Kurz & bündig
- Die Verdauung des neugeborenen Kalbes ist auf Milch ausgelegt.
- Die Entwicklung der Vormägen, welche die Verdauung von Pflanzenfasern ermöglichen, dauert sechs Monate.
- Kraftfutter ist im richtigen Mass eine sinnvolle Ergänzung zur Milch.
- Eine Kälber-Trocken-TMR vereint die Vorteile von Rau- und Kraftfutter und kann über die ganze Aufzuchtphase hinweg gefüttert werden.
- Aus gut ernährten, widerstandsfähigen Kälbern werden später leistungsstarke Kühe oder Masttiere.
Das Verdauungssystem der Rinder macht in den ersten sechs Lebensmonaten eine beachtliche Entwicklung durch. So lange dauert es nämlich, bis die Vormägen ihre Funktion aufgenommen haben und auch grobes Raufutter effizient verdaut werden kann. Die Kenntnis der Vormagenentwicklung hilft, Kälber in jedem Alter bedarfsgerecht zu füttern und damit den Grundstein für eine gesunde Entwicklung zu legen.
Das Rind wird nicht als Wiederkäuer geboren
Im ersten Lebensmonat funktioniert die Verdauung des Kalbes noch komplett anders als die der späteren Kuh. Der für die Milchverdauung zuständige Labmagen ist noch verhältnismässig sehr gross. Die Hauptenergiequelle stellt die Milch dar, welche durch den Schlundrinnenreflex am Pansen vorbei direkt in den Labmagen geleitet wird.
Das Vormagensystem mit Netzmagen, Pansen und Blättermagen ist noch klein und unterentwickelt. Raufutter kann deshalb noch nicht gut aufgeschlossen werden. Die Schleimhaut ist noch nicht ausgereift und die für das erwachsene Tier typischen Pansenzotten sind noch kurz und weich.
Die Besiedelung der Vormägen, insbesondere des Pansens, mit Mikroorganismen, welche die Pflanzenbestandteile aufschliessen und dadurch erst für das Rind zugänglich machen, beginnt mit der Geburt und wird nach und nach aufgebaut.
Leicht verdaulich, frisch und in geringen Mengen
Pflanzliche Proteine können von sehr jungen Kälbern noch nicht verdaut werden und Durchfall verursachen. Als Ergänzung zur Milch sollten daher den Kälbern schon ab der ersten Lebenswoche leicht verdauliche Futtermittel vorgelegt werden.
Wichtig dabei ist, dass das Futter täglich frisch in geringer Menge angeboten wird. Junge Kälber nehmen erst sehr wenig festes Futter auf. Dennoch ist es wichtig, dieses schon früh anzubieten. Natürlicherweise sind sie neuen Futtermitteln gegenüber skeptisch eingestellt und benötigen Zeit, sich daran zu gewöhnen.
Das Spielen mit dem Futter gehört mit zu diesem Lernprozess und sollte ermöglicht werden, obwohl es natürlich ärgerlich ist, täglich die eingespeichelten Futterreste zu entfernen.
Brauchen Kälber Kraftfutter?
Durch die frühe, vorsichtige Gewöhnung an festes Futter können sich die Vormägen entwickeln und die Kälber werden diese später, wenn die Tränkemenge reduziert wird, effizient verdauen.
Der Tränkeplan, die angestrebten Zuwachsraten und das gewünschte Erstkalbealter spielen eine Rolle für die Menge des Kraftfutters. Diese Faktoren müssen für eine Rationsplanung definiert werden. Je länger und je mehr Milch vertränkt wird, desto weniger Kraftfutter wird benötigt.
Bei kraftfutterfreier Aufzucht werden um die 1000 l Milch pro Kalb vertränkt und es kann erst mit vier bis fünf Monaten abgesetzt werden – solange dauert es, bis der «Bioreaktor» Pansen eine ausreichende Leistungsfähigkeit erlangt.
Raufutter: Menge und Qualität müssen stimmen
Wird die Milch bei ausschliesslicher Raufutterfütterung früh abgesetzt, erleiden die Kälber einen «Wachstumsknick». Das noch nicht voll entwickelte Vormagensystem vermag dann den Wegfall der gehaltvollen Milch nicht zu kompensieren. Das Resultat sind häufig magere, struppige Absetzer mit grossen Heubäuchen.
Die Qualität des angebotenen Raufutters ist ebenfalls äusserst wichtig. Es eignen sich gutes Heu oder Emd, ohne grobe Stängel oder Stacheln mit vernünftiger Struktur und ohne Verunreinigungen.
Da moderne Gräsersorten zum Teil sehr hohe Zuckergehalte aufweisen, welche beim Kalb zu Durchfall führen können, empfiehlt es sich, eine Futteranalyse anfertigen zu lassen, spätestens beim Auftreten ungeklärter Durchfallerkrankungen. Heu mit Zuckergehalten von über 150 g/kg TS ist für Kälber problematisch.
Verdauung von Stärke regt Entwicklung der Pansenzotten an
Durch die mikrobielle Verdauung von Stärke aus Getreide entstehen kurzkettige Fettsäuren (Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure), welche die weitere Entwicklung der Pansenzotten anregen.
Aber auch zu viel des Guten ist schädlich für die Kälber. Für eine gute Entwicklung braucht der Pansen ebenso Struktur im Futter (d. h. Zellulose).
Die Aufnahme von Raufutter erfordert intensives Kauen. Es wird viel Speichel produziert. Dieser enthält Puffersubstanzen, die einem Absinken des pH-Werts im Pansen und damit einer Pansenazidose entgegenwirken. Ist der Kraftfutteranteil jedoch zu hoch, entsteht eine Übersäuerung, welche die Pansenschleimhaut stark schädigen kann. Ganz abgesehen davon, dass das saure Milieu im Pansen dem Kalb Schmerzen und Unwohlsein bereitet und den Appetit beeinträchtigt.
Die Mischration für die Kälber selbst herstellen
Obwohl viele Systeme funktionieren, gibt es zumindest in der intensiven Kälberaufzucht einen Favoriten: Die Trocken-TMR bzw. Kälber-Mash. Dabei können die Vorteile von Rau- und Kraftfutter optimal kombiniert werden. Die darin enthaltene Struktur regt die Speichelproduktion an und sorgt damit für einen Säurepuffer, während der Kraftfutteranteil die Energieversorgung sicherstellt.
Die Trocken-TMR kann selbst mit einem Mischwagen hergestellt werden. Wichtig ist, auf die einwandfreie Qualität der Zutaten zu achten. Als Raufutteranteil eignet sich gutes Heu oder schönes Stroh. Beides sollte auf eine Länge von 2 bis 4 cm gehäckselt werden, damit die Kälber es nicht aussortieren.
Bewährt hat sich eine Mischung aus 70 % Kraftfutter, 25 % gehäckseltem, staubfreiem Heu oder Stroh, 5 % Melasse sowie einem handelsüblichen Mineralfuttermittel für Kälber in der empfohlenen Dosierung.
Welches Festfutter ist ideal für Kälber?
[IMG 2] Beim Kraftfutter sind gequetschte Produkte ideal. Hafer hat gegenüber Weizen und Gerste den Vorteil, dass die darin enthaltene Energie langsam freigesetzt wird und Schleimstoffe eine gesunde Verdauung begünstigen. Die Melasse erhöht die Akzeptanz, reduziert das Aussortieren und bindet zudem die Mineralstoffe. Bei der Herstellung im Mischwagen wird zuerst die Raufutterkomponente auf die gewünschte Länge gehäckselt, dann wird die Melasse zugegeben und zuletzt die Kraftfutter-Komponente und das Mineralfutter (falls nicht im Kraftfutter enthalten).
Es ist darauf zu achten, dass im Mischwagen keine Futterreste von der vorherigen Ration kleben geblieben sind; vor allem Silagereste sind gefährlich und können zum Verschimmeln des Mashs führen. Eine korrekt und sauber hergestellte Kälber Trocken-TMR ist bis zu drei Monate lagerfähig.
Die Kälber Trocken-TMR wird wie das Heu und das Kälber-Kraftfutter zunächst in kleinen Mengen ab der ersten Lebenswoche vorgelegt. Frisst ein Kalb später etwa 1,5 bis 2 kg, kann es abgetränkt werden. Es kann dann auch Silage angeboten werden. Die Trocken-TMR wird jedoch zunächst weiter unbegrenzt angeboten, um die Verdauung zu stabilisieren.
Im Alter von vier bis fünf Monaten wird dann langsam auf die Ration der Kühe umgestellt. Dazu wird die Trocken-TMR zuerst begrenzt und dann ganz weggelassen.
Die Kälber sind die Schiedsrichter
Ob eine Ration in den ersten Lebensmonaten gut funktioniert, lässt sich problemlos kontrollieren. Wir müssen nur die Kälber genau betrachten: Sind sie munter und vital, ist das Haarkleid glatt und glänzend und der Kot geformt, grünoliv und mittelbreiig, so ist dies das Spiegelbild einer guten Fütterung.
Sehr sinnvoll ist zudem die Erfassung des Wachstums, indem das Kalb zum Zeitpunkt der Geburt, beim Abtränken und am Ende des ersten Lebenshalbjahres gewogen wird. Ersatzweise kann man mit einem Massband das Lebendgewicht hinreichend genau abschätzen. Damit hat man eine perfekte und objektive Kontrolle der eigenen Kälberaufzucht.
Führt eine intensive Fütterung nicht zum Verfetten?
Bis zum Alter von sechs Monaten profitiert das Kalb bzw. das Jungrind von einer intensiven Fütterung: Je jünger das Kalb, desto wichtiger ist eine ausreichende Energieversorgung. In dieser Zeit werden die Weichen gestellt für die spätere Leistungsfähigkeit als Milchkuh oder Masttier.
Zudem ist das Wachstum in den ersten Lebenswochen sehr intensiv und das Kalb muss sich mit einer Vielzahl von Krankheitserregern auseinandersetzen sowie sein Immunsystem aufbauen – all das erfordert hohe Mengen an Energie.
Ab einem Lebensalter von sechs Monaten ist das Vormagensystem ausgereift. Zu diesem Zeitpunkt brechen die ersten Backenzähne durch und erlauben das Zerkauen grober Stängel. Das Kalb ist ein «richtiger» Wiederkäuer geworden. In den folgenden Monaten sollten die täglichen Zunahmen bei Aufzuchtrindern nur noch bei maximal 800 g liegen, um eine starke Verfettung im zweiten Lebensjahr zu vermeiden.
Das ist wichtig, da ansonsten Schwierigkeiten bei der Geburt und ein problematischer Start in die erste Laktation drohen. Bezüglich der Fütterung ab dem zweiten Lebenshalbjahr gilt, dass die Energiekonzentration der Ration derjenigen der Galtkühe entsprechen sollte (ca. 5,6 MJ NEL/kg TS).
Kraftfutter ist somit entbehrlich – nicht aber ein Mineralfutter, das ausreichende Mengen an Spurenelementen enthalten sollte. Wer die Entwurmung im zweiten Lebensjahr im Auge behält, wird an gut entwickelten, leistungsfreudigen Jungkühen seine Freude haben.