Kurz & bündig
- Die Schwarze Soldatenfliege eignet sich gut, um aus Reststoffen der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie Tierfutter herzustellen.
- Die Soldatenfliege zeichnet sich durch einen kurzen Regenerationszyklus und ein breites Nahrungsspektrum aus.
- Aus einem Gramm Junglarven entwickeln sich sechs Kilogramm erntereife Larven.
- Insektenmehl hat das Potenzial, herkömmliche Futtermittel wie Fischmehl oder Soja in der Schweine-, Geflügel- und Fischernährung zu einem gewissen Mass zu ersetzen.
- Vorerst fehlt dazu allerdings der gesetzliche Rahmen in der Schweiz. Das zuständige Amt ist aktuell an der Überarbeitung der Verordnung.

«Wir verschwenden Lebensmittel, fischen Ozeane leer und holzen Urwälder ab», stellt Franco Bargetze fest. «Was wir bei der Nahrungsmittelproduktion bräuchten, wären geschlossene Kreisläufe.» Bargetze ist Unternehmer und hat vor knapp zwei Jahren die Firma NutriFly AG gegründet. Mit Hilfe von Insekten möchte er Nahrungskreisläufe schliessen.

Die Larven ernähren sich von Reststoffen

In der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie fallen Reststoffe an, Rüstabfälle und Ausschuss bei der Gemüse- und Obstverarbeitung sowie Müllerei- und Brauerei-Nebenprodukte. Bargetze nennt sie Nebenströme. Insekten können sich von diesen Nebenströmen ernähren. Sie bilden Larven mit hohem Fett- und hochwertigem Eiweissgehalt, die zur Fütterung von Fischen und Heimtieren genutzt werden. Futterhersteller Bargetze spricht bei dieser Aufwertung von «Upcycling».

Für seine Produktionsanlage in Vaduz hat er die Schwarze Soldatenfliege gewählt, die in den tropischen Gebieten Südamerikas beheimatet ist. Sie ist kein Schädling, kann nicht stechen und überträgt keine Krankheiten. Selbst, wenn eine Fliege aus der Anlage entweichen sollte, könne die Art in unserem Klima kaum überleben, erklärt Maike Heuel. Die Agronomin hat darüber promoviert, wie sich die Soldatenfliege für die Futtermittelherstellung verwenden lässt. Sie betreut die Entwicklung und Forschung bei NutriFly.

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Ein grosser Vorteil der Soldatenfliege ist, dass sie sich sehr schnell vermehrt und ein breites Futterspektrum nutzt. Im adulten Stadium, das heisst als Fliege, benötigt sie keine Nahrung, sondern nur etwas Wasser. Die Energie erhält sie aus Fettdepots, die sie sich als Larve angefressen hat. Einzige Aufgabe der Fliege ist es, Eier zu produzieren, aus denen später die Larven schlüpfen.

Die Soldatenfliege besitzt ein grosses Vermehrungspotential

Die Entwicklung der Soldatenfliege von der Eiablage über die Larven und die Puppen bis zur Fliege dauert gerade einmal fünf Wochen, das Leben der Fliege selbst etwa eine Woche. Somit entsteht alle fünf bis sechs Wochen eine neue Fliegengeneration.

Für die NutriFly AG sind nicht die Fliegen das Ziel der Produktion, sondern die Larven, denn sie enthalten wertvolles Eiweiss und Energie. Der gesamte Produktionsprozess von der Brut bis zur Verarbeitung ist in einem Gebäude untergebracht. Im Zuchtraum leben die Fliegen in «Zelten», die von Netzen umschlossenen sind. An den Netzen sind Pappkartons befestigt, in deren Waben die Fliegen ihre Eier ablegen. Das Klima ist tropisch, 30 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit.

«Eine einzige Fliege legt bis zu 800 Eier», hebt Bargetze das grosse Vermehrungspotential der Fliege hervor. Nach fünf Tagen in der «Aufzucht» kommen die aus den Eiern geschlüpften Larven in die «Mast». In Kisten in der Grösse von flachen Obstboxen ernähren sie sich von einem Gemisch verschiedener Restprodukte. 

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Die Schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens) ist ein Zweiflügler aus der Familie der Waffenfliegen. Den Namen soll die Schwarze Soldatenfliege von ihrem Aussehen erhalten haben. Ihr metallischer Glanz erinnere an die frühere Soldatenrüstung. Ihr grosser Vorteil für die Herstellung von Insektenprotein liegt im kurzen Reproduktionszyklus und ihrem vielfältigen Nahrungsspektrum.

«Die Fütterung unserer Insekten wird rechtlich wie bei Nutztieren behandelt», erklärt der Geschäftsführer. «Wir dürfen ihnen keine Fleisch- oder Küchenabfälle vorsetzen.» In der Futterküche werden die Futtermittel wie in einem Schweinestall in einem grossen Bottich gemixt.

Bis zu zwölf Tage dauert die Mast momentan. Aus einem Gramm frisch geschlüpfter Junglarven entwickeln sich bis zu sechs Kilogramm «erntereife» Larven. 60 g Junglarven setzen etwa 1000 kg Nebenströme um. «Sie sind Weltmeister in der Abfallverwertung», schwärmt Bargetze.

Larven werden auf dem Siebrüttler vom Substrat getrennt

Die Larven sind zu Beginn in den Aufzuchtboxen kaum sichtbar. Erst, wenn der Insektenzüchter mit der Hand unter die Masse fährt, sieht man die wuseligen Maden. «Wir betreiben positive Massentierhaltung», kommentiert er. «Unsere Larven lieben das Zusammensein.»

Die Maden haben zu diesem Zeitpunkt die meiste Nahrung schon verdaut und leben nun im Restsubstrat, das aus den Exkrementen und den noch nicht verwerteten Nebenströmen besteht. Dieses Restsubstrat ist mehr oder weniger geruchlos.

Sobald das Aufzuchtsubstrat vollständig umgewandelt ist, wird der Inhalt der Boxen auf einen Siebrüttler geleert, um die Larven vom Restsubstrat zu trennen. Die Larven kommen dann in die Verarbeitung und das Restsubstrat wird zu Dünger weiterverarbeitet.

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Die Larven werden für Tierfutter gefroren oder geröstet

Bei der Verarbeitung wird ein Teil der Larven schockgefroren. Die toten, gefrorenen Larven können zerkleinert und anschliessend in nasses Heimtierfutter gemischt werden. Andere Larven werden in einem grossen Ofen schonend getrocknet.

Sie behalten dabei ihre Nährstoffe und dienen als knusprige «Snacks» für Heimtiere und für Tiere der Aquakultur wie Fische und Krebse.

Schmerzen seien eher unwahrscheinlich

Dass die Larven beim Tötungsvorgang Schmerzen empfinden, sieht Heuel eher als unwahrscheinlich an. Insekten reagieren zwar auf schädliche Umweltreize, doch seien bei ihnen keine klassischen Schmerzrezeptoren wie bei Wirbeltieren feststellbar. «Wir behandeln sie natürlich nach bestmöglichem Wissen und Gewissen», erklärt die Produktleiterin.

Noch ist die Produktion nicht in Stein gemeisselt. Ziel ist es, die Mast auf sechs Tage zu reduzieren und die Produktionskapazität zu vergrössern.

Das Aminosäuremuster ist vergleichbar mit Fischmehl

«Wir stellen Proteine, Fette und Düngemittel her», fasst Bargetze die Produktpalette seiner Firma zusammen. Insektenmehl ist leicht verdaulich und bewährt sich im Heim- aber auch im Nutztierbereich, führt Heuel aus.

Es sorge für ein gesundes, ausgeglichenes Wachstum und könne sich auch positiv auf die Darmgesundheit auswirken. Das Aminosäuremuster sei vergleichbar mit Fischmehl und teilweise sogar vorteilhafter als bei Sojamehl.

FIBL hat zu Insekten als Futtermittel geforscht

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL hat Versuche mit Insektenmehl bei Legehennen durchgeführt und festgestellt, dass sich Soja zu einem gewissen Mass durch Insektenmehl ersetzen lässt. Das FIBL hat ausserdem ein Merkblatt zu «Insektenmehl im Geflügel- und Fischfutter» herausgegeben.

Das Aminosäureprofil von Insekten entspricht den Ernährungsbedürfnissen von Fisch, Geflügel oder Schweinen. Insbesondere auch bei Aminosäuren wie Lysin, Threonin, Methionin und Tryptophan, die als limitierende Faktoren in der Tierernährung gelten.

Das Restsubstrat, der Kot der Larven, wird nach einer vorgeschriebenen Hitzebehandlung in Säcke abgefüllt und dient als wertvoller organischer Dünger. Die toten Fliegen werden vermahlen und unter das Substrat gemischt.

Sie sollen die gedüngten Pflanzen zu einer stärkeren Wurzelbildung anregen. «Wir bringen die Natur zurück in einen kontrollierten Kreislauf», fasst der Geschäftsführer zusammen.

Vorerst liefert NutriFly Insekten für Heimtierfütterung

In der EU ist es erlaubt, Insektenproteine an Schweine und Geflügel zu verfüttern. Voraussetzungen sind, dass die Insekten verarbeitet werden und sie vor allem nicht mit Fleischabfällen gefüttert werden.

In der Schweiz ist Insektenmehl gemäss der Verordnung zu den tierischen Nebenprodukten VTNP bis jetzt nur zur Fütterung von Tieren der Aquakultur und als Einzelfuttermittel für Heimtiere zugelassen.

Abo Eine ausgewachsene Schwarze Soldatenfliege Futtermittel Das Potenzial der Insekten: Geeignet als Futter für Schwein, Huhn und Fisch? Tuesday, 1. November 2022 NutriFly beliefert folglich vor allem Heimfuttermittel-Produzenten in der Schweiz mit den Insekten als Einzelfuttermittel. Maike Heuel von NutriFly schaut optimistisch in die Zukunft und nimmt an, dass es 2023 zu einer Zulassung kommen wird.

Eine Motion von SP-Nationalrätin Claudia Friedl beantragte, Insektenmehle in der Schweiz auch in der Schweine- und Geflügelfütterung zu erlauben. Laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV ist das Amt an einer entsprechenden Überarbeitung der VTNP.

Verordnung wird angepasst - vor 2024 nicht in Kraft

Diese Revision ist ein grosses Paket: Nebst den Insektenmehlen werde auch die Verfütterung von Schweineproteinen an Geflügel und umgekehrt in die VTNP aufgenommen. Da dabei strenge Biosicherheitsmassnahmen berücksichtigt werden müssen, um die Seuche BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie, auch Rinderwahnsinn genannt) zu verhindern, dauere die gesamte Revision ihre Zeit, so das BLV.

Vorausgesetzt, dass die Änderungen vom Bundesrat gutgeheissen werden, treten diese nicht vor 2024 in Kraft, schreibt das BLV auf Anfrage. Ein Jahr später also, als von Maike Heuel erwartet und als von Ämtern zu früheren Zeitpunkten genannt.

BSE-Thematik wirft Fragen auf

Können denn Insekten auch BSE übertragen? «Von Insekten geht keine direkte Gefahr aus. Aber gerade in der industriellen Produktion lassen sich die Insekten nicht vollständig von den eigenen Ausscheidungen und den Nährsubstraten trennen», so das BLV.

Würden beispielsweise Speisereste verfüttert, gelangten damit Spuren von Wiederkäuerproteinen in die Insektenprodukte, was für jedes Nutztier-Futtermittel in absehbarer Zeit tabu bleiben wird. Das wiederum sei ein Grund, weshalb die Verfütterung von Speiseproteinen an Insekten verboten bleibe.