Kurz & bündig
- Familie Güdel züchtet die Schweinerasse Premo. Sie produziert Eber für die künstliche Besamung.
- Dabei arbeitet sie eng mit der Firma Suisag zusammen.
- Nebst den KB-Ebern ziehen sie weitere Eber auf, um bis am Ende selektieren zu können. Das bedeutet, dass sie darauf angewiesen sind, die übrigen Eber als Deckeber an LandwirtInnen verkaufen zu können.
- Die aktuelle Marktlage mit historisch tiefen Preisen bekommen Güdels ebenfalls zu spüren.

Neugierig schnüffelt der Eber an den Gitterstäben, die den Platz umzäunen. Das Futter, das ihn für das Foto anlocken soll, scheint momentan nicht interessant zu sein.

Der Eber hat noch keinen Namen. Er gilt jedoch als vielversprechender Kandidat, um für die künstliche Besamung KB eingesetzt zu werden. Und dann wird er einen Namen erhalten. Nicht, dass der Name das Wichtigste wäre. Von viel grösserer Bedeutung sind die Gene, die der Eber trägt.

Der Eber ist auf dem Betrieb der Familie Güdel in Kaltacker BE geboren und aufgezogen worden. Güdels sind Kernzüchter der Rasse Premo, einer Vaterlinie, die in der Schweiz eigenständig gezüchtet wird.

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Das bedeutet, dass bei Güdels im Stall die Rasse züchterisch bearbeitet wird, dass stark selektioniert wird und dass dabei die Zuchtziele für die Rasse verfolgt und schliesslich erreicht werden sollen. Aufgezogen werden Premo-Eber mit der besten Genetik, die zur Spermaproduktion für die künstliche Besamung geeignet sind.

«Bei unserer Zuchtarbeit ist die Suisag ein wichtiger Partner», erklärt Landwirt und Betriebsleiter Beat Güdel. Die Firma Suisag führt Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen durch, betreibt KB-Stationen und führt das Herdebuch etlicher Rassen – auch von Premo. Sie ist auf die Kernzüchter angewiesen. Adrian Albrecht, Leiter des Geschäftsbereichs Zucht bei der Suisag, sagt: «Nur mit den engagierten Zuchtbetrieben und der engen Zusammenarbeit war der Zuchtfortschritt überhaupt erst möglich.»

Markieren, tätowieren,genotypisieren

Güdels belegen ihre Premo-Sauen mit Ebern, welche die Suisag ihnen nach Anpaarungsplan empfiehlt. Dabei kommt bei 90 Prozent der Belegungen KB zum Zug, die restlichen Sauen werden mit Güdels eigenen Ebern per Natursprung belegt. [IMG 3]

Wenn die Sau dann die Ferkel wirft, wird der Nachwuchs in der ersten Lebenswoche markiert, tätowiert und genotypisiert. Für letzteres wird den Ferkeln am Ohr etwas Gewebe entnommen, das dann ins Labor geschickt wird. Dort werden die genetischen Informationen ausgewertet. 

Was dabei herauskommt? Mithilfe der Genotypisierung wird ersichtlich, welche Tiere gegen die Durchfall verursachenden Bakterien E.coli F18 und F4 genetisch resistent sind. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Ungeeignete Genotypen landen in der Mast

Mit vier Wochen werden die Ferkel abgesetzt und in die Gruppenbuchten der Jager umgestallt. Nicht zu vergessen sind dabei die weiblichen Tiere. Denn als Kernzüchter remontieren Güdels alle ihre Sauen selbst nach. Folglich müssen sie auch weibliche Tiere mit der besten Genetik erkennen und weiterziehen.

Die Daten der Genotypisierung erhalten Beat Güdel und die Suisag etwa in der fünften Lebenswoche der Ferkel. Die Ferkel, die aufgrund dieser Daten als ungeeignet für die Zucht erkannt werden, werden vom Tierarzt nachkastriert. Sie gehen in die Mast.

Je ein Männchen und ein Weibchen pro Elitenpaarungswurf gehen mit 25 bis 30 kg jedoch zur Suisag, wo sie als Vollgeschwister möglicher späterer KB-Eber aufgezogen und getestet werden. Von ihnen werden Daten gesammelt – Futterverwertung, Fleisch- und Fettqualität – welche helfen, den richtigen Zuchteber auszusuchen.

Letzter Entscheid fällt nach der Feldprüfung

Mit 80 bis 120 Kilogramm werden die Schweine der Feldprüfung durch einen Suisag-Experten unterzogen:

  • Sie werden gewogen und ihre Lebendtageszunahme wird daraus berechnet,
  • die Anzahl Zitzen wird gezählt,
  • mit Ultraschall werden Rückenspeck- und Muskeldicke gemessen,
  • und der Zuchtkandidat wird linear beschrieben.

Nach der Feldprüfung werden Eber, die schlecht laufen, ausselektiert. Die Suisag reserviert geeignete Eber für die monatliche Ankaufstour. Erst bei dieser monatlichen Besichtigung entscheidet die Suisag, welche Eber für den KB Einsatz angekauft werden und zieht auch gleich Blutproben für die notwendigen sanitarischen Tests vor Quarantänebeginn.

Sprung-Training für zukünftige Deckeber

Die Suisag kauft nicht alle Eber, die bis am Schluss gehalten werden. Stattdessen wird nochmals selektiert. 2022 wurden fünf Prozent aller genotypisierter Eberferkel für den KB-Einsatz ausgewählt, sagt Henning Luther, Leiter Zuchtprogramme bei der Suisag.

Die überschüssigen Eber halten Güdels in Vierergruppen. Da sich die Männchen von klein auf kennen, würden sie einander in Ruhe lassen, erklärt Beat Güdel. Nach und nach verkaufen Güdels sie an Ferkelproduzenten, die einen Eber zum Decken oder auch einfach zur Stimulation der Sauen brauchen.

Insbesondere für diese Eber nehmen sich Güdels viel Zeit: Sie trainieren die Eber ab einem Alter von sechs Monaten in der Deckung von Sauen, «damit wir beim Verkauf garantieren können, dass der Eber auch springt», sagt Beat Güdel.

Betriebsspiegel der Familie Güdel
Sarah und Beat Güdel, Kaltacker BE

LN: 32 ha
Kulturen: Silomais, Futtergerste, Futterweizen, Kunstwiese, Naturwiese
Tierbestand: 65 Sauen und 200 Aufzuchtplätze, 32 Milchkühe und rund 70 Aufzuchttiere
Arbeitskräfte: Beat und Sarah (Teilzeit), Fritz und Monika (Teilzeit), 1 landwirtschaftliche Mitarbeiterin, 1 Lernender

www.guedel-hof.ch

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Sprung-Training für zukünftige Deckeber

Güdels teilen sich die Arbeit mit den Schweinen auf: Sohn Beat und Vater Fritz erledigen den Grossteil und werden dabei unterstützt vom Rest der auf dem Betrieb tätigen Personen.

Fritz Güdel war es, der die Kernzucht auf dem Betrieb etablierte. Seit 2021 führt nun Beat Güdel zusammen mit seiner Frau Sarah den Betrieb und hat damit auch die Verantwortung für die Kernzucht übernommen. «Die Zuchtarbeit interessiert mich bei den Schweinen auch immer mehr – obwohl ich früher nur Interesse an den Kühen hatte», sagt Beat Güdel und schmunzelt. «Für meinen Vater hingegen sind die Schweine die grosse Leidenschaft.»

Der Sohn ist denn auch froh um die tatkräftige Unterstützung und das Wissen seines Vaters. Fritz Güdel akquirierte Kunden, die bis heute Deckeber kaufen. Ausgeliefert werden die Tiere von Fritz Güdel persönlich.

Andere Eigenheiten der Kernzucht auf Güdels Betrieb gehen ebenfalls auf den Senior-Chef zurück. «Wir tätowieren den Schweinen bis heute ihre Nummer ins Ohr. Das ist Fritz’ Ding, deshalb haben Güdels Zuchtschweine Ohrmarke und Tattoo», sagt Sarah Güdel. Fritz Güdel lacht verschmitzt und erklärt: «Die Ohrmarken können herausreissen. Die Tätowierung bleibt und wächst sogar mit.» Es gebe zwar mehr Aufwand und schwarze Finger – aber das lohne sich alleweil.

Historisch tiefe Preise am Markt

Natürlich haben sich einige Dinge geändert. Der Stall wurde beispielsweise in mehreren Etappen ausgebaut. Und auch die Rahmenbedingungen verändern sich. Aktuell kämpft die gesamte Schweizer Schweinebranche mit historisch tiefen Preisen am Markt (siehe Kasten).

Lage am Schweinemarkt
Der Preis für Schlachtschweine liegt seit August 2022 auf einem historischen Tiefpunkt von 3.00 Fr./kg Schlachtgewicht SG. Bei einem ebenfalls tiefen Preis von 2.70 Fr./kg Lebendgewicht LG liegen die Ferkel und Jager.

Wie ist es dazu gekommen?
Die Schwankungen des Schweinemarkts sind ein bekanntes Phänomen. Es hängt damit zusammen, dass die Schweineproduktion einen gewissen Vorlauf hat. An einem Beispiel: Die Züchter sehen, dass gute Preise herrschen. Sie belegen allesamt ihre Sauen, was dazu führt, dass es, sind die Ferkel dieser Sauen einmal gemästet, zu einem grösseren Angebot kommt. Das führt wiederum dazu, dass der Preis sinkt. Das setzt meist die gegenteilige Entwicklung in Gang.

Aktuell sei aber keine Entspannung in Sicht, heisst es in der Branche. Gründe dafür seien unter anderem die Professionalisierung der Betriebe, der Zuchtfortschritt und Pandemie-Nachwehen, schrieb die BauernZeitung dazu. Bei gleichbleibender Nachfrage herrscht deshalb aktuell ein Überangebot. Die Suisseporcs ruft seit Längerem dringend dazu auf, die Belegung der Sauen herunterzufahren.

Was wird nun gemacht?
ProduzentInnen, Handel und Verwerter haben gemeinsam Massnahmen beschlossen. So soll der Export von rund 50 000 Schlachtschweinen, dem aktuellen Überschuss auf dem Schweizer Markt, finanziert werden. «Unter der Voraussetzung, dass sich Handel und Abnehmer mit 0.05 Fr./kg SG beteiligen, unterstützt die Suisseporcs einen Beitrag der Schweineproduzenten mit 0.15 Fr./kg SG», heisst es in der Mitteilung von Suisseporcs Ende November.

Am 30. November beschloss ausserdem der Verwaltungsrat von Proviande, mit einer Einfrieraktion von Schweinefleisch den Markt kurzfristig zu entlasten. Diese Massnahme ist befristet vom 5. bis 22. Dezember 2022 und wird vom Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt, so Proviande in ihrer Mitteilung.

Nach langfristigen Massnahmen werde ebenfalls gesucht.

Eber für die KB und für den Natursprung verkaufen

Das bekommen auch Güdels zu spüren. Sie verkaufen die Eber zwar sowohl in guten wie in schlechten Zeiten immer zum gleichen Preis. Aber aktuell verkaufen sie weniger Deckeber als normalerweise. «Bei den tiefen Schlachtpreisen werden Landwirte eher zuwarten und den Deckeber noch einige Monate länger einsetzen», sagt Beat Güdel.

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Die übrig gebliebenen Eber werden geschlachtet, wobei er bei jedem einzelnen Schlachttier Geld drauflege, so Güdel. «Wir produzieren zwar Zuchteber. Daneben ziehen wir aber eine Menge anderer Eber mit. Als Kernzüchter können wir langfristig nur bestehen, wenn wir Eber für die KB und den Natursprung verkaufen können.»

Doch der Züchter ist optimistisch: «Das ist eine Periode. Es kommt auch wieder anders. Jeder, der Schweine hält, weiss das und legt in guten Jahren für die schlechten Jahre zurück.»

Güdel spielt auf den Schweinezyklus an, der zeigt, wie sich das Angebot an Mastschweinen und damit auch die Preise regelmässig auf und ab bewegen. Wobei Güdel sagt, dass das momentan «eine nie dagewesene Situation» sei.