Kurz & bündig
- Kaspar Ziltener aus Innerthal SZ hält über 300 Schafe. Von der Alp kommen die Tiere zurück auf den Betrieb, wo sie ablammen.
- Die Geburt bei Schafen verläuft meist unkompliziert. Ziltener bietet trotzdem Unterstützung an. Mit einem Kontrollgriff prüft er, ob das Lamm in der richtigen Position liegt.
- Zentral ist dabei die Hygiene. So schützt der Landwirt die Aue, das Lamm und sich selbst.

Von seinem Stall aus kann der Schafhalter Kaspar Ziltener alle seine Tiere auf der eigenen und der gegenüberliegenden Seeseite bestens beobachten. Der Hauptstall der Familie Ziltener liegt auf der Ostseite des Wägitalersees. Je nach Pegelstand variiert die Distanz zum Wasser zwischen 400 und 600 Metern.

Das Gebiet rund um den Stausee ist grösstenteils steilabfallend, das Tal wird umgeben vom Gebirgskranz der Glarner und Schwyzer Alpen. Die Weiden sind ideal für die Schafhaltung, verursachen die leichten Tiere doch wenige Trittschäden auf den teils nassen Bodenstrukturen.

Ende September 2023 holte Kaspar Ziltener mit einigen Helfern seine über 300 Tiere von der Alp Zindel. Dieser Alpwirtschaftsbetrieb liegt auf 1900 Meter über Meer und wird seit dem Jahr 2009 von der Familie Ziltener gepachtet.

Nach dem Alpsommer werden die Schafe sortiert und geschoren. Während die Aufzucht- und Masttiere auf entlegenere Wiesen gebracht werden, bleiben die hochtragenden Auen auf einer Weide in Stallnähe. Neben den eigenen Tieren schert Kaspar Ziltener jährlich bis zu 1000 weitere Schafe. «Das Sortieren und Scheren ist stressig für die Tiere, besonders so kurz vor dem Ablammen. Ein ruhiger Umgang ist zwingend», erklärt der Berufsscherer.

Jetzt, zwei Wochen nach der Alpabfahrt, haben bereits 16 gesunde Lämmer das Licht der Welt erblickt. Zusammen mit ihren Mutterschafen können sie sich frei zwischen Stall und Weide bewegen.

In der Ablammbox haben die Auen mit ihren Lämmern Ruhe

Im Stall findet man verschiedene Buchten mit Heuraufen für grössere Gruppen und einzelne Ablammboxen. Diese müssen gemäss Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV mindestens 2,5 bis 3 Quadratmeter gross sein.

In den letzten Tagen vor der Geburt liegen die hochträchtigen Auen viel, die Scham schwillt an, die Beckenbänder erschlaffen und vor allem ältere Tiere eutern auf. Kurz vor der Geburt werden die Auen unruhig und sondern sich von der Herde ab.

«Wenn ich dieses Verhalten beobachte, bringe ich die Tiere in eine der Ablammboxen. Hier haben sie ihre Ruhe, ich kann sie gut beobachten, wenn nötig eingreifen und die Bindung zwischen Lämmern und Auen kann sich nach der Geburt ungestört entwickeln», sagt Kaspar Ziltener.

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Betriebsspiegel der Familie Ziltener
Kaspar Ziltener, Innerthal SZ

Heimbetrieb: 30 ha LN in der Bergzone 3
Alp: Alp Zindel auf 1900 m ü.M., in Pacht, mit 35 Normalstössen
Tierbestand: 190 Auen; mit Aufzucht, Lämmern und Mast gesamthaft 300 Tiere
Arbeitskräfte: Kaspar Ziltener (100 %), mit Unterstützung der Familie

Auf der Weide könnten die Lämmer «vertrolen»

Kaspar Ziltener erklärt, dass die Bindung zwischen Muttertier und Lämmern von zentraler Bedeutung ist. Bei Geburten während der Wintermonate, wenn sich alle Schafe im Stall befinden, lässt er die Auen mit ihren Neugeborenen bis zu zwei Tage separat in der Ablammbox. «Besonders Erstgebärende wissen manchmal nicht, was sie mit dem Neugeborenen anfangen sollen. Da ist es wichtig, dass man ihnen genügend Zeit alleine in der Ablammbox gibt.»

Verpasst der Schäfer eine Geburt und es kommt auf der Weide zum Ablammen, ist die Gefahr gross, dass die frischgeborenen Lämmer «vertrolen» und in einem der zahlreichen Bäche ertrinken.

Kaspar Ziltener erwartet nun bis zu Weihnachten um die 120 Lämmer. Die zweite Gruppe wird in den Monaten Januar und Februar ablammen. Die Auen, welche im Herbst lammen, werden im Frühling vor Alpbeginn ein weiteres Mal gebären, vorausgesetzt, sie sind guter Kondition.

«Mit den Ablammungen im Herbst habe ich die wenigsten Probleme. Die Schafe kommen fit von der Alp und der Keimdruck auf den Weiden und im Stall ist nach fast drei Monaten Ruhezeit gering», erklärt der Schäfer. Bis Ende Saison rechnet er mit ungefähr 280 Lämmern.

Wenn nötig, unterstützt Kaspar Ziltener die Auen

Gefrorenes Kolostrum, Milchpulver, Handschuhe und Gleitgel hält Kaspar Ziltener immer bereit. Kolostrum und Milchpulver setzt er ein, wenn eine Aue keine oder zu wenig Milch für ihre Lämmer hat. Falls nötig, unterstützt er die Auen beim Ablammen, immer mit Handschuhen.

In der Eröffungsphase werden durch die Wehen die Fruchtblase mit den Lämmern in das mütterliche Becken und in den noch wenig eröffneten Geburtskanal gepresst. Je nach Anzahl vorausgegangener Geburten kann es eine bis drei Stunden dauern, bis die Fruchtblase in der Schamspalte erscheint. Bei normaler Lage des Lammes erfolgt der Blasensprung in der Regel ausserhalb der Scheide.

Die nun folgende Austreibungsphase dauert 5 bis 25 Minuten, bei Erstgebärenden kann es sich bis zwei Stunden hinziehen.

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Keine Experimente oder Gewaltanwendung bei der Geburtshilfe

Der Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer BGK empfiehlt in seinem Merkblatt Hilfeleistungen in der Regel erst während der Austreibungsphase. Erfolgt bis zu zwei Stunden nach dem Blasensprung keine Austreibung des Lammes, muss gehandelt werden. Dabei ist zu beachten:

  • Lageberichtigungen nur während Wehenpausen
  • Zughilfe nur während den Wehen leisten.

Experimente oder Gewaltanwendung sind fehl am Platz. Geduld, Sorgfalt und Hygiene sind wichtige Komponenten bei der Geburtsunterstützung.

Das weiss auch Kaspar Ziltener: «In der Regel mache ich immer einen Kontrollgriff. Dann weiss ich, ob das Lamm richtig liegt und ob es Mehrlinge sind. Bei genügend geöffnetem Muttermund bringt man die Hand ohne Probleme hinein. Saubere Handschuhe sind ein Muss, um Gebärmutterinfektionen vorzubeugen.»

Gebärmutter könnte reissen

Im Unterschied zum Rind ist bei Schafen die Gebärmutterwand sehr dünn. Dadurch ist das Risiko eines Gebärmutterrisses erhöht. Die Verwendung von Gleitgel ist unerlässlich.

Der Abgang der Nachgeburt sollte etwa sechs Stunden nach Geburtsende erfolgen. Einlagen für Gebärmutterentzündungen hat Kaspar Ziltener immer an Lager, auch mit Oxytocin wäre er ausgerüstet. Doch dieses Hormon musste er schon lange nicht mehr einsetzen.

Mehrlingsgeburten engen Pansen ein – es braucht Zufütterung

Etwas abseits vom Hauptstall in einer Scheune hat Kaspar Ziltener eine kleine Gruppe Auen untergebracht, auch sie haben freien Weidezugang. Eines der Mutterschafe hat bereits zwei fitte Lämmer geboren. Zwei weitere Auen mit grossen, schweren Bäuchen leisten ihnen Gesellschaft.

Der 52-jährige Schäfer hält diese drei Auen separat, weil sie für ihn zur Risikogruppe gehören: «Die beiden Weissen sind sehr alte Tiere, die brauchen etwas mehr Pflege. Und die Braune ist ein Engadiner Schaf. Diese Rasse neigt zu Mehrlingsgeburten. So, wie sie aussieht, könnten es gut Drillinge werden.»

Bei sehr grossen Lämmern oder Mehrlingsgeburten wird der Pansen gegen Ende der Trächtigkeit stark eingeengt. Aus diesem Grund füttert Kaspar Ziltener seinen Risikotieren zusätzliches Kraftfutter, Grassilage und Emd. «Sie dürfen nicht zu schwach werden, darum ist gezielte Fütterung wichtig. Zu dick dürfen die Auen aber auch nicht sein, sonst fallen sie ins Azeton», weiss er aus Erfahrung. [IMG 4]

Der schonende Umgang mit seinen Tieren bewährt sich, den Tierarzt braucht Ziltener nur selten. Darüber ist er doppelt froh: «Jeder Besuch von Fremden, sei es Tierarzt oder Kontrolleur, birgt auch ein Risiko.» Damit möglichst keine fremden Keime in seinen Stall verschleppt werden, stellt Kaspar Ziltener Besuchern Schuhüberzieher zur Verfügung. Auen oder Jungtiere kauft er keine zu und der Schafbock muss zuerst in einer separaten Scheune in Quarantäne, bevor er zur Herde gelassen wird.

Mit lauwarmem Wasser oder Fruchtwasser einschmieren

Wenn Kaspar Ziltener ein Lamm fremdplatzieren muss, also einer anderen Aue anhängen will, so wählt er den Zeitpunkt direkt nach der Geburt. Damit es sicher gelingt, nutzt er einen altbewährten Trick: «Ich tauche das Lamm jeweils in lauwarmes Wasser oder schmiere es mit Fruchtwasser ein. Dann wird es von der Aue abgeleckt und die Chance ist grösser, dass es als eigenes Lamm anerkannt wird.»

In der Regel funktioniert diese Methode auch gut. Doch wird die Aue aggressiv gegen das Fremde oder verstösst sogar das Eigene, bleibt nur das Schöppelen der Lämmer. Um Zitzenverletzungen zu vermeiden und die Euter zu schonen, greift der Landwirt auch bei Drillingen zur Flasche.

Direkt nach der Geburt verabreicht er allen Lämmern eine Dosis Selen und nach drei Wochen die Breinierenimpfung. Nun sind seine Tiere bestens gerüstet für die Herausforderungen im Winterquartier und des kommenden Alpsommers im Wägital.

Chlamydien
Trotz aller Vorsichtsmassnahmen im Schafstall kann es zur unerwünschten Keimübertragung kommen, beispielsweise durch eine streunende Katze. Kaspar Ziltener verliert fast kein lebendes Lamm und auch Aborte sind selten auf seinem Betrieb. Doch das war nicht immer so.

Gefürchtet unter den Schaf- und ZiegenhalterInnen sind Chlamydien. Dieses Bakterium ist schweizweit die häufigste infektiöse Abortursache bei Kleinwiederkäuern. Es führt zu seuchenhaftem Abortieren im letzten Drittel der Trächtigkeit, Totgeburten und Geburten von lebensschwachen Jungtieren.

Kaspar Ziltener erinnert sich: «Die Schafe kamen von der Alp und ich hatte nur schwache Lämmer im Herbst. Danach hatte ich einen Abort nach dem anderen. Es wollte nicht mehr aufhören.» Seither impft der Schäfer seine Auen.

Chlamydien können auch auf Menschen übertragen werden, besonders bei der Geburtshilfe. Auch deshalb sollte der Hygiene beim Ablammen hohe Beachtung geschenkt werden. Eine Chlamydieninfektion beim Menschen äussert sich durch grippeähnliche Symptome. Schwangere Frauen sind besonders gefährdet, denn auch sie können Fehlgeburten aufgrund von Chlamydieninfektionen erleiden.