Kurz & bündig
- Barbara Früh vom FIBL und Martina Müller von der HAFL forschen an Insekten zur Fütterung von Nutztieren.
- Andreas Baumann von der Bühler Group verkauft weltweit Anlagen für die industrielle Insektenproduktion.
- Forschung und Industrie sehen unterschiedliche Potenziale und Limiten beim Verfüttern von Insekten.

Sind Insekten als Protein-Ersatz im Futter geeignet? Dies ist eine von vielen Fragen, die rund um die Insektenproduktion offen sind. Die Forschung will diese Wissenslücken schliessen. Barbara Früh vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL ist in entsprechende Forschungsprojekte involviert.

So gab es einen Versuch, bei dem Legehennen Insektenmehl bekamen, das den Sojakuchen ersetzte respektive ergänzte:

  • 24 % Insektenmehl ersetzte 100 % Sojakuchen
  • 12 % Insektenmehl ersetzte 50 % Sojakuchen

«Wir konnten sehen, dass das Insektenmehl Sojakuchen bis zu einem gewissen Grad ersetzen kann», sagt Früh.

An Insekten oder direkt an Nutztiere?

Diese Erkenntnisse sind vielversprechend, zeigen sie doch das Potenzial der Insekten auf – oder nicht? Barbara Früh relativiert: «Ein nachhaltiges Potenzial ist dann vorhanden, wenn tatsächlich Lebensmittelabfälle verfüttert werden können.»

«Nachhaltig, wenn Lebensmittelabfälle verfüttert werden.»

Barbara Früh, FIBL

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Das ist nicht ganz einfach, wie auch Martina Müller weiss. Müller forscht an der Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften HAFL und arbeitet dort ebenfalls mit Insekten. «Insekten können Abfall-Substrate aus der Lebensmittelindustrie verwerten und dann als Proteinfutter für Nutztiere enden. Das schliesst Kreisläufe», erklärt Müller.

Viele Nebenströme aus der Lebensmittelproduktion werden jedoch bereits direkt an Nutztiere verfüttert, sagt die HAFL-Forscherin.

Qualität der Nebenströme muss stimmen

Diese Nebenströme müssen ausserdem Futtermittelqualität aufweisen, um an Insekten verfüttert werden zu dürfen. Gastroabfälle fallen folglich weg. «Kritisch sind meiner Meinung nach die Energie- und Produktionskosten für die Herstellung eines Insekten-Futtermittels, welches direkt an die Nutztiere verfüttert werden könnte», bringt es Barbara Früh auf den Punkt.

Abo In einem blauen Gefäss kriechen Larven der Schwarzen Soldatenfliege auf einem braunen Substrat herum. Futtermittel Insekten an Schwein, Huhn und Fisch verfüttern - und damit Kreisläufe schliessen Monday, 31. October 2022 «Die Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie sind vermutlich zu knapp, als dass eine grosse Insektenfabrik realisiert werden könnte», ergänzt Müller. Trotz ihrer Zweifel sagt sie: «Eine kleinere Insektenanlage macht vielleicht doch Sinn: Die Produktion von Insekten auf dem Bauernhof, wo die Insekten hofeigene Abfälle verwerten könnten.»

Im ähnlichen Rahmen stellt sich Barbara Früh die inländische Insektenproduktion vor. Der heutige Produktionsaufwand könnte hingegen dazu führen, «dass die Wertschöpfung gegebenenfalls wieder in der Industrie und nicht auf dem landwirtschaftlichen Betrieb landet», sagt Früh.

Heute für Katzen und Hunde, künftig wohl für Fische

Ob auf dem Bauernhof oder in der Industriehalle: Das Interesse an der Insektenproduktion ist vorhanden. Welche Gedanken sich industrielle Insektenproduzenten machen, erklärt Andreas Baumann von der Bühler Group. Bühler ist ein international tätiger Technologiekonzern mit Hauptsitz in Uzwil SG.

Bühler ist spezialisiert auf die Verfahrenstechnik bei Lebensmitteln sowie Futtermitteln. Unter anderem bieten sie Lösungen für Produzenten von Insektenproteinen.

Konkret liefert Bühler Anlagen für die industrielle Aufzucht der Insekten sowie für deren Weiterverarbeitung zu Proteinmehl und Lipiden. «Viele Anfragen haben wir von Start-ups und Entsorgungsunternehmen», sagt Andreas Baumann. Bisher installierte Bühler die Anlagen vorwiegend in Europa.

«Viele Anfragen haben wir von Start-ups und Entsorgungsunternehmen.»

Andreas Baumann, Bühler Group

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Tierfutter sei dabei der klar dominierende Markt: «Ich gehe davon aus, dass auch in den nächsten zehn Jahren 70 bis 80 % als Tierfutter verwendet wird. Heutzutage wird der grösste Teil der produzierten Insekten in Katzen- und Hundefutter eingesetzt, doch bis 2030 soll Fischfutter den grössten Absatzmarkt darstellen», sagt Andreas Baumann.

Aktuell sei der limitierende Faktor für einen erweiterten Einsatz bei Futtermitteln hauptsächlich der Preis, so Baumann. «Der wird in den nächsten Jahren durch Skalierungseffekte und Produktionsoptimierungen fallen.»

Grünes Licht vom Kanton, andere Signale vom BLV

Auch limitierend sind die gesetzlichen Voraussetzungen in der Schweiz. Doch Baumann ist optimistisch: «Da in der EU das Verfüttern von Insektenmehl an Schweine und Geflügel bereits erlaubt ist, gehe ich davon aus, dass auch die Schweiz bald nachziehen wird. Ein Schweizer Produzent könnte demnach auch schon jetzt die Produkte in der EU absetzen.» Sie seien in Kontakt mit mehreren Schweizer Firmen, die Interesse zeigen.

Die Forschung tut sich ebenfalls etwas schwer mit der gesetzlichen Lage in der Schweiz. Martina Müller sagt, von Seiten der Behörden seien die Signale teils widersprüchlich: «Es kann passieren, dass man beim Kanton grünes Licht für einen Fütterungsversuch erhält und dann aber vom BLV ganz andere Signale kommen.»

«Auf dem Bauernhof, wo die Insekten hofeigene Abfälle verwerten.»

Martina Müller, BFH-HAFL

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Ausserdem müssen Fleisch und Eier von mit Insekten gefütterten Tieren nach dem Versuch entsorgt werden. «Das ist ein ethisches und auch finanzielles Problem, das unsere Forschung belastet», sagen sowohl Martina Müller als auch Barbara Früh.

Zuerst muss also der gesetzliche Rahmen angepasst werden, um die Insektenproduktion zu Futtermittelzwecken in der Schweiz zu ermöglichen. Die zuständigen Ämter sprechen von einer Verordnungsanpassung 2024.

Damit sollte auch die Forschung vereinfacht werden. Ebendiese Forschungsarbeit ist nötig, um Fragen zu klären und damit der Produktion zu helfen.

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