Kurz & bündig
- Christoph Schüpbach und Peter Pfulg halten auf dem Belpberg BE 2000 Bio-Legehennen. Sie produzieren mit verlängertem Umtrieb.
- Die Eiervermarkterin Hosberg versucht, den verlängerten Umtrieb als Standard zu etablieren. Dazu brauche es mehr Flexibilität von ProduzentInnen und AbnehmerInnen.

Legehennen legen ein Jahr lang Eier. Danach werden sie ausgestallt, geschlachtet oder vergast und durch eine junge Herde ersetzt. Das war und ist bis heute oft gängige Praxis in der Schweiz.

Im Vergleich dazu handelt es sich bei den Hühnern im Stall der Betriebsgemeinschaft von Christoph Schüpbach und Peter Pfulg um alte Damen. Die Biolandwirte halten ihre Hennen länger, die aktuelle Herde ist in der 84. Alterswoche. Das heisst, dass die Tiere bereits 66 Wochen (16,5 Legeperioden) lang Eier legen. Geplant ist, dass sie in der 88. Alterswoche ausgestallt werden.

Es gibt Betriebe, welche die Hühner noch länger halten. Das bedingt jedoch, dass die Tiere eine Mauser durchmachen können, um sich zu erholen.

Nachfragespitzen an Ostern und Weihnachten

«Unsere Hennen erreichen nach wie vor 89 Prozent Legeleistung», sagt Pfulg. Das bedeutet, dass von 100 Hennen immer noch 89 Tiere jeden Tag ein Ei legen. Das ist eine erfreuliche Leistung – die allerdings nicht ungewöhnlich ist. Braune und weisse Legehybriden haben eine hohe Persistenz und fallen auch nach einem Jahr in der Produktion kaum in der Legeleistung ab.

Weshalb werden die Hennen trotzdem ausgestallt? Weil der Jahresumtrieb die Planung der Eierproduktion vereinfacht, ist die geläufige Antwort auf die Frage. Dies sei insbesondere wichtig, weil der Eierkonsum nicht konstant ist: Zwei Mal im Jahr – an Ostern und Weihnachten – schnellt die Eiernachfrage nach oben.

«Heutige Softwares helfen bei der Planung»

Dem widerspricht Jonas Reinhard, Geschäftsführer von Hosberg, der grössten Vermarkterin von Schweizer Bio- und Demeter-Eiern. «Der Eierkonsum hat mit dem Jahresumtrieb nichts zu tun. Die heutigen Softwares helfen bei der Planung und ermöglichen flexiblere Ein- und Ausstallungen», so Reinhard.

Flexibilität ist das Stichwort: Ein verlängerter Umtrieb führt zu einer Verschiebung des Ein- und Ausstallens innerhalb des Jahrs. Von LandwirtInnen und AbnehmerInnen brauche es daher mehr Flexibilität betreffend Länge der Leerzeit und des Umtriebs, sagt Reinhard: «Die Dauer des Umtriebs ist in erster Linie Kopfsache. Es braucht ein Umdenken bei Produzenten und Abnehmern.»

Peter Pfulg verkauft die Eier seiner Hennen an Hosberg. Die Firma übernimmt die Produktionsplanung. Wobei die ProduzentInnen Wünsche anbringen können, wie Pfulg sagt. Diese Planung von Hosberg findet 1,5 Jahre im Voraus statt. Sie ist ein wichtiges Instrument, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen.

Längere Umtriebe für bessere Stallauslastung

Peter Pfulg produziert seit mehreren Jahren mit einem längeren Umtrieb. Seine Motivation hat damit zu tun, dass er die Junghennen selbst aufzieht. Konkret hat er gleich neben dem Legehennenstall für 2000 Tiere einen Aufzuchtstall für etwas mehr als 4000 Eintagsküken, die er aufzieht.

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«Die Hennen sehen nach wie vor super aus.»

Landwirt Peter Pfulg

Die aufgezogenen Junghennen kommen entweder in seinen Stall oder in denjenigen eines anderen Eierproduzenten. Die Umtriebe im Aufzucht- und im Legestall sollten aufeinander abgestimmt sein – um allzu lange Leerzeiten zu vermeiden. Langer Rede kurzer Sinn: Es passt besser, wenn Pfulg die Legehennen länger als ein Jahr hält.

Damit die Legeleistung am Ende eines verlängerten Umtriebs immer noch bei 90 Prozent liegt, müssen die Hennen gesund sein und bleiben. «Hast du ein Problem in der Herde, ziehst du das durch den verlängerten Umtrieb hindurch mit», bestätigt Pfulg.

Mit der aktuellen Herde ist Peter Pfulg sehr zufrieden: «Die Hennen sehen nach wie vor super aus.» Nebst der immer noch hohen Legeleistung ist die Abgangsrate von rund 3,2 Prozent erfreulich tief. «Das spricht für sich. Hätten die Hennen gesundheitliche Probleme, würden mehr Tiere sterben.»

Stressreduktion für weniger Federpicken

Den Grundstein für die gesunden Hennen legt Peter Pfulg in der Aufzucht der Junghennen. Er sieht die eigene Aufzucht als grossen Vorteil, in vielerlei Hinsicht: «Die beiden Ställe sind von der gleichen Firma gebaut. Wenn ich die 18 Wochen alten Junghennen umstalle, kennen sie also auch den neuen Stall gut.» Sie finden sich schneller zurecht, können mit dem Fressen beginnen und werden nach kurzer Zeit wieder ruhig. Das reduziert den Stress der Tiere.

Betriebsspiegel Oberhäusern
Peter Pfulg und Christoph Schüpbach, Belpberg BE

LN: 23,6 ha
Kulturen: Weizen, Gerste, Grünland, Biodiversitätsflächen, 130 Hochstammbäume
Tierbestand: 4000 Junghennen, 2000 Legehennen, 16 Mutterkühe und ihr Nachwuchs
Weitere Betriebszweige: Photovoltaikanlage, Hofladen, Bierbrauerei
Arbeitskräfte: Peter Pfulg und Christoph Schüpbach, 1 Angestellte (70 %)

www.hofladen-im-spycher.ch

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Im neuen Stall angekommen, betreut Pfulg die Junghennen anfangs intensiv. Er hat eine gemischte Herde, mit weissen H&N Super Nick und braunen H&N Brown Nick. «Die braunen Hybride brauchen am Anfang länger, bis sie die Nester finden. Daher stehe ich am ersten Morgen kurz vor Lichtbeginn im Stall, beobachte und begleite die verwirrten Hennen zu den Nestern», erzählt Pfulg. Zum einen reduzieren sich so die Eier, die auf den Boden gelegt werden. Zum anderen bedeutet es wiederum geringeren Stress für die Hennen.

Möglichst wenig Stress und Aufregung ist Pfulg ein grosses Anliegen. «Damit sinkt das Risiko von Federpicken und Kannibalismus», erklärt er. Hingegen könne sich ein Fütterungsfehler oder ein falsch eingestelltes Lichtprogramm negativ auf das Verhalten und die Leistung der Herde auswirken.

Entscheidend ist nicht Schalendicke, sondern die Mikrostruktur

Mit zunehmendem Alter legen die Hennen grössere Eier. Da die Tiere nach wie vor die gleiche Menge Kalk zur Schalenproduktion hinzugeben, werden die Schalen dünner, so die weit verbreitete Meinung.

Laut Andreas Gloor vom Aviforum muss die dünnere Eierschale gegen Ende des Umtriebs relativiert werden: «Grössere Eier haben auch ein höheres Schalengewicht und beinhalten damit eine höhere Kalziummenge.» Die Schalendicke nimmt bei Eiern älterer Hennen nur geringfügig ab. Hingegen nehmen Mängel in der Mikrostruktur der Schale zu, die deren Stabilität beeinträchtigen.

Dies lässt sich nach einer Mauser gut beobachten, so Gloor: Die Schale wird nicht dicker, aber wieder etwas stabiler, da deren Mikrostruktur wieder regelmässiger ist.

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Der Arbeitsaufwand steigt

«Wegen der dünneren Schale steigt der Arbeitsaufwand beim Ausnehmen der Eier gegen Ende des Umtriebs. Ich sortiere mehr Eier aus als zu Beginn», erklärt Peter Pfulg. Diejenigen Eier, die Pfulg übersieht, werden beim Abnehmer aussortiert, aufgeschlagen und zu Eiprodukten verarbeitet. Trotz den tieferen Preisen von aufgeschlagenen Eiern im Vergleich mit Konsumeiern geht die Rechnung auf, sagt Pfulg.

Apropos Preis: Seit dem 1. Januar 2023 wird für die Eierpreiskalkulation von Bio Suisse mit einer verlängerten Legedauer von 392 Tagen gerechnet.

Kalzium für stabile Eierschalen

Die Schalenqualität ist ein Merkmal, das auch in der Züchtung grosse Beachtung findet. Über Jahrzehnte konnte die Schalenqualität gegen Ende des Umtriebs verbessert werden, wie Zahlen der Zuchtorganisationen zeigen. Die Bruchfestigkeit der Eierschalen nimmt zwar bis heute mit zu nehmendem Alter ab, jedoch nicht mehr so stark wie vor 10 oder 20 Jahren.

Nichtsdestotrotzist es sinnvoll, die Hennen über die Fütterung bei der Schalenbildung zu unterstützen. Peter Pfulg gibt deshalb gegen Ende des Umtriebs zerkleinerte Muschelschalen direkt in die Futterrinne, wenn die letzte Fütterung des Tages läuft. Er führt den Hennen damit Kalzium zu, den Mineralstoff, den sie für die Schalenbildung brauchen.

Abgesehen davon bekommen Pfulgs Hennen die ganze Legedauer hindurch dasselbe Futter. Dabei sei insbesondere wichtig, dass genügend Protein enthalten sei, erklärt Pfulg.

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Verlängerte Umtriebe als Standard etablieren

Die längere Umtriebsdauer ist nichts Neues. Es gebe Betriebe, die ihre Produktion bereits vor 20 Jahren entsprechend angepasst haben, sagt Tobias Wettler, Leiter Beratungsdienst bei Hosberg. «Bei Hosberg probieren wir, die verlängerten Umtriebe als Standard zu etablieren. Wir empfehlen und beraten also in Richtung verlängerte Legeperiode. Aber natürlich entscheidet am Ende der Produzent, was er möchte», erklärt Wettler.

«Hosbergs Hauptmotivation ist Ethik, Ressourceneffizienz und ein attraktives Produkt für die Endkonsumenten», sagt Jonas Reinhard. Die Fixkosten einer Herde können dank längerer Lebensdauer durch eine höhere Anzahl Eier geteilt werden, wodurch verlängerte Umtriebe wirtschaftlich attraktiv werden.

Gespart werden kann ausserdem, weil weniger Junghennen eingestallt werden müssen. Um einen Biostall mit 2000 Junghennen zu füllen, zahlt man aktuell rund 50'000 Franken.

Weiterer Vorteil: Bruderhähne werden reduziert

«Mittlerweile werden rund zwei Drittel der 230 Herden unserer Produzenten im verlängerten Umtrieb gehalten», sagt Tobias Wettler.

Auf Anfrage sagt Gallo Suisse-Geschäftsführer Raphael Zwahlen: «Bei unseren Betrieben praktizieren zirka 30 Prozent einen verlängerten Umtrieb. Im Schnitt werden die Hennen 1,5 Jahre alt.» Der verlängerte Umtrieb brauche Erfahrung und ein optimales Management, um wirtschaftlich interessant zu sein, ergänzt Zwahlen.

Ob es einen Trend hin zu längeren Umtrieben gebe, sei schwierig zu sagen. Das hänge auch von der Marktlage ab (siehe Kasten). Fakt ist: Bei einem längeren Umtrieb werden zwar pro Henne mehr Eier gelegt. Aber pro Stall nimmt diese Menge ab. Bei einer Überproduktion an Eiern können längere Umtriebe daher zu einer Entlastung des Markts führen, ohne dass die ProduzentInnen lange Leerzeiten in Kauf nehmen müssen.

Eierproduktion in der Schweiz
Schweizer Eier sind beliebt. Insbesondere im ersten Jahr der Corona-Pandemie stieg die Nachfrage. Die ProduzentInnen reagierten darauf und steigerten die Produktion. So erreichte die Eierproduktion 2021 einen neuen Höchststand mit 1145 Mio Stück. Im gleichen Jahr wurden 572 Mio Stück importiert. Der Inland-Anteil der Eier nahm in den letzten Jahren stetig zu.

Die Nachfrage ging hingegen seit dem Peak 2020 wieder zurück. Da zuvor die Produktion gesteigert wurde, herrscht mittlerweile eine Überproduktion «in einer noch nie dagewesenen Höhe», so Raphael Zwahlen von Gallo Suisse: 2022 wurden total 55,7 Mio Konsumeier aufgeschlagen oder verbilligt, um den Markt zu entlasten und einen Preiseinbruch zu verhindern.

Aktuell ist die Marktlage nicht schlecht: Zwischen Weihnachten und Ostern sind Eier gefragt. Es wird sich im Sommer zeigen, ob Angebot und Nachfrage im richtigen Verhältnis stehen.

Es können Bruderhähne eingespart werden

Ab 2026 ist das Kükentöten in der biologischen Eier-Produktion verboten. Damit gewinnt die längere Umtriebsdauer an zusätzlicher Bedeutung. Denn die Brüder der Legehennen müssen künftig gemästet werden. Bei den heute verbreiteten Legehybriden weisen die männlichen Tiere jedoch eine schlechte Futterverwertung und tiefe Tageszunahmen auf.

Können mit längeren Umtrieben Bruteier eingespart werden, reduzieren sich damit die Brüder, die aufgezogen werden müssen. Kosten werden gesenkt und Ressourcen werden gespart.