Kurz & bündig
- Die Finanzen des Schweinegesundheitsdienstes müssen überprüft werden. Das ist die Forderung von Bund und Kantonen an die Schweinebranche.
- Bei der Reform lasse man die Suisseporcs mitreden, sagt Geschäftsführer Stefan Müller.
- Toni Zwimpfer, Züchter und ehemaliges Mitglied des Suisseporcs-Zentralvorstandes, befürchtet, dass ProduzentInnen mit der Reform an Einfluss verlieren.
- Eine wichtige Rolle spielt die Organisation Nutztiergesundheit Schweiz, die zwischen den Parteien vermittelt – und dabei auch auf Skepsis stösst.
- Welche konkreten, langfristigen Veränderungen zu erwarten sind, ist noch unklar.

Der Schweinegesundheitsdienst SGD soll neu organisiert werden. Das hat zu Unstimmigkeiten im Zentralvorstand der Suisseporcs geführt. Vorstandsmitglied und Schweinezüchter Toni Zwimpfer trat als Präsident des Fachgremiums Gesundheitsdienste und in der Folge als Mitglied des Zentralvorstandes zurück.

Die Grundelemente des SGD-Gesundheitsprogramms werden auf die Organisation Nutztiergesundheit Schweiz NTGS übertragen, kritisierte Zwimpfer. «Mit der Reorganisation wird das Gesundheitsprogramm aus den Händen der Schweineproduzenten gegeben», schrieb Zwimpfer in seinem Demissionsschreiben Ende Februar 2023. Und weiter: «Ich kann den Schaden, der für die Produzenten entsteht, persönlich nicht mittragen.»

Suisseporcs-Geschäftsführer Stefan Müller hält entgegen: «Der Zentralvorstand der Suisseporcs hat darüber abgestimmt, ob die branchenweite Absichtserklärung unterzeichnet werden soll oder nicht. Am Ende wurde also basisdemokratisch der Mitarbeit und der Mitsprache bei der Reorganisation zugestimmt. Das ist es, was die ProduzentInnen wollen.»

Züchter gaben Anstoss – der SGD entstand

Reorganisation? Absichtserklärung? Worum geht es in diesen Diskussionen? Das herauszufinden, ist nicht ganz einfach. Beginnen wir also von vorne, bei den Anfängen des SGD.

Den Schweinegesundheitsdienst SGD gibt es seit über 50 Jahren. Den Anstoss für einen gesundheitlichen Dienst gaben damals die Züchter selbst. Ihre Schweine hatten häufig Lungenentzündungen und kämpften mit der Enzootischen Pneumonie, einer Seuche, die mittlerweile dank Flächensanierung mit tierärztlicher Begleitung durch den SGD kein Thema mehr ist.

Auch dank der Beratung des SGD ist der Gesundheitsstandard der Schweizer Schweine hoch. Der SGD ist seit 2005 der Suisag angegliedert und arbeitet bis heute mit den ProduzentInnen zusammen. Diverse Projekte wurden gemeinsam auf freiwilliger Basis durchgeführt. So etwa das Gesundheitsprogramm Suissano, bei dem SchweinehalterInnen eine beträchtliche Menge Daten zur Gesundheit und der Behandlung ihrer Schweine erheben.

Die einzelnen Organisationen

Suisseporcs: Der Schweizerische Schweinezucht- und Schweineproduzentenverband. Der Zentralvorstand der Suisseporcs ist das oberste strategische Organ, auch in Bezug auf den Schweinegesundheitsdienst SGD. Die Suisseporcs hat Leistungsvereinbarungen im Schweinegesundheitsbereich mit Bund und Kantonen.

Suisag: Ein Unternehmen, das Leistungen in den Bereichen Schweinegenetik, -Spermaproduktion und -Gesundheit anbietet. Der SGD ist ein Geschäftsbereich der Suisag. Die Suisseporcs ist die Hauptaktionärin der Suisag.

Qualiporc: Eine Genossenschaft in der Ostschweiz, die ebenfalls einen Gesundheitsdienst sowie Zuchtservice für die SchweineproduzentInnen anbietet.

Nutztiergesundheit Schweiz NTGS: Ein Kompetenz- und Innovationsnetzwerk. Ihr Ziel: Die Nutztiergesundheit in der Schweiz tierartübergreifend fördern und dabei Synergien nutzen. Der Verein NTGS wurde 2020 von Tierhalterorganisationen (u.a. die Suisseporcs), Viehhändlern, TierärztInnen der Vetsuisse-Fakultät und der Vereinigung der Schweizer KantonstierärztInnen gegründet.

Zu 80 Prozent von den ProduzentInnen finanziert

Finanziert wird der SGD zum einen durch die Mitgliederbeiträge der SchweineproduzentInnen und zum anderen durch öffentliche Gelder von Bund und Kantonen. Stefan Müller spricht von rund 850'000 Franken, die je zur Hälfte jährlich von Bund und Kantonen für die Schweinegesundheitsdienste gezahlt werden. Die ProduzentInnen wiederum finanzieren heute den SGD mit ihren Beiträgen zu rund 80 Prozent.

Auf der einen Seite ist der SGD also eine Institution, die bei den ProduzentInnen anerkannt und etabliert ist – auch, weil sie bei der Entstehung und Entwicklung massgeblich mitgearbeitet und mitentschieden haben. Auf der anderen Seite fliessen öffentliche Gelder zum SGD, für Leistungen der allgemeinen Tiergesundheit, Biosicherheit und dem Tierwohl.

Die öffentliche Hand (Bund und Kantone) knüpfen ihre Beiträge an Leistungen und Auflagen. Das wurde bis jetzt in einer Leistungsvereinbarung mit der Suisseporcs geregelt. Die öffentlichen Geldgeber sind auch im Fachgremium Gesundheitsdienste vertreten. Sie können dort also mitreden, Anträge stellen und einen gewissen Einfluss nehmen.

Qualiporc stellt auch Ansprüche an öffentliche Gelder

Diese Situation soll sich nun ändern. «Bund und Kantone haben für die Fortführung der öffentlichen Beiträge Veränderungen gefordert», bestätigt Lukas Perler, Geschäftsführer der Organisation Nutztiergesundheit Schweiz. Was ist da passiert?

Zum einen gibt es Handlungsbedarf aufgrund der Marksituation: Die Qualiporc bietet einen Gesundheitsservice an, der seit einigen Jahren analog zur Suisag Dienstleistungen für Produzenten anbietet und Ansprüche auf öffentliche Unterstützung stellt.

Zum anderen liess das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV die Arbeit des SGD evaluieren. Im Schlussbericht vom November 2021 steht, dass die Beratungsdienste des SGD bis anhin erfüllt wurden.

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Nähe zu den Kunden: Erfolgsrezept oder Interessenskonflikt?

Einige Abschnitte später äussern die Autoren (zwei externe Forschungs- und Beratungsunternehmen) Bedenken bei den rechtlichen Grundlagen: Das betreffe den Datenaustausch, die Zusammenarbeit mit den Vetsuisse-Schweinekliniken, das Thema Tierschutz und die Krisenvorsorge. Eine gesetzliche Meldepflicht von Tierschutzverstössen gebe es beispielsweise nicht.

Der SGD komme bei etlichen Punkten in Interessenskonflikte, weil er in gewisser Abhängigkeit zu seinen Kunden, den ProduzentInnen, stehe.

Toni Zwimpfer sagt dazu: «Der SGD ist nicht eine eigentliche Kontrollorganisation, sondern eine Beratungs- und Dienstleistungsorganisation.» Tierschutzverstösse seien jeweils den kantonalen Stellen gemeldet und kleine Vergehen direkt mit den Produzenten geklärt worden. «Die Nähe zu den Produzenten war ein Teil des Erfolgsrezeptes des SGD. Mit den Kantonen wurde der Prozess besprochen und so für gut befunden», so Zwimpfer.

«Wir müssen die Finanzen überdenken, so der Auftrag»

Erfolge hin oder her: Die Forderungen nach Anpassungen in der SGD-Organisation von Bund und Kantonen stehen im Raum: «Wir müssen die Finanzen überdenken, so der Auftrag. Eine konkrete Forderung war beispielsweise, dass man die Betriebsbesuche durch den SGD oder auch durch Vertragstierärzte nicht mehr finanziere», sagt Stefan Müller.

Als Geldgeber hat das BLV entschieden, dass sich der SGD verändern und entwickeln müsse. Im April 2023 haben Suisseporcs, Suisag, Qualiporc, NTGS, Tierärzte, Universitäten, Bund und Kantone eine Absichtserklärung unterschrieben. Damit verpflichten sie sich, gemeinsam an der SGD-Reform zu arbeiten.

«Man lässt uns bei der Reform mitreden. Die Alternative, den SGD im Alleingang zu führen, zu 100 Prozent von den Produzenten finanziert, wäre für den Zentralvorstand nicht infrage gekommen», sagt Stefan Müller entschieden. Es gehe um öffentliche Gelder, die nicht mehr zum SGD geflossen wären. «Der Suisseporcs ist es ein Anliegen, dass das Geld weiter fliesst, mehrheitlich zu den Produzenten hinunter», so Müller.

Einige Dienstleistungen können ausgelagert werden

Der Beitrag von Bund und Kantonen an die Suisseporcs wird allerdings in jedem Fall sinken, weil die SGD-Gelder innerhalb der gesamten Branche anders verteilt werden – und beispielsweise auch an die Qualiporc gehen. Im Gegenzug können einige Dienstleistungen an Dritte ausgelagert werden, sodass die Kosten des SGD für die Produzenten nicht steigen, sagt Stefan Müller.

Wie die Finanzierung neu abläuft, wie die Forderungen erfüllt werden sollen, welche Umstrukturierungen geplant sind: Konkret benennt das niemand. Das wird in den nächsten drei Jahren erarbeitet und verhandelt. Eines wurde aber bereits geklärt: Die Gesundheitsdaten der Schweinebetriebe bleiben im Eigentum der Organisationen Suisag und Qualiporc. Ebenso bleibt das elektronische Behandlungsjournal Eigentum der bisherigen Besitzer.

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Künftig wird nicht mehr der Zentralvorstand der Suisseporcs das oberste strategische Gremium des SGD sein, sondern der sogenannte «Ausschuss Schweine NTGS». Bei ihm liegt die strategische Verantwortung für die Reform des SGD. In diesem Ausschuss hält die Suisseporcs die Stimmenmehrheit.

Die Rolle der Organisation Nutztiergesundheit Schweiz

Bei dieser ganzen Reform spielt die NTGS eine zentrale Rolle. Lukas Perler beschreibt es so: «Die Rolle von NTGS ist koordinierend und vermittelnd im Sinne einer neutralen Stelle, so dass die Branche – Suisseporcs, Suisag, Qualiporc, Schweizerische Vereinigung für Schweinemedizin SVSM, Schweinekliniken der Vetsuisse und die NTGS – zu einer gemeinsamen Lösung findet.» Dabei gehe es nicht darum, dass die NTGS die Tiergesundheitsdienste kontrolliere, so Perler.

Toni Zwimpfer ist der NTGS gegenüber skeptisch: «Das häufige Argument der Effizienzsteigerung durch Nutzung von tierartübergreifenden Synergien ist ein Vorwand. Das Gegenteil ist richtig: Das neue System, mit der NTGS als Drehscheibe, ist viel komplizierter und den Produzenten geht Geld verloren für Verwaltung und Aufträge an die Universitäten.»

Der Bund habe klare Interessen, die NTGS – im Gegensatz zum SGD – auszubauen und zu finanzieren, sagt Zwimpfer: «Damit ist er den Produzentendaten viel näher als heute und hat deutlich mehr Mitspracherecht bei der Schweinegesundheit.» So solle zum Beispiel ein Teil der öffentlichen Gelder, welcher bis anhin an den SGD bezahlt wurde, zum weiteren Aufbau der durch den Bund initiierten Datenbank PHIS gehen (PHIS = Pig Health Info System, in Deutsch etwa: Informationssystem Schweinegesundheit, Anm. d. Red.).

«Nie Anspruch auf Daten erhoben»

Dass die NTGS unter anderem von Produzentenorganisationen gegründet wurde, lässt Toni Zwimpfer als Gegenargument nicht gelten: «Die Suisseporcs hat zwar eine Mehrheit im Ausschuss Schweine NTGS, welche aber nicht gesichert ist. Diese Mehrheit wird sie auch kaum ausspielen können, da andere Vertreter im Ausschuss auch ihre Zustimmung geben müssen. Der Einfluss des Bundes und der Tierärzteschaft ist bei der NTGS um einiges grösser, als dies bis jetzt der Fall war.»

Lukas Perler präzisiert die Wichtigkeit des Datenschutzes und der Zusammenarbeit: «Die NTGS hat nie Anspruch auf Daten erhoben. Die Einhaltung der Datenschutzvorgaben ist wichtig und muss transparent geregelt sein.» Auch Kontrolle oder Führung von Tiergesundheitsdiensten seien keine Zielsetzungen der NTGS, so Perler.

2025 wird evaluiert und neu verhandelt

Am Ende bleiben eine gewisse Verwirrung und mehrere offene Fragen. Wie es in Zukunft mit dem SGD weitergehen wird, ist beispielsweise noch nicht geklärt.

Die Absichtserklärung der Schweinebranche ist nur als Übergangslösung in der Transformationsphase gedacht – bevor dann Bund und Kantone 2025 eine Zwischenbilanz der Reorganisation ziehen und das weitere Vorgehen besprechen werden. Dabei wird auch die Stimmenmehrheit der Suisseporcs im «Ausschuss Schweine NTGS» neu überprüft.