Kurz & bündig
- Der Erreger Mycoplasma bovis verursacht bei Rindern schwere Erkrankungen wie Lungen-, Ohren- und Euterentzündungen.
- Da viele Antibiotika gegen den Erreger wirkungslos sind, stehen Biosicherheit und Management des Betriebes im Fokus der Vorbeugung.
- Mithilfe eines nationalen Kontrollprogrammes soll der Anteil infizierter Milchviehbetriebe stark reduziert werden.

Mycoplasma bovis (M. bovis) ist ein Bakterium, das bei Rindern aller Altersgruppen und in allen Produktionssystemen (Milchviehbetriebe, Mastbetriebe, Mutterkuhbetriebe) zu schweren Erkrankungen führen kann. Typisch sind Lungen- und Ohrenentzündungen bei Kälbern und Euterentzündungen bei Kühen.

«Es ist davon auszugehen, dass gut die Hälfte aller bei Kälbern verwendeten Antibiotika aufgrund von Infektionen mit M. bovis eingesetzt wird. Der Erreger kommt, wie unsere orientierenden Untersuchungen gezeigt haben, auf 30 bis 40 Prozent der Schweizer Milchviehbetriebe vor», sagt Tierarzt Martin Kaske vom Schweizer Kälbergesundheitsdienst (KGD). Die Kosten durch Erkrankungen aufgrund dieses Erregers liegen jährlich bei rund 30 Millionen Franken. Diese Zahl ist jedoch nur eine vorsichtige Schätzung, da wirtschaftliche Verluste durch Euterentzündungen, die schlechtere Milchqualität und andere, seltenere Krankheiten durch M. bovis unberücksichtigt blieben.

[IMG 2]

Husten bei Kälbern, Euterentzündungen bei Kühen

«Mykoplasmen sind mit die kleinsten Bakterien, die es gibt. Sie lassen sich schlecht in einer Kultur anzüchten, wachsen sehr langsam und haben hohe Ansprüche», erklärt Martin Kaske. Soll der Erreger kulturell nachgewiesen werden, dauert es zwei Wochen, bis ein Ergebnis da ist. Auch der Nachweis mittels PCR-Methode sei mit viel Aufwand und hohen Kosten verbunden. «In der Tiermedizin gilt: Man findet nur das, was man sucht.» Weil Mykoplasmen in der Diagnostik schwierig nachzuweisen seien, habe man diesem Erreger bisher tendenziell wenig Beachtung geschenkt. [IMG 3]

«Seit etwa fünf Jahren gibt es nun bessere diagnostische Möglichkeiten, um Antikörper im Blut oder in der Milch von Tieren, die eine Infektion durchgemacht haben, nachzuweisen; auch der Nachweis in der Tankmilch ist nunmehr zuverlässig möglich», weiss Martin Kaske.

Die Symptome des Erregers zeigen sich vielseitig:

  • Bronchopneumonien (Kälbergrippe): häufigstes Aufkommen bei Kälbern, oft in Kombination mit weiteren Erregern
  • Mittelohrentzündungen: bei Kälbern, schmerzhaft, häufig einseitig, typische Symptome sind Kopfschütteln, hängendes Ohr, Fieber und Tränenfluss
  • Arthritiden: geschwollene Gelenke, Lahmheit
  • Euterentzündungen: meist chronisch, seltener akut, meist mehrere Euterviertel betroffen, hoher Zellgehalt, schlechte bzw. keine Heilungserfolge
  • Fruchtbarkeitsstörungen: verlängerte Serviceperiode, schlechte Spermaqualität, Wundheilungsstörungen nach Kaiserschnitt

Wie können TierhalterInnen ihre Tiere schützen?

Ein zentrales Problem bei der Bekämpfung von M. bovis ist die Wirkung von Antibiotika. «Das Wirkprinzip vieler Antibiotika-Klassen ist die Störung des Aufbaus der Zellwand der Bakterien. Da Mykoplasmen aber keine Zellwand haben, sind viele Wirkstoffgruppen unwirksam», erklärt Martin Kaske.

Gleichzeitig steigt die Resistenzrate gegenüber potenziell wirksamen Antibiotika – die Behandlung erkrankter Tiere wird dadurch immer schwieriger. Das wichtigste Mittel, um eine Herde frei von M. bovis zu halten, ist ein geschlossener Bestand – also keine Tiere von aussen dazukaufen.

Wenn das nicht möglich ist, muss man versuchen, das Risiko schwerer Krankheitsverläufe durch M. bovis so gering wie möglich zu halten. Dazu gehören zum Beispiel möglichst optimale Umweltbedingungen, saubere Melkhygiene, ein gutes Kolostrum-Management und alle üblichen Massnahmen, die den Infektionsdruck senken.

«Der Nachweis von M. bovis ist häufig ein Indikator dafür, dass die Biosicherheit auf dem Betrieb nicht ausreichend ist», erklärt Martin Kaske. Besonders wichtig ist es, keine Milch mit Erregern an Kälber zu vertränken und die gemeinsame Aufstallung von unterschiedlich alten Kälbern zu vermeiden.

Studien weisen ausserdem immer wieder darauf hin, dass geschwächte Tiere deutlich anfälliger für Infektionen sind. Deshalb ist es wichtig, Kälber in den rund zehn Wochen der Tränkezeit intensiv zu tränken, um Probleme mit M. bovis zu verringern.

Erste Erfahrungen mit einem neuen kommerziellen Impfstoff gegen M. bovis gibt es im Ausland. Der Impfstoff wurde für den Einsatz auf den Geburtsbetrieben entwickelt. «Die Erfahrungen mit dem Impfstoff sind bis jetzt positiv. Die Impfung ist ein gutes zusätzliches ‹Werkzeug›, jedoch kann das Grundproblem nicht allein durch die Impfung gelöst werden», betont Kaske. Ausserdem sei der Impfstoff aktuell noch nicht in der Schweiz zugelassen.

[IMG 4]

«In der Tiermedizin gilt: Man findet nur das, was man sucht.»

Martin Kaske, Tierarzt 

Reduktion durch ein Kontrollprogramm

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen hat der Schweizer Kälbergesundheitsdienst einen Vorschlag für ein Kontrollprogramm vorgelegt. Hauptziel von «My Control» ist es, den Anteil von Milchviehbetrieben mit M.-bovis-Infektionen von aktuell etwa 35 % drastisch zu senken.

Dadurch sollen die Schäden durch M. bovis sowie der Einsatz von Antibiotika im Zusammenhang mit M. bovis um rund 90 % verringert werden. Gleichzeitig sollen sich die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere verbessern und die Leistung von Milch- und Mastbetrieben deutlich steigen.

Ein zentraler Punkt des Programms ist die Diagnostik über serologische Untersuchungen. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Tankmilchtests liefern zuverlässige Ergebnisse.
  • Nach einer Infektion bleiben Antikörper bei Kälbern und Kühen lange nachweisbar.
  • Bei akut und chronisch kranken Tieren ist die Erregerausscheidung unregelmässig und kaum vorhersagbar.

Dass Kontrollprogramme sich bewähren, hat sich in der Schweiz im Schweinebereich gezeigt. Bei Schweinen ist das Pendant zu M. bovis Mesomycoplasma hyopneumoniae. «Durch diesen Erreger kommt es beim Schwein zu Enzootischer Pneumonie (EP), einer schwerwiegenden Lungenentzündung», erklärt Kaske.

In der Schweiz ist es mittels eines nationalen Bekämpfungsprogrammes über mehr als 20 Jahre gelungen, den Erreger praktisch auszurotten.

Somit ist die Schweiz eines der ganz wenigen Länder, das in Europa frei von EP ist. Das ist laut Martin Kaske bemerkenswert, zumal im Schweinebereich nicht die gleichen diagnostischen Möglichkeiten wie im Rindviehbereich (z. B. durch Tankmilchproben) bestehen.

Aus diesem Grund blickt der Tierarzt positiv in die Zukunft, was die Bekämpfung von M. bovis in der Schweizer Rindviehhaltung anbelangt. Nun gilt es zunächst, in einer Vorstudie die Effektivität der geplanten Massnahmen zu belegen.

[IMG 5]