Kurz & bündig
- Pseudotuberkulose ist häufig der Grund für oberflächliche Abszesse bei Ziegen.
- Pseudotuberkulose ist auch in Schafherden verbreitet.
- Nicht jedes an Pseudotuberkulose erkrankte Tier hat jederzeit sichtbare Abszesse.
Sie möchten eine Ziege kaufen und sehen bei diesem Tier eine Vernarbung am Kopf. Was machen Sie mit dieser Information? Woher stammt die Narbe? Könnte es sich um Pseudotuberkulose handeln? Was ist das für eine Erkrankung?
Die Erkrankung wird durch Bakterien mit dem Namen Corynebacterium pseudotuberculosis ausgelöst. Die Krankheitserreger können in der Umwelt, zum Beispiel auf Stalloberflächen oder im Melkstand, bis zu acht Monate lang überleben. In Schafen und Ziegen können die Bakterien noch länger überleben, denn die erkrankten Tiere können die Krankheit nicht erfolgreich bekämpfen, sondern bleiben lebenslang infiziert.
Auch kein Antibiotikum kann die Erreger in Ziegen bzw. Schafen abtöten: Pseudotuberkulose ist unheilbar. Warum? Weil die Bakterien sich im Tier «verstecken» können und dadurch für das Medikament unerreichbar sind. Sie verstecken sich in den Abwehrzellen.
In den Lymphknoten können sich Abszesse bilden
Der fortwährende Kampf zwischen den Bakterien und Abwehrzellen findet in den Lymphknoten statt. Die Lymphknoten der infizierten Tiere nehmen dabei stark an Grösse zu und es kann in ihnen zu einer Abszessbildung (Eiteransammlung) kommen. Diese Abszesse brechen nach einer gewissen Zeit auf und sehr zäher, gelblich-grüner Eiter wird frei. [IMG 2]
Falls ein oberflächlicher Abszess betroffen ist, gelangt der erregerhaltige Eiter in die Umwelt, zum Beispiel auf Stalleinrichtungen. Er kann aber auch im Fell des Tieres monatelang verweilen. Die Abszesse verheilen anschliessend gut, aber es bleiben unter Umständen sichtbare Narben zurück.
Falls innere Lymphknoten betroffen und stark vergrössert sind, können diese die Organfunktionen einschränken (Regurgitieren [Erbrechen] beziehungsweise Pansenblähungen). Falls die Abszesse im Körperinneren aufbrechen, gelangt der Eiter in die Körperhöhlen oder in andere Organe, dies führt über kurz oder lang zum Tod des Tieres.
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Bei Ziegen sind häufig die oberflächlichen Lymphknoten betroffen. Bei Schafen hingegen sind es neben den oberflächlichen Lymphknoten häufig auch die inneren Lymphknoten, insbesondere jene in der Nähe der Lunge, welche vergrössert sind und Abszesse bilden. Obwohl Säugetiere mehrere Hundert Lymphknoten auf der Körperoberfläche und im Körperinneren besitzen, sind es bei Pseudotuberkulose häufig nur bestimmte Lymphknoten, welche von den Veränderungen betroffen sind. Es sind sehr selten gleichzeitig mehrere Lymphknoten bei einem Tier betroffen.
Pseudotuberkulose mit einer Blutuntersuchung nachweisen
Es gibt auch Phasen in der Erkrankung, in denen gar keine Abszesse bei den kranken Tieren zu sehen sind. Daher ist die Blutuntersuchung für jeden Tierzukauf wichtig, falls die Herdengesundheit in Bezug auf Pseudotuberkulose unbekannt ist. Gesunde Tiere können sich über kleinste Hautverletzungen (Schur, Kratzbürsten/Kratzbaum auf der Weide, Kastration, Impfen, Ohrmarken einziehen, Kampfwunden) mit Pseudotuberkulose anstecken oder sie nehmen den Erreger über das Futter bzw. das Wasser auf (peroraler Infektionsweg).
Die vergrösserten Lymphknoten sind das auffälligste Symptom bei an Pseudotuberkulose erkrankten Tieren. Zusätzlich dazu magern die Tiere stetig ab und haben eine schlechtere Leistung im Vergleich zu gesunden Tieren. [IMG 3]
Auch Menschen können sich mit dem Erreger anstecken: Pseudotuberkulose-Infektionen des Menschen sind aber nur vereinzelt dokumentiert.
Abszesse deuten auch auf andere Krankheiten hin
Es gibt viele andere Erreger, abgesehen von Corynebacterium pseudotuberculosis, welche ebenfalls Abszesse hervorrufen können. Um die verschiedenen Erkrankungen voneinander unterscheiden zu können, muss der Eiter im Labor untersucht werden. Dafür wird das Tier, sobald ein sichtbarer Abszess vorliegt, separiert und der Abszess, wenn er reif ist, an einem Ort mit abwaschbarem Boden kontrolliert eröffnet, idealerweise vom Tierarzt.
Der Eiter muss mit einem Tupfer entnommen und der Abszess anschliessend mit einer desinfizierenden Lösung gespült werden. Das Tier sollte erst wieder in die Herde integriert werden, wenn das Laborergebnis vorliegt, um die Übertragung des Erregers auf andere Tiere zu vermeiden.
Das ist ein Abszess
Als Abszess wird eine lokal begrenzte, abgekapselte Eiteransammlung in der Haut oder in inneren Organen bezeichnet. Eiter besteht aus weissen Blutkörperchen (Abwehrzellen) und eingeschmolzenem Gewebe und ist von variabler Konsistenz und Geruch. Die Bildung von Eiter ist eine natürliche Abwehrreaktion des Körpers auf eine meist bakterielle Infektion.
Ein wichtiger Erreger, welcher ebenfalls seuchenartig auftreten kann und auch Lymphknoten betreffen kann (aber nicht muss), ist Staphylococcus aureus anaerobius. Wird dieser Erreger im Eiter festgestellt, handelt es sich um die sogenannte «Morel Disease». Morel Disease ist eine Erkrankung, die zwar viele Tiere und insbesondere Jungtiere in der Herde betreffen kann, aber auch wieder vollständig aus dem Betrieb verschwinden kann, da sie heilbar ist.
Daneben gibt es eine Reihe anderer Erreger, welche im Eiter festgestellt werden können. Jene Abszesse betreffen jedoch häufig nicht die Lymphknoten, sondern sind an anderen Orten an der Körperoberfläche anzutreffen.
Vermutlich sind mehr Herden von Pseudotuberkulose betroffen
Pseudotuberkulose ist weltweit bei allen Wiederkäuern anzutreffen. In der Schweiz zählt sie zu den zu überwachenden Tierseuchen. Dies bedeutet, dass die nachgewiesenen Fälle bei Schafen und Ziegen vom Labor dem Kanton gemeldet werden müssen. Es wird angenommen, dass deutlich mehr Herden betroffen sind, als es die Fallzahlen angeben. Auch deshalb, weil Schafe häufig keine von aussen sichtbaren Abszesse zeigen und keine Krankheitsabklärungen durchgeführt werden. Betroffene Ziegenbetriebe können über den BGK eine Sanierung machen und die Erkrankung auf diese Weise aus ihrem Bestand eliminieren. Leider ist nicht jeder Bestand für eine Sanierung geeignet, da zum Schutz der Reinfektion restriktive Grundvoraussetzungen in Bezug auf Alpung und Schauwesen erfüllt sein müssen.
Über 300 Betriebe im BGK-Sanierungsprogramm
Dem Pseudotuberkulose-Sanierungsprogramm des BGK sind aktuell 304 Betriebe angeschlossen, 285 davon haben den zertifizierten Status «serologisch Pseudotuberkulose-freier» Betrieb. Seit seiner Gründung im Jahr 2010 hat das Programm stetig an Mitgliedern gewonnen, begonnen hat es mit 35 Betrieben. Betriebe, die mit der Ziegenhaltung beginnen möchten, sollten die gewünschten Tiere aus solchen Betrieben kaufen.
Im Zuge der Sanierung werden alle Tiere des Betriebes, welche älter als sechs Monate sind, serologisch auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen den Erreger der Pseudotuberkulose untersucht (Blutuntersuchung). Alle an Pseudotuberkulose erkrankten Tiere – auch jene ohne sichtbare Abszesse – müssen, falls sie über das Blut positiv getestet worden sind, ausgemerzt werden. Zur Erhaltung wertvoller Zuchtlinien gibt es jedoch die Möglichkeit, Nachkommen von an Pseudotuberkulose erkrankten Müttern mutterlos aufzuziehen. Danach müssen die Betriebe weiterhin alle Tiere ihres Bestandes, welche über sechs Monate alt sind, in bestimmten Abständen serologisch untersuchen lassen.
Es gibt Ausnahmen. Diese sind in den technischen Weisungen zum Pseudotuberkulose-Sanierungsprogrammes vermerkt. Seit dem 1. Juli 2025 liegen die technischen Weisungen aktualisiert vor, da es innerhalb des Pseudotuberkulose-Sanierungsprogrammes eine neue Rubrik namens «Schauwesen plus» gibt.
Teresa von Geymüller ist Tierärztin und arbeitet in der Sektion Ziegen des Beratungs- und Gesundheitsdienstes für Kleinwiederkäuer (BGK/SSPR).