Kurz & bündig
- Mit selektivem Trockenstellen kann der Antibiotikaverbrauch reduziert werden.
- Jede Milchkuh sollte individuell beurteilt werden.
- Bei Problemkühen und -betrieben sollte eine Milchprobe entnommen werden, um den passenden antibiotikahaltigen Trockensteller einzusetzen.
Besonders die Galtzeit ist für die Eutergesundheit wichtig. Einerseits, weil die Heilungschancen für eine bestehende Euterentzündung gross sind. Das Euter kann sich von der vorhergehenden Laktation erholen und neues keimfreies, milchbildendes Gewebe aufbauen.
Andererseits ist das Risiko einer Infektion in den ersten Tagen nach dem Trockenstellen erhöht, weil das Euter nicht mehr entleert wird.
«Für mich wird die Bedeutung der ersten Tage der Trockenstellphase und der Zeit rund ums Abkalben oft unterschätzt, wenn es um die Eutergesundheit geht», sagt Grégoire Theubet, Tierarzt bei Vétérinaires Mont-Terri Sàrl in Courgenay JU. Für eine befriedigende Galtzeit ist ein erfolgreiches Trockenstellen unabdingbar.
Selektiv trockenstellen und Antibiotikaverbrauch senken
Selektives Trockenstellen bedeutet, dass nicht alle Kühe vorbeugend mit einem antibiotischen Trockensteller behandelt werden. Für ein selektives Trockenstellen werden einerseits die Tankmilch und andererseits die Einzelkuh betrachtet.
Die durchschnittliche theoretische Tankzellzahl (tTZZ) über das ganze Jahr darf nicht über 150 000 Zellen/ml liegen. Die tTZZ bezieht die Milch aller laktierenden Kühe ein, auch jener, die wegen hoher Zellzahlen, Behandlungen oder Kolostrum nicht in den Tank gemolken werden.
Liegt die tTZZ unter 150 000 Zellen/ml, kann der Einsatz von Antibiotika bei jeder Kuh separat bestimmt werden. Anhand der Kuh Alma wird das Vorgehen erläutert:
Alma befindet sich Ende Laktation und soll trockengestellt werden. Hierfür werden die letzten drei Milchwägungen von Alma kontrolliert. Liegen die Ergebnisse aller drei Wägungen unter 150 000 Zellen/ml, kann ohne antibiotische Trockensteller gearbeitet werden.
Liegt eine oder sogar mehrere der drei Messungen darüber oder weist Alma eine mastitisreiche Vorgeschichte auf, ist der Einsatz von einem spezifischen antibiotischen Trockensteller zu empfehlen. Hier lohnt sich eine Analyse der Milch und eventuell die Erstellung von einem Antibiogramm, damit die Erreger erfolgreich behandelt werden können.
Betriebe, welche keine Milchwägungen machen, können auch mit dem Schalmtest arbeiten. Eine leicht erhöhte Zellzahl, also leicht positiv mit leichter Wolkenbildung im Schalmteller am Ende der Laktation, ist häufig und nicht weiter beunruhigend. Zeigt der Schalmtest mittelgradig positiv mit einer deutlichen Schleimbildung beim Schwenken des Schalmtellers, ist eine Milchprobeentnahme zu empfehlen.
Immer die theoretische Tankzellzahl und die Einzelkuh betrachten
«Die Wichtigkeit der bakteriologischen Betreuung rund um das Trockenstellen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen», sagt Grégoire Theubet. «Mit einem selektiven Trockenstellen lassen sich Euterentzündungen effizienter behandeln bzw. vorbeugen. Mit einer Milchanalyse und anschliessend entsprechender Behandlung vor dem Trockenstellen kann die nächste Laktation optimal vorbereitet werden.»
Liegt die tTZZ über 150 000 Zellen/ml, soll für eine erfolgreiche Bekämpfung der Leitkeim analysiert werden. Ist dies ein Kuh-assoziierter Keim wie zum Beispiel Staphylococcus aureus, insbesondere der Genotyp B, sollen alle Kühe antibiotisch trockengestellt werden. Dies, weil der genannte Erreger sehr ansteckend ist und rasch zu einem Herdenproblem mit Euterentzündungen führen kann. Gerade bei Erregern, die häufig Resistenzen aufweisen (unter anderem Staph spp.) sollen diese auch überprüft werden, um dann mit einem spezifischen, noch wirksamen Antibiotikum behandeln zu können.
Ist der Erreger Umwelt-assoziiert, wird analog zum Betrieb mit der tTZZ unter 150 000 Zellen/ml jede Kuh einzeln betrachtet und behandelt. Die Bedingungen im Stall und im Melkstand müssen analysiert und eventuell verbessert werden, da auch ein ungenügender Luftaustausch, zu hohe Luftfeuchtigkeit (über 85 %) oder verschmutzte Liegebereiche Euterentzündungen provozieren können.
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Erfolgreiches Trockenstellen beginnt vor der letzten Melkung
Ein erfolgreiches Trockenstellen beginnt bereits Ende Laktation. Etwa zehn Tage vor dem Trockenstellen soll die Kraftfuttergabe reduziert werden, mit dem Ziel, dass die Tagesmilchmenge unter 15 kg fällt. Je geringer der Milchdruck im Euter ist, desto eher kann ein Milchlaufenlassen während der ersten Tage der Trockenzeit und somit die Gefahr von über den offenen Strichkanal eindringenden Bakterien reduziert werden.
Um sicherzustellen, dass der Strichkanal während der Galtzeit gut verschlossen ist und keine Erreger eindringen können, kann ein Zitzenversiegler eingesetzt werden. Achtung: In Käsereimilchbetrieben ist dies meistens verboten, da er schwarze Punkte im Käse verursachen kann. Der Versiegler übernimmt bzw. verstärkt die Aufgabe des Keratinpfrofens, den die Kuh natürlicherweise während der Galtzeit ausbildet.
In der Transitphase, wenn das Euter anschwillt und sich Euterödeme bilden, wird der natürliche Keratinpfropf oft schon abgestossen und der Strichkanal ist offen, wodurch Erreger eindringen können. «Oft haben wir Kühe, welche schon im Zeitraum des Abkalbens eine Infektion einfangen und diese dann später in Form einer Euterentzündung zeigen», sagt Grégoire Theubet. «Hier ist die Hygiene enorm wichtig, weil ein eventuell eingesetzter antibiotischer Trockensteller jetzt keinen Schutz mehr bietet.»
Sowohl beim Behandeln mit antibiotischem Trockensteller als auch beim Einsatz eines Versieglers ist die Strichkanalöffnung zuerst unbedingt ausführlich zu desinfizieren. Das Antibiotikum wird nach Einführung ins Euter hochmassiert, der Versiegler dagegen muss unten bleiben: Mit Daumen und Zeigefinger wird die Zitze etwa in der Hälfte zusammengedrückt, der Versiegler wird appliziert, der Druck auf den Kanal wird belassen, bis der Versiegler auszuhärten beginnt.
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Die oben beschriebene Vorgehensweise ist nur mit einem abrupten Trockenstellen umzusetzen. Das ist in jedem Fall zu empfehlen. Mit einem langsamen Trockenstellen, bei dem Melkungen übersprungen werden, wird die Milchproduktion stetig aufs Neue stimuliert und dadurch werden Euterentzündungen provoziert.
Einmal trockengestellt, soll das Euter besonders während der ersten Tage regelmässig kontrolliert werden. Wenn möglich soll es aber nur von Auge beobachtet werden, da ein Abtasten bereits wieder eine Stimulation provozieren kann.
Eine tierärztliche Beratung kann Euterentzündungen vorbeugen
Euterentzündungen sind eine leidige Sache und führen schnell zu hohen Kosten. Besteht ein Herdenproblem mit Euterentzündungen, ist auch eine externe Beratung in Betracht zu ziehen. In erster Linie wendet man sich dafür an den Tierarzt oder die Tierärztin. Diese haben einen umfassenden Blick auf die Problematik, zum Beispiel, dass hohe Zellzahlen nicht nur Euterentzündungen bedeuten, sondern auch von einer nicht angepassten Fütterung, der Melkhygiene oder dem Melkvorgang stammen können.
«Oft erreichen wir sehr gute Resultate mit der Melkberatung», meint Grégoire Theubet. Die TierärztInnen bieten entweder eine Melkberatung an oder sie arbeiten mit Organisationen wie Rindergesundheit Schweiz oder Casei zusammen.
