Kurz & bündig
- Wegen des gesättigten Milchmarktes entschied Biolandwirt Dominik Bühlmann 2019, kein zusätzliches Eiweissfuttermittel mehr zu füttern.
- Seither erhalten die Milchkühe an der Kraftfutterstation etwas Maiskolbenschrot, um in der Startphase genügend Energie zu liefern.
- Die Milchmenge wird hingegen nicht gepusht – weshalb sie auch etwas zurück ging.
- Mit der Wirtschaftlichkeit ist der Betriebsleiter trotzdem sehr zufrieden. Ebenso mit der Gesundheit seiner Milchkühe.
Es sind neugierige Tiere, diese Kühe. Sie stupsen Dominik Bühlmann in den Rücken, lassen sich den Hals kraulen und sabbern ihm die Arme bis zum Ellbogen voll.
Der Landwirt nimmt sich für jedes Tier Zeit. Nebenbei erklärt er die Stammbäume der Kühe, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Brown Swiss, Swiss Fleckvieh, Original Braunvieh, Norwegisches Rotvieh, Kiwi Cross und einige mehr sind in der Herde vertreten.
Diese Vielfalt hängt stark zusammen mit der Milchviehfütterung und überhaupt mit dem ganzen Betriebskonzept. Doch später mehr dazu.
100 Prozent Schweizer Biofutter, mit weniger Kraftfutter
Dominik Bühlmann bewirtschaftet den Betrieb in Maschwanden ZH biologisch. Als Knospe-Betrieb hält er sich unter anderem an die Fütterungsrichtlinien nach Bio Suisse, die am 1. Januar 2022 wie folgt angepasst wurden: Knospe-Tiere fressen zu 100 Prozent Schweizer Biofutter. Ausserdem wurde das Kraftfutter in der Ration von 10 auf 5 Prozent gesenkt.
Ein gutes Jahr nach dieser Richtlinien-Anpassung erzählten am Bioviehtag 2023 am Plantahof GR mehrere Landwirte von fehlendem Eiweiss in ihrer Ration und von zurückgehender Milchmenge. Wie erlebt es Dominik Bühlmann?
Die Leistung ist von 7'000 Liter auf 6'500 Liter Milch gesunken
Bühlmanns verzichten seit 2019 auf zusätzliche Eiweissfuttermittel. «Seither ist bei uns die Milchmenge langsam gesunken, von vorher 7'000 Liter auf aktuell rund 6'500 Liter», sagt Bühlmann. Damit sei zu rechnen gewesen. «Wir reduzierten das Kraftfutter, als der Bio-Milchmarkt gesättigt war. Die Richtlinien-Anpassung wurde unter anderem aus dem gleichen Grund beschlossen. Auch deswegen ist der Entscheid von Bio Suisse nachvollziehbar», so Bühlmann.
Tatsächlich wurde der Bio-Milchpreis im Januar 2022 um 4 Rappen auf neu 85 Rappen pro Liter Milch angehoben. Bühlmann erhält heute um die 90 Rappen pro Liter, inklusive Gehaltszahlungen und Bundesbeiträgen. Ausserdem seien seine Kraftfutterkosten gesunken.
Bei Bühlmanns wird zwar mehr Arbeitszeit in die Fütterung investiert. Mit dem neuen 8er-Swing-over-Melkstand von De Laval konnte der Betriebsleiter dafür beim Melken Zeit einsparen: «In einer Dreiviertelstunde habe ich allein die Herde gemolken», so Bühlmann. Er sei mit der Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion auf seinem Hof sehr zufrieden.
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Eingrasen ergänzt den Weidegang am Morgen
Einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Produktion leistet die Fütterung. Die neuen Fütterungsrichtlinien würden ihn dabei nicht einschränken, sagt Bühlmann: «Die Kühe sollen sich hauptsächlich von Grünland ernähren. Das entspricht ihrer Natur.»
Die Ration seiner Milchkühe besteht denn auch zum Grossteil aus Gras und Klee: Der Landwirt lässt die Kühe am Vormittag weiden und legt ihnen anschliessend im Stall zweimal täglich frisch gemähtes Gras der Kunst- und Naturwiese vor.
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Eingegrast wird, weil um den Stall herum nicht genügend Weideflächen zur Verfügung stehen. «Wenn wir von Wirtschaftlichkeit reden, ist zu erwähnen, dass das Eingrasen nach dem Weiden das zweitgünstigste Futter ist», sagt Dominik Bühlmann dazu. Trockengras käme für ihn nicht infrage: «Ich sehe es als nicht sinnvoll an, im grossen Stil Gras mit fossiler Energie zu trocknen.»
Anfangs Laktation liefert Mais die nötige Energie
An der Kraftfutterstation gibt es Maiskolbenschrot: Im Durchschnitt 180 kg pro Kuh und Jahr, was etwa 2 Prozent der total verzehrten Trockensubstanz entspricht. «Damit will ich nicht die Milchmenge pushen, sondern insbesondere die Kühe anfangs Laktation mit genügend Energie versorgen», sagt Bühlmann.
Der erste Schnitt Gras wird in das Fahrsilo einsiliert, welches anschliessend mit Maissilage aufgefüllt wird. Zusammen mit dem Emd ergibt das die Winterration. Im zweiten Fahrsilo wird ebenfalls Mais einsiliert, welches den Sommer über verfüttert wird. Insgesamt beläuft sich der Maisanteil in der Ration auf 15 Prozent. «Der Mais gleicht die Ration aus, wenn die Energie fehlt», sagt Bühlmann.
Das Eiweiss kommt von Luzerne und Klee im Emd. Wobei die Luzerne eine Absicherung gegen Trockenheit sei, wie Bühlmann erklärt. «Letzten Winter bin ich mit dieser Fütterung gut gefahren und war mit den Milchgehalten äusserst zufrieden.»
Schonende Ernte für den richtigen Eiweissgehalt
Für Dominik Bühlmann ist klar: «Der Futterbau und der Milchertrag hängen stark zusammen. Das sollte uns ProduzentInnen noch mehr bewusst werden.» Von der Ansaat einer geeigneten Mischung über die Pflege der Bestände bis hin zur Ernte wird Vorarbeit geleistet für eine funktionierende Fütterung auf Basis Grasland.
«Bei der Ernte ist die grosse Kunst, die Kleeblätter auf den Heustock zu bringen.» Das heisst: Mit dem Kreisler schonend bearbeiten und anschliessend noch relativ feuchtes Heu einfahren, das auf dem Stock kalt belüftet wird. «Wir können unter diesen Bedingungen nicht grosse Flächen auf einmal mähen. Das spielt jedoch gut mit dem Eingrasen zusammen, so dass die Grasbestände eigentlich immer zum optimalen Zeitpunkt gemäht werden können», so Bühlmann.
Mäuseschäden sind gross und erfordern regelmässige Pflege der Bestände
Die Pflege der Bestände gibt bei Bühlmanns zuweilen besonders viel zu tun: Sie hatten schon mehrmals grosse Mäuseschäden auf ihren Wiesen. «Wir schätzen den dadurch entstandenen Futterverlust auf 10 bis 20 Tonnen im Jahr», sagt Dominik Bühlmann. Es bleibe jeweils nichts anderes übrig, als eine Übersaat zu machen.
Der Landwirt ergänzt: «Eigentlich bauen wir etwas viel Mais an. Aber der Umbruch der Wiese ist bei diesen Mäuseverhältnissen eine wichtige Massnahme, um genügen Futter zu produzieren.»
Nebst dem Futterbau und der Fütterung braucht es eine Tiergenetik, die mit dieser Futtergrundlage gut zurecht kommt. Womit wir zurück sind bei der bunten Herde auf der Weide. «Wir achten bei der Zucht nicht unbedingt auf die Rasse, sondern auf Merkmale, die für uns relevant sind», erklärt Dominik Bühlmann. Berücksichtigt er nicht nur eine Rasse, hat er die grössere Auswahl an Stieren. Durch die Kreuzungen wird ausserdem der Heterosis-Effekt ausgenützt.
Betriebsspiegel der Familie Bühlmann
Dominik und Marina Bühlmann, Maschwanden ZH
LN: 50 ha
Kulturen: 3 ha Mais, 1,5 ha Brotweizen, 7,5 ha Kunstwiese, 15 ha Streuwiese und 5 ha Ökowiese, 18 ha Naturwiese und Weide
Tierbestand: 48 Kühe, Jungvieh
Weitere Betriebszweige: Pflegearbeiten Naturschutzzone
Arbeitskräfte: Dominik Bühlmann, Vater Markus Bühlmann, Angestellter (80 %), der ab Sommer 2023 durch einen Lehrling ersetzt wird.
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«Persistente Kühe haben einen stabilen Stoffwechsel»
Ein Merkmal, auf das er achtet, ist eine gute Persistenz: «Persistente Kühe haben einen stabilen Stoffwechsel», beobachtet Bühlmann. Das gilt nicht nur innerhalb einer Laktation, sondern auch über die Jahre hinweg.
«Wir geben den Kühen gerne am Anfang mehr Zeit. Es ist problematischer, wenn sie in der ersten Laktation steil starten und mit zunehmendem Alter über 9'000 Liter pro Laktation erreichen. Dann werden wir sie mit unserer Fütterung nämlich nicht mehr richtig versorgen können.»
Konkret könnte die Energie fehlen und die Kuh würde in ein Defizit rasseln. Mit solchen Stoffwechselstörungen habe er aber glücklicherweise selten zu kämpfen, sagt Bühlmann.
Wie sieht es mit dem Eiweiss aus?
Der Harnstoff in der Tankmilch liegt zwischen 120 und 150 mg pro Liter. Schaut man auf die Empfehlungen der Agridea und der Zuchtverbände, sind diese Werte knapp unter dem minimalen Sollwert. Leiden Bühlmanns Kühe also unter einer Eiweiss-Unterversorgung? Er verneint. «Die Kühe sind gesund. Mit ihrer Fruchtbarkeit bin ich auch sehr zufrieden: Sie nehmen eher besser auf, je tiefer der Harnstoffgehalt in der Milch ist.» [IMG 5]
Die Serviceperiode liegt bei 73 Tagen und die Kühe weisen im Schnitt nur 1,4 Besamungen auf. «Auch die Zellzahlen von unter 80 im Schnitt und die tiefen Tierarztkosten von 90 Franken pro Kuh zeigen, dass die Fütterung nicht ungesund sein kann», führt Dominik Bühlmann aus.
Für den Landwirt ist das ein Zeichen, dass seine Kühe das vorhandene Eiweiss sehr effizient verwerten, sodass sie so gut wie kein Eiweiss in Form von Harnstoff aus dem Körper ausscheiden müssen.
Ein Stier mit negativer Milchmenge – aber passend für den Betrieb
Der SF-Stier Frisco ist einer, den Dominik Bühlmann gerne bei den Kühen einsetzt. «Manche würden sagen, ich spinne. Denn er ist negativ in der Milchmenge. Aber die Kühe erzielen eine zum Betrieb passende Leistung und ich will ja explizit nicht noch höhere Milchmengen», erzählt er von seinen positiven Erfahrungen.
Statt auf die Milchmenge setzt Bühlmann auf gute Gehaltszahlen, auf nicht allzu grosse Kühe, auf gute Melkbarkeit und Fruchtbarkeit. Und er setzt auf qualitativ hochwertiges Futter vom eigenen Betrieb – nicht bloss, weil es in den Richtlinien vorgeschrieben ist. Sondern auch, weil ihm diese Art von Milchproduktion am Herzen liegt.
Bio-Fütterung im Berggebiet
Im Berggebiet ist Ackerbau in den meisten Lagen schlecht möglich. Mais als Energieausgleich oder Futtererbsen als Eiweiss-Lieferant für die Milchkühe können die Betriebe nicht selbst anbauen. Sie kaufen Kraftfutter, um ihr Grundfutter auszugleichen. Weil jedoch zu wenig Schweizer Bio-Futter vorhanden ist, sind die Preise gestiegen.
«Übergangszeit wäre nötig»
Gleichzeitig sei die Milchleistung gesunken, berichtete Landwirt Armon Mayer in der «BauernZeitung». Es seien viele Betriebsleiter im Berggebiet am Rechnen, wie sie unter diesen Bedingungen Bio-Milch produzieren können: «Die Fütterungsrichtlinien zeigen die richtige Richtung vor, das Tempo ist aber für Berg-Milchviehbetriebe viel zu schnell. Eine Übergangszeit von drei bis fünf Jahren wäre unbedingt nötig.» In der Zeit könnte beispielsweise die Bio-Milchviehzucht vorangetrieben werden.
Auch Michael Walkenhorst, Co-Leiter des Departement für Nutztierwissenschaften am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, erwähnt auf Anfrage von «die grüne» die Wichtigkeit der Genetik: «Wir brauchen eine standortangepasste Kuh, die mit dem vorhandenen Grundfutter gut zurechtkommt.» Dabei denke er nicht an einzelne Rassen, sondern vielmehr an die betriebsspezifische Selektion innerhalb dieser Rassen: «Auch bei Brown Swiss gibt es sicher Kühe, die sehr geeignet sind für die Bio-Milchproduktion.»
Zucht auf Grundfutterverwertung
Walkenhorst plädiert dafür, dass die Ausrichtung und der Stolz der Züchtung auf andere Merkmale als die Laktationsleistung gelenkt wird, beispielsweise auf eine gute Grundfutterverwertung, eine stabile Gesundheit und eine hohe Nutzungsdauer. Er räumt auch ein, dass dies Zeit brauche.
Die angepassten Fütterungsrichtlinien führen möglicherweise zu einem Milchrückgang, bestätigt Walkenhorst. Bei reduziertem Kraftfutterzukauf steht insgesamt weniger Futter zur Verfügung, es muss vermehrt Grundfutter zugekauft oder die Tierzahl angepasst werden. Insbesondere die Erhöhung der Nutzungsdauer habe allerdings das Potenzial, die Milchleistung aus dem Grundfutter zu erhöhen.
Was die Gesundheit der Kühe anbelangt, hat Walkenhorst keine Bedenken: «Tiefe Harnstoffwerte in der Milch bedeuten nicht automatisch kranke oder unfruchtbare Kühe. Von diesem Denken müssen wir abkommen.» Gleichzeitig könne beim Fütterungsmanagement an weiteren Schrauben gedreht werden – etwa dem gezielten Einsatz der eigenen Grundfuttermittel.
