrungsmittel produziert werden können, die andernfalls nicht für die menschliche Ernährung genutzt werden können.

Was nun? Ist die Kuh klimaschädlich oder wird sie helfen, die Menschen zu ernähren? Die einfache Antwort: Sie ist beides. Doch genau das macht es schwierig. Welche der beiden Seiten der gleichen Medaille gewichten wir stärker? Wo liegt das Optimum? Darauf gibt es bis heute keine allgemein gültige Antwort.

Verarbeiter haben klare Ziele bei der Emissionsreduktion

Nichtsdestotrotz befasst sich die Milchbranche mit dem Thema. Emmi hat sich beispielsweise das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. «Weil ein massgeblicher Teil der Emissionen in der Primärproduktion anfällt, kam Emmi auf ZMP zu, mit der Bitte, uns dem Thema Klima auf Stufe Milchproduktion anzunehmen», sagt André Bernet, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Bereich Milchvermarktung bei den Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP. Die Erstmilchkäuferin ZMP ist Mehrheitsaktionärin bei Emmi.

Aus einem Vorgänger-Projekt entstand schliesslich Klimastar (siehe Kasten). Heute können keine neue Betriebe mehr mitmachen, da die Entwicklung der Betriebe von Anfang bis Ende beurteilt werden soll. Aber auch für die unbeteiligte Mehrheit der Schweizer Milchviehbetriebe sei Klimastar interessant, sagt Bernet: «Irgendwann wird die Emissionsreduktion sowieso Pflicht. Wichtig ist, dass wir Einfluss nehmen und erklären können, welche Massnahmen sinnvoll sind und welche nicht. Das testen wir heute mit Klimastar.»

Nach dem anfänglichen Frust macht Markus Kretz das Projekt mittlerweile Spass: «Für mich ist klar, dass ich unsere Tierhaltung verbessern will. Ich will den Fussabdruck verkleinern, nicht ins Ausland verlagern.»

Ressourcenprojekt Klimastar Milch
KlimaStaR: Klimaschutz, Standortangepasstheit, Ressourceneffizienz

Dauer: 2022 bis 2027

Trägerschaft: Aaremilch, Emmi Schweiz, Nestlé Schweiz, Zentral-schweizer Milchproduzenten ZMP, AgroCleanTech, mit finan-zieller Unterstützung des BLW. Die Beratung übernehmen Liebegg (AG), Inforama (BE) und BBZN (LU). Die HAFL begleitet das Projekt wissenschaftlich. Die Projektleitung liegt bei Agrofutura.

TeilnehmerInnen: Es nehmen 230 Milchviehbetriebe teil, mit einer Produktion von rund 60 Millionen Kilogramm Milch.

Aufbau des Projekts: Mit dem Klimarechner KLIR wird die individuelle Ausgangslage der einzelnen Betriebe berechnet, in Bezug auf Treibhausgasemissionen. Ebenfalls erhoben wird die Nahrungsmittelkonkurrenz auf dem Betrieb. Dann werden aufgrund dieser Berechnungen betriebsspezifische Reduktionsziele bestimmt. Werden diese Ziele erreicht, wird eine Prämie ausbezahlt. Erreicht werden sollen die Ziele mithilfe von 16 Massnahmen aus vier Bereichen (Fütterung, Herdenmanagement, Hofdünger und Energie).

Resultate: Im ersten Projektjahr 2022 wurden die Treibhausgas-Emissionen um 0,8 Prozent reduziert und Nahrungsmittelkonkurrenz um 9 Prozent. In Bälde werden Daten für 2023 erwartet.

Website: www.klimastar-milch.ch